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70-jähriges Jubiläum Bremens Wiedergeburt als eigenständiges Land

Vor 70 Jahren, am 21. Januar 1947 fiel die endgültige Entscheidung über die Neugründung Bremens. Zeit, auf die Erlebnisse der damaligen politischen Akteure zurückzublicken.
23.01.2017, 00:00 Uhr
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Bremens Wiedergeburt als eigenständiges Land
Von Silke Hellwig

Vor 70 Jahren, am 21. Januar 1947 fiel die endgültige Entscheidung über die Neugründung Bremens. Zeit, auf die Erlebnisse der damaligen politischen Akteure zurückzublicken.

Sie hatten andere Sorgen, als vor 70 Jahren die Weichen für die Zukunft des Landes Bremen gestellt wurden: Für die meisten Bürger, so wichtig die Selbstständigkeit Bremens auch war, blieb sie zunächst vermutlich ein lebensfernes Abstraktum, wohingegen die alltägliche Not der Nachkriegsjahre allgegenwärtig war. Der Winter 1947 ist kalt, die Versorgungslage der Bevölkerung kritisch, es fehlt an Lebensmitteln und Kohlen, auch an Wohnungen. Am 5. Januar 1947 wird der damalige Senator Theodor Spitta 74 Jahre alt, zwei Tage später vermerkt er in seinem Tagebuch: „Minus 16 Grad (...) Zum Geburtstag habe ich vom Rathaus 5 Zentner Kohlen bekommen, sodass wir etwas verschwenden.“

Theodor Spitta (1873 - 1969) hatte 1945 die Bremer Demokratische Volkspartei (BDV) gegründet, die später in Teilen in der FDP aufging. Spitta wurde von der amerikanischen Militärregierung mit dem Amt des Justizsenators betraut, war zunächst Vertreter von Bürgermeister Erich Vagts, dann von Bürgermeister Wilhelm Kaisen. Bis 1955 war er Kopf des Ressorts für Justiz, Verfassung und kirchliche Angelegenheiten und einer der maßgeblichen Väter der bremischen Landesverfassung, die im Oktober 1947 verabschiedet wurde. In seinen unter dem Titel „Neuanfang auf Trümmern“ veröffentlichten Tagebüchern legt er Zeugnis ab über die Tage, in denen die Entscheidung über die Neugründung des Landes Bremen fiel.

Am 22. Januar 1947 vermerkt Spitta beispielsweise: „Gerücht, dass Vertrag England-Amerika über die Eingliederung des Landes Bremens in die US-Zone heute veröffentlicht werden würde. Presse und Rundfunk stürmen mein Zimmer und wollen Erklärungen. Weser-Kurier soll Extra-Ausgabe bringen.“ Tatsächlich erscheint die Sonderausgabe dieser Zeitung einen Tag später, am 23. Januar vor 70 Jahren, die vor allem den Bekanntmachungen des Bremer Direktors der Militärregierung, Thomas F. Dunn, vorbehalten ist. Spitta hinterlässt: „Erneute Aufregung von Presse und Rundfunk wegen der Eingliederung Bremens in die amerikanische Zone. Extrablatt am Nachmittag. Ich lehne Äußerung ab, ehe ich nicht die authentischen Unterlagen habe. Aus einfachen Geschäftsvorgängen wird ein Schaustück gemacht!“

Die einmalige Doppelrolle Bremens

Der Neugründung Bremens waren langwierige Verhandlungen vorausgegangen. „Bremen stand in einer im Besatzungsdeutschland einmaligen Doppelrolle“, schreibt der Historiker und Leiter des Staatsarchivs, Konrad Elmshäuser, in seiner „Geschichte Bremens“. Britische Interessen kollidierten mit denen der US-amerikanischen Militärregierung. Elmshäuser: „Man wird den Wunsch der USA, Bremen und seine Häfen in der US-Zone zu halten, als grundlegend für die Wiedergeburt des Landes Bremens bezeichnen können.“

