Wie kann man mehr jungen Menschen den Weg ins Berufsleben ebnen? Bremens rot-grün-rote Koalition glaubt, darauf eine Antwort zu haben: Ein Ausbildungsfonds, in den die Betriebe einzahlen, soll es richten. Nach langer Vorarbeit an den rechtlichen Grundlagen kommt das umstrittene Projekt nun auf die Startrampe. Voraussichtlich in der kommenden Woche wird der Senat den Gesetzentwurf über das umstrittene Vorhaben beraten. Anschließend geht er in die Bürgerschaft, damit er noch vor der Wahl am 14. Mai beschlossen werden kann. Es steht eine harte politische Konfrontation bevor, denn bei den Wirtschaftsverbänden stößt der Fonds auf massive Ablehnung.
Ausgangspunkt der Initiative ist der Rückgang betrieblicher Ausbildungsverhältnisse gegenüber dem Vor-Corona-Niveau. Gerade in der Industrie ist die Ausbildungsquote gesunken, insbesondere in den Berufen der kaufmännischen Angestellten. Vielen unversorgten Jugendlichen mangelt es an schulischem Rüstzeug, zum Teil hapert es auch an anderen Grundfertigkeiten und an Durchhaltevermögen. So brachen zuletzt rund 60 Prozent der Koch-Azubis ihre Ausbildung ab.
Das Problem ist also vielschichtig. Der geplante Ausbildungsfonds soll ein Teil der Lösung sein, und nicht zuletzt er soll die Lasten ausbalancieren zwischen ausbildungswilligen Betrieben und solchen, die auf diesem Gebiet keine eigenen Anstrengungen unternehmen. Das Konzept sieht so aus: Bis auf Kleinstbetriebe zahlen alle Firmen maximal 0,3 Prozent ihrer Bruttolohnsumme in den Fonds ein. Wer ausbildet, erhält aus dieser Umlage pro Azubi bis zu 2500 Euro zurück. Starten soll das System zum Beginn des Ausbildungsjahres 2024/25. Auch die öffentliche Verwaltung – mit rund 20.000 Stellen Bremens größter Arbeitgeber – soll in ihrer Arbeitgeberfunktion in den Fonds einzahlen. Dies war zeitweilig innerhalb des Senats politisch umstritten, ist nun aber so vereinbart.
Für den Anfang rechnet Arbeitsstaatsrat Kai Stührenberg mit Einnahmen von rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Gut drei Viertel davon würden in die Umverteilung fließen. Mit dem Rest sollen Projekte zur Stärkung der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen finanziert werden. Insbesondere kleinere Betriebe könnten dann auf einen Pool von Pädagogen, Sozialarbeitern und anderen Fachkräften zurückgreifen, die Jugendliche während ihrer Ausbildung beruflich und privat stabilisieren.
Kai Stührenberg: "Wir haben heute andere Jugendliche als vor zwanzig, dreißig Jahren, und damit muss man umgehen. Wenn wir den enormen Arbeitskräftebedarf unserer Wirtschaft decken wollen, dann geht das nicht mehr nur nach dem Prinzip der Bestenauslese." Auch Schulabgänger mit Defiziten müssten eine Chance haben. Ausbildungswillige Betriebe bei ihren Anstrengungen finanziell und personell zu unterstützen, sei die Funktion des geplanten Fonds.
Gemessen an dem politischen Gewicht, das dieses Projekt für die Koalition hat, kam es in den vergangenen Jahren eher langsam und stockend voran. Damit es überhaupt noch vor der Wahl beschlussreif wird, übernahm im November 2022 eine "Taskforce" aus Juristen der Senatskanzlei sowie der Ressorts Justiz, Finanzen und Wirtschaft/Arbeit die Regie. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf enthält gleichwohl noch Regelungslücken.
So ist beispielsweise nicht wirklich klar, wie hoch der an den Fonds zu zahlende Beitrag in der Anfangsphase sein soll. Der genaue Satz soll außerhalb des Gesetzes durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden. Ähnliches gilt für die Definition der Kleinstbetriebe. Zunächst hatte es geheißen, nur Betriebe mit mehr als vier Mitarbeitern sollten die Abgabe zahlen. Diese konkrete Grenze wird im Gesetzestext nicht mehr gezogen. Darin ist vielmehr von einer nicht näher gefassten "Bagatellgrenze" die Rede.
An diesen Punkten wird die Handelskammer einhaken, die von dem Projekt erklärtermaßen nichts hält. Der Fonds "schafft nur neue Bürokratie", beklagt Hauptgeschäftsführer Matthias Fonger. Er gehe "fest davon aus, dass wir dagegen klagen werden". Entsprechende juristische Expertisen sollen nach seinen Worten bis Ende Februar / Anfang März vorliegen. Dabei gehe es sowohl um die genannten juristischen Unschärfen im Gesetzestext als auch um die grundsätzliche Frage, ob Bremen auf dem eigentlich bundesgesetzlich geregelten Feld der Berufsausbildung gesetzgeberisch tätig werden darf.
Auch in der Koalition sind nicht alle vollends glücklich mit dem aktuellen Stand, wie sich etwa an der Wortwahl von Henrike Müller erkennen lässt. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen sagt: "Es ist schade, dass nur noch so wenig Zeit bleibt, denn wir haben noch wichtige Details zu klären."
Immerhin liege mit dem Gesetzentwurf jetzt "endlich eine Grundlage vor, mit der wir arbeiten können". Auch SPD-Wirtschaftspolitiker Volker Stahmann sieht noch Klärungsbedarf – unter anderem, was das geplante Steuerungsorgan des Fonds angeht, den sogenannten Verwaltungsrat. Wie genau soll er sich zusammensetzen und wie sollen Konflikte in diesem Gremium gelöst werden? Darauf fehlen Stahmann noch Antworten. An seiner grundsätzlichen Unterstützung für das Projekt ändere das jedoch nichts: "Ich bin von der Idee zutiefst überzeugt."
+++ Anmerkung: Im Artikel stand zunächst dass die Firmen maximal drei Prozent ihrer Bruttolohnsumme in den Fonds einzahlen. Richtig ist 0,3 Prozent. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung. +++