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Gaspreisdeckel "Der Aufschlag muss sitzen"

Die steigenden Strom- und Gaspreise werden gedeckelt, davon ist Bremens Bürgermeister Bovenschulte überzeugt. Warum sich Bund und Länder noch nicht auf ein Modell einigen konnten, erklärt er im Interview.
05.10.2022, 18:19 Uhr
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Von Christoph Barth

Herr Bovenschulte, Bund und Länder haben sich nicht auf ein Entlastungspaket gegen die hohen Energiepreise einigen können. Woran lag es?

Die gute Nachricht ist: Bund und Länder haben sich einmütig für eine Gas- und Strompreisbremse ausgesprochen und damit für das wichtigste Instrument zur Bekämpfung der Energiepreiskrise. Und die zweite gute Nachricht ist: Sie haben sich ebenso einhellig dafür ausgesprochen, die Profiteure der Krise zur Finanzierung der Maßnahmen heranzuziehen – Stichwort Übergewinnsteuer. 

Aber wie genau das alles aussehen soll, weiß noch keiner. Ihr NRW-Amtskollege Wüst hat in diesem Zusammenhang von einer "Wundertüte" gesprochen. Hätte man sich das Treffen dann nicht schenken können?

Richtig ist: Es ist noch nicht klar, wie das konkrete Modell der Gaspreisbremse aussehen soll. Am kommenden Montag soll eine Expertenkommission ihre Vorstellungen dazu erstmals öffentlich präsentieren. Und von der Ausgestaltung dieser Gaspreisbremse hängt dann ab, wie die anderen Elemente des Entlastungspakets III aussehen werden. Das steht ja nicht unverbunden nebeneinander. Klar ist doch: Je wirksamer die Gaspreisbremse ist, desto weniger müssen die anderen Entlastungen in Anspruch genommen werden.

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Also eine Erhöhung des Wohngelds etwa. 

Genau. Deshalb wissen wir erst dann genau, was zum Beispiel die Ausweitung des Wohngeldes kosten wird und deshalb können wir erst dann abschließend über die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern verhandeln.

Die Energiepreise drohen viele Verbraucher zu überfordern, immer mehr Unternehmen rufen um Hilfe – auch in Bremen: von den Bäckereien bis zum Stahlwerk: Wie viel Zeit hat die Politik noch?

Wir haben keinerlei Zeit zu verlieren, das muss alles so schnell wie möglich umgesetzt werden. Andererseits hat man bei der Gasumlage gesehen: Es muss auch funktionieren. Es wäre doch niemandem damit geholfen, wenn wir hinterher feststellen: Das war nichts. Der Aufschlag muss deshalb sitzen.

Ein strittiger Punkt ist die Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern. Ist diese Frage nicht eher zweitrangig angesichts der Größe der Herausforderung?

Ich finde es nachvollziehbar, dass hart verhandelt wird, denn kein Bundesland hat das Geld auf der hohen Kante – und der Bund übrigens auch nicht. Aber Sie haben völlig recht: Das darf die Entlastungen für Privathaushalte und Unternehmen nicht hinauszögern. Aber das ist am Dienstag ja auch nicht passiert. An der Umsetzung der Gaspreisbremse wird ja weiter konzentriert gearbeitet. Die Frage, wer welche Kosten übernimmt, hat damit nichts zu tun.

Wann rechnen Sie mit einer Einigung?

Am 10. Oktober wird die Expertenkommission ihre Vorstellungen zum Modell einer Gaspreisbremse vorlegen und am 27. Oktober kommt die neue Steuerschätzung – dann wissen wir, wie es um die finanziellen Spielräume bei Bund und Ländern im nächsten Jahr steht. Und dann muss sehr schnell eine Entscheidung her.

Also Ende Oktober, Anfang November.

So ist das.

Was dürfen Verbraucher von dem Paket erwarten? Einen Strom- und Gaspreis, der auf einen Betrag X gedeckelt ist – und den Rest bezahlt der Staat?

Wir müssen zwischen Strom und Gas unterscheiden: Beim Strom produzieren viele Erzeuger sehr günstig, weit unter dem aktuellen Börsenpreis – da wird man eine Kappungsgrenze einführen und die Erlöse begrenzen. Beim Gaspreisdeckel ist es schwieriger, weil die meisten Versorger das Gas tatsächlich zu sehr hohen Preisen einkaufen müssen. Da wird der Staat einen Teil der Kosten übernehmen müssen.

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Ist denn über den Betrag X schon mal geredet worden?

Dazu wird sich aller Voraussicht nach die bereits erwähnte Expertenkommission am Montag äußern. Dem will ich nicht vorgreifen. Aber es wird für die Verbraucher sicherlich nicht so günstig werden wie vor dem Krieg. Beim Strompreis hat die EU-Kommission ja schon einen Vorschlag gemacht: 18 Cent pro Kilowattstunde. Beim Gaspreis ist das noch völlig offen.

Alle Entlastungspakete zusammen werden nach Berechnungen der Bundesregierung fast 300 Milliarden Euro kosten – das ist fast ein ganzer Bundeshaushalt, der nur für Öl, Gas und Strom draufgeht. Wer zahlt am Ende die Rechnung?

Ein Großteil der Summe wird über neue Kredite finanziert werden müssen. Die 200 Milliarden, die jetzt für den Gaspreisdeckel vorgesehen sind, entsprechen ungefähr sechs bis sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes eines Jahres – das käme auf die bestehende Verschuldung also oben drauf. Damit liegen wir aber immer noch weit unter dem europäischen Durchschnitt.

Wie hoch sind die Belastungen für den Bremer Landeshaushalt?

Ich rechne mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Man muss aber immer auch sehen: Was würde denn passieren, wenn wir das nicht machen? Es bestünde doch die Gefahr einer jahrelangen, tiefen Depression, die am Ende noch viel teurer würde. Die berechtigte Hoffnung ist doch: Wir federn den Energiepreisschock ab und kehren nach ein bis zwei Jahren wieder auf einen normalen Wachstumspfad zurück.

Die Fragen stellte Christoph Barth.

Zur Person

Andreas Bovenschulte (SPD) ist seit 2019 Bürgermeister der Stadt Bremen und Präsident des rot-grün-roten Senats.

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