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Der zähe Verhandlungspartner auf bremischer Seite ist Wilhelm Kaisen, der Anfang August 1945 von den alliierten Besatzungsmächten zum Präsidenten des Senats und – bis zur ersten freien Wahl im Oktober 1946 – zum Präsidenten der Bürgerschaft bestimmt worden war. Im Januar 1946 beginnen die umfangreichen Verhandlungen. Bremen und Kaisen haben einen Kontrahenten in dieser Frage: Hinrich Kopf (1893 - 1961), Oberpräsident der Provinz Hannover, später erster Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, der Bremen Hannover beziehungsweise Niedersachsen angliedern will. Unterstützt wird Kopf bei diesen Überlegungen von den Briten.

In der von Hans Koschnick herausgegebenen Dokumentation „Zuversicht und Beständigkeit“ sind Protokolle, Reden und andere Unterlagen aus den ungewissen Jahren vor der Neugründung versammelt. Danach schreibt Kaisen am 12. Januar 1946: „Der Zentralismus und Separatismus sind Bestrebungen im nordwestdeutschen Raum, die schon oft von Bremen aus abgewehrt werden mussten, wenn sie in Übergangszeiten allzu üppig ins Kraut schossen (...) Zentralismus sieht auf dem Papier immer sehr schön aus, er wird aber leicht zum lebensfremden Schematismus.“

Wilhelm Kaisen: "Korrektur der Geschichte"

Im Laufe des Jahres 1946 entwickelt sich der Bürgermeister zu einem unermüdlichen und hartnäckigen Verteidiger von Bremens Ansprüchen, die jedoch bescheiden bleiben. Das Protokoll einer Sitzung im September 1946 vermerkt: „Auf die Frage des (amerikanischen) Generals (Henry Parkman), ob Bremen eine vergrößerte Enklave mit Teilen Hannovers und Oldenburgs wünsche, erwiderte Bürgermeister Kaisen, die Bremer seien keine Eroberer und wünschten eine so vergrößerte Enklave nicht (...).“

Letztlich einigten sich Briten und Amerikaner, Bremen und Hannover. Lieutenant Colonel Gordon Browning teilt am 3. Oktober 1946 mit, dass Bremen als „reichsunmittelbare Hansestadt“ erhalten bleibt. Kaisen formuliert in einer Rede: „Die Selbstständigkeit Bremens ist jetzt erst festgelegt worden. Zäh und erbittert mussten wir in den langen Monaten darum ringen. Es schien mir oft, als ob wir auf verlorenem Posten kämpften. Aber die Sache, der wir vertrauten, war gut, sie gab uns das nötige Selbstvertrauen, um schließlich erfolgreich zu sein.“ Das Ringen hatte indes noch kein Ende, um die Angliederung Bremerhavens – damals noch Wesermünde – an Bremen musste erneut hart verhandelt werden. Die endgültige Entscheidung fiel vor fast auf den Tag genau 70 Jahren, am 21. Januar 1947.

20 Jahre später hält Wilhelm Kaisen in seinen Erinnerungen „Meine Arbeit, mein Leben“ fest: „Bremen hatte mit der Wiederherstellung als Stadtstaat eine neue Chance erhalten. Es sollte sich bald herausstellen, dass diese längst fällig gewordene Korrektur der Geschichte zu den großen Antriebskräften jener Zeit zählte, die den Wiederaufbau belebten.“ Und weiter erinnert er sich: „Unsere Bevölkerung fasste wieder Mut. Wer wollte jetzt zögernd zurückbleiben und sich mit Vorstellungen plagen, von der Geschichte abgeschrieben zu sein! Sehr tief saß zwar auch der Schock der zwölf Jahre, recht düster sah das Bild aus, das die Stadt und die Wirtschaft boten. Aber das Misstrauen wich, neue Zuversicht breitete sich aus. Man beschäftigte sich wieder ernsthaft mit der Zukunft Bremens.“

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