Reden wir heute mal über Zielstrebigkeit. An der soll es der aktuellen Generation junger Menschen auf dem Weg zu einer Arbeitswoche mit bestenfalls vier Tagen ja mangeln. Meinen halbwüchsigen Sohn muss ich da aber ausdrücklich ausnehmen. Der würde zwar auch gerne einer dieser sagenhaften Influencer mit netzweiter Berühmtheit und fantastischen Erlösen werden, vertraut letztlich aber lieber darauf, einst den bodenständigen Lehrerberuf zu ergreifen. Entsprechend hat er sich kürzlich mit großem Eifer an die Aufgabe seiner Deutschlehrerin gemacht, eine Unterrichtsstunde vorzubereiten, in der es um die Regeln für Verbindungen mit „sein“ gehen sollte. Da liefert man als Erziehungsberechtigter doch gerne Ratschläge!
Die Suche nach greifbaren Beispielen führte mich sehr schnell zum Glücklichsein. Schließlich hatte ich dem Sinnspruch, tagtäglich oben rechts im Lokalteil dieser geschätzten Qualitätszeitung abgedruckt, zuvor gerade entnehmen können: „Wenn man glücklich ist, soll man nicht noch glücklicher sein wollen.“ Und Theodor Fontanes Worte bieten doch nicht nur beispielhafte Verbindungen mit „sein“ – sondern auch einen schönen Blick auf das 0421-Land an sich.
Denn das ist – angeblich – schon ziemlich glücklich. So geht es zumindest aus dem „Happy City Index“ hervor, der vom Institut für Lebensqualität gerade für Großstädte weltweit ermittelt wurde. Bremen schlägt sich in diesem Rennen achtbar, landet global auf Platz 105 und damit in der Spitzengruppe der – immerhin! – Bronzeplätze. Was jedoch unweigerlich zu der Frage führt, was das vermeintliche Glück in der Hansestadt ausmacht. Laut Index punktet sie mit einem guten öffentlichen Gesundheitswesen und einer partizipativen, transparenten Stadtpolitik. Super! Auch wenn ich nicht weiß, was Letzteres eigentlich genau meint.
Mit Blick auf diese Woche bedeutet Glück in Bremen vermutlich aber schon, morgens in den Tag starten zu können, ohne dass das Auto – womöglich sogar eine fette Karre – nächtens von Klimaaktivisten geplättet und somit in seiner Funktion deaktiviert worden wäre. Und vielleicht gehört ja auch zum Glück, wenn man unter 18 Jahre alt ist und fortan Jahr für Jahr per sogenannter Freikarte 60 Euro für Freizeitvergnügungen zur Verfügung gestellt bekommen soll. Und das von einem habenichtsigen Bundesland, das zwar anerkannt löchrige Taschen hat, diese aber offenbar als Teil seiner Spendierhosen betrachtet.
Wer das jetzt als puren Neid interpretiert, weil ich als Bremer Jugendlicher, frei von jeder Alimentation durch die Landesregierung, stattdessen im Comet-Supermarkt am Buntentorsteinweg Regale aufgefüllt habe, um meine Freizeit zu finanzieren: korrekt. Allerdings hat mich das auf dem Weg ins Erwachsenenleben auch gelehrt, dass Geld nicht einfach ins Haus kommt, sondern am Ende einer Kette steht, in deren Mittelteil ich Kondensmilchbüchsen und Kaffeepakete an ihren Verkaufsplatz zu räumen hatte. Das war nicht immer ein Spaß, letztlich aber irgendwie: zielstrebig.
Tagebucheintrag: Die vorbereitete Unterrichtsstunde hat mein Sohn übrigens anständig hinter sich gebracht. Ganz ohne Arbeitszeiterfassung für Lehrer!