Frau Riedel, Polizeibeauftragte zu sein, bedeutet, immer dann gerufen zu werden, wenn es einen Konflikt gibt. Sie sitzen sozusagen qua Amt zwischen den Stühlen. Wie gehen Sie damit um?
Sermin Riedel: Genau das sehe ich als Vorteil an. Wenn man zwischen verschiedenen Positionen vermitteln will oder in Konfliktfällen, dann sitzt man zwischen den Stühlen genau richtig. Das gibt mir die Chance, die Dinge unparteiisch zu beobachten und mich allen Konfliktseiten offen zu nähern.
Wie verstehen Sie dabei Ihre Rolle? Bewerten Sie Situationen oder moderieren Sie sie nur?
Das kommt ganz drauf an. Es wird ganz unterschiedliche Situationen und Bedürfnisse geben, mit denen sich Menschen an mich wenden. Da wird es sicher Momente geben, in denen es mehr auf die vermittelnde Position ankommt. In denen es vielleicht auch nur darum geht, Dinge zu übersetzen und Menschen miteinander in den Dialog zu bringen. Aber sicher auch Situationen, in denen Dinge zu bewerten sind. Also ein Problem oder eine Sachlage sehr genau zu analysieren und dann auch zu fundierten Bewertungen zu kommen.
Trotzdem bleibt es eine beratende Funktion, oder? Sie entscheiden nicht, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird oder es gar zu strafrechtlichen Schritten kommt?
Nein, solche Verfahren kann ich nicht in Gang bringen. Und es ist auch nicht so, dass diese Verfahren erst in Gang kommen, wenn ich eine Bewertung abgegeben habe. Da ist die Justiz unabhängig und ermittelt natürlich selbst. Das Gleiche gilt für Dienststellenleitungen und Disziplinarverfahren. Ich sehe mich da eher in der Funktion, dass ich mir Dinge anschauen kann, Bewertungen vornehme, um dann Empfehlungen abzugeben, wie man mit derartigen Problemlagen vielleicht künftig umgehen kann. Um zu besseren Prozessen zu kommen. Oder auch nur zur besseren Kommunikation.
Dürfen Sie auch eigenständig Themen aufgreifen?
Natürlich. Ich kann Dinge ansprechen, die sich vielleicht noch gar nicht im disziplinar- oder strafrechtlichen Bereich bewegen, die aber gleichwohl angesprochen werden müssen.
Hätten Sie dafür ein Beispiel?
Ehrlich gesagt, lieber nicht. Ich will jetzt nicht spekulieren oder persönliche Interpretationen vornehmen, sondern vollkommen offen an meine Aufgabe herangehen. Abstrakt stelle ich mir aber zum Beispiel Dinge vor, wo es eher um Verhaltensweisen geht oder um Dinge, wie bestimmte Situationen von unterschiedlichen Seiten erlebt werden.
Sie sind also eine Instanz, die verhindern kann, dass formale Verfahren überhaupt eingeleitet werden müssen? Indem Sie einfach nur vermitteln?
Genau. Wenn wir uns noch im Vorfeld von strafrechtlichen Ermittlungen bewegen, kann meine Arbeit dazu führen, dass man so etwas tatsächlich auf anderem Wege zu einer guten Lösung bringen kann. Aber straf- oder auch disziplinarrechtlichen Ermittlungen liegt ja immer ein Fehlverhalten zugrunde, das auch nicht wegdiskutiert werden kann. Doch wir bewegen uns häufig in Bereichen, wo dies noch nicht der Fall ist, es aber trotzdem Probleme, Konflikte und unterschiedliche Sichtweisen gibt. Da zu vermitteln, so etwas gut aufzulösen, darin sehe ich meine Aufgabe.
Welche persönlichen Eigenschaften bringen Sie für diese Aufgabe mit?
Ein großes Verständnis für ganz unterschiedliche Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und Kontexten. Ich kann mich auf sehr vielen Ebenen bewegen und finde eigentlich immer mit allen Menschen eine gute Kommunikationsebene. Ich kommuniziere unheimlich gerne mit Menschen, das macht mir großen Spaß. Das ist etwas, was ich von Haus aus mitbekommen habe. Und ich beobachte sehr genau, schaue mir viele Dinge an und nehme viele Dinge auf. Ich glaube, das ist sehr wichtig für diese Stelle: Erstmal abzuwarten, zu beobachten und zu analysieren. Und dann aber auch zu einer sehr klaren Haltung zu kommen. Ich glaube, das macht mich aus.
Rechnen Sie mit Vorbehalten? Auf beiden Seiten. Bei Polizisten, die Sie als überflüssige Kontrolleurin betrachten werden. Und bei den Bürgern, für die Sie letztlich doch zum System gehören?
Das mag sein. Aber das ist ja genau die Herausforderung – die Stelle so auszufüllen, dass ich dem entgegentreten kann. Dass für alle Seiten, egal ob Polizei, Feuerwehr oder Bürger, der Mehrwert dieser Stelle klar wird. Ich hoffe, dass ich es schaffe, dass die Menschen mir und meiner Arbeit vertrauen. Dass sie sich bei mir in guten Händen fühlen und sagen: ‚Okay, Frau Riedel kümmert sich drum. Sie macht sich ein genaues Bild und am Ende können wir uns darauf verlassen, dass etwas dabei herauskommt.‘ Ich habe da aber ehrlich gesagt gar nicht so große Bedenken. Die bisherige Resonanz schon vor meinem Dienstantritt war sehr positiv.
Sie beginnen offiziell am 1. März. Wie kommt man ganz praktisch mit Ihnen in Verbindung?
Für Beschwerden, Hinweise oder Eingaben gibt es natürlich formalisierte Verfahren. Aber einfach gesagt: Man kann mich anrufen, mir eine E-Mail schreiben, einen Brief oder mich um ein persönliches Gespräch bitten. Um mit mir ins Gespräch zu kommen, wird es sehr niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten geben. Alles Weitere ist dann vom Einzelfall abhängig.
Das Gespräch führte Ralf Michel.