Was soll’s schon, wenn ein Bremer Badegewässer gesperrt wird? Dann schickt man die Leute eben ans Mittelmeer, da ist das Wasser ohnehin wärmer. Es klingt mitunter ein bisschen nach Marie Antoinette, was Behörden zur Sperrung des Werdersees sagen. Die französische Königin hat tatsächlich zwar nie den Satz gesagt, dass das Volk doch Kuchen essen möge, wenn es kein Brot habe. Doch drückt das Falschzitat trotzdem einen oft wahren Zustand aus. Wer an der Spitze steht, sieht manchmal nicht klar genug, was zu seinen Füßen vor sich geht.
Keine Bremer Behörde residiert in einem Schloss. Und doch lässt der Umgang mit dem Wasserpest-Befall und der so gut wie kompletten Sperrung des größten und zudem innenstadtnahen Badesees aufmerken. Da klingt in den Stellungnahmen der Behörden oft klein, was tatsächlich folgenreich ist. "Die Wasserpest ist da und wird voraussichtlich bleiben", tönt es aus dem Umweltressort. Ende der Durchsage, die was von Sperrung für immer hat. Von Lösung nichts zu hören. Auch nichts zur Frage, warum es so weit überhaupt kommen konnte. Stattdessen eine schmallippige Mitteilung. Das ist der Sache nicht angemessen.
Es wirkt, als würden die Behörden die Konsequenzen der Sperrung erstaunlich stark unterschätzen. Denn es handelt sich erstens um ein Naherholungsgebiet für Tausende Menschen. Und es geht zweitens um einen Natur- und Freizeitbereich, der nicht irgendwo in der Fläche, sondern direkt neben dem am dichtesten besiedelten Stadtteil Bremens liegt. Den See bis auf eine kleine Stelle großräumig dichtzumachen, ist eine viel härtere Entscheidung, als es auf den ersten Blick wirkt. Ein wenig Schwimmen geht noch, anderer Wassersport wie Rudern oder Stand-up-Paddling ist seit dem Wochenende unmöglich. Zu gefährlich, weil sich Menschen in den Pflanzen verheddern und in Gefahr geraten könnten. Das ist ein guter Grund, um einzugreifen. Kein guter Grund, um nicht weiter zu denken.
Wer sich einmal in die Lage von weniger finanzstarken Familien versetzt, stellt fest, dass es um mehr geht als das Verschwinden einer x-beliebigen Bademöglichkeit. Die Inflation hat sich zwar abgeschwächt, doch die Teuerung besteht fort. Die Arbeitslosenquote im Land verharrt auf hohem Niveau. Es gibt mithin Tausende Menschen und nicht zuletzt Tausende Familien, die sich keinen Urlaub leisten können. Für sie ist ein breit zugänglicher See in ihrer Nähe nicht aus der Kategorie „nett“, sondern als rarer Erholungsort ein erstrangiger Segen. Die Sperrung ist für diese Leute ein harter Einschnitt.
Deshalb ist ein Schulterzucken, das die Sperrung als notwendig und alternativlos abtut, ignorant, und so kann der nun eingeschlagene Weg auf Dauer keine Lösung sein. Was, wenn auch andere Seen von der invasiven Pflanze befallen werden? Streichen die Behörden dann auch dort die Segel und sperren so lange munter vor sich hin, bis die letzte kostenfrei zu nutzende Badegelegenheit futsch ist? Die Verantwortlichen sollten die Perspektive der Betroffenen einnehmen und werden dann zwangsläufig zum Schluss kommen, dass es eine wirkungsvolle Strategie braucht. Die Wasserfläche zuwachsen zu lassen und sich dem Naturschicksal zu ergeben, ist zu wenig.
Denn es gibt ja Lösungen. Auf Stauseen des Ruhrgebiets werden auch heute wieder Mähboote ihre großen Runden drehen. Satellitengesteuert ziehen Gefährte wie die „Nimmersatt“ ihre Bahnen auf dem Essener Baldeneysee. Sie schneiden die Pflanzen metertief ab, damit sie nicht am Ende das ganze Gewässer überwuchern. Klar, solche Boote sind mit 300.000 Euro nicht gerade ein Anschaffungsklacks und die Personalkosten kommen noch obendrauf. Nur: Wenn Geld für eine Freikarte für Kinder in Höhe von bis zu neun Millionen Euro pro Jahr da ist – oder zumindest das nicht vorhandene Geld trotzdem ausgegeben wird –, dann wird doch wohl die für unzählige Kinder und Jugendliche ganz besonders wichtige Beseitigung des Wasserpest-Problems nicht am Geld scheitern.