Was hat das Wohnraumschutzgesetz gebracht, das die Bürgerschaft vor anderthalb Jahren beschlossen hat, um der Zweckentfremdung von Wohnraum entgegenzuwirken? Die SPD-Bürgerschaftsfraktion wollte das wissen und stellte deshalb eine formelle Anfrage an die zuständige Baubehörde von Senatorin Maike Schaefer (Grüne). Von dort kommt jetzt eine erste Zwischenbilanz. Aus dem Papier geht hervor: Wenn Wohnraum dem Markt zeitweilig entzogen wird, ist meist keine böse Absicht im Spiel. Das ist zumindest der Befund von Außendienstlern der Behörde, die den jeweiligen Eigentümern auf den Zahn gefühlt haben.
Das Landesparlament hatte das Gesetz im Sommer 2021 beschlossen, weil der Eindruck herrschte, dass angesichts allgemeiner Wohnraumknappheit zu viele vorhandene Wohnobjekte nicht bestimmungsgemäß genutzt werden. Der Gesetzestext nennt Kriterien für Zweckentfremdung von Wohnraum, nämlich seine überwiegend berufliche/gewerbliche Nutzung, die Vermietung als Ferienwohnobjekte, der längere Leerstand und bauliche Veränderungen, die so massiv sind, dass eine Wohnnutzung nicht mehr möglich ist.
In ihrer Antwort auf die SPD-Anfrage berichtet die Bauverwaltung von gut 260 Verdachtsfällen, denen man zwischenzeitlich nachgegangen sei. So gut wie nie ergaben sich dabei Hinweise auf eine missbräuchliche Nutzung für Gewerbezwecke. Tatsächlich relevant sind zwei große Komplexe: die kommerzielle Vermietung als Ferienwohnung (108 Fälle) und der dauerhafte Leerstand (153 Fälle). Rechtlich sind sie unterschiedlich gelagert. Wer seinen Wohnraum pro Jahr länger als 90 Tage als Fremdenzimmer vermietet, muss dies lediglich anzeigen. Eine Zweckentfremdung durch Leerstand (länger als sechs Monate) ist genehmigungspflichtig.
Mit Blick auf die Verteilung im Stadtgebiet zeigten sich beim längeren Leerstand Häufungen in Gröpelingen, aber auch in Schwachhausen, der Neustadt und der Östlichen Vorstadt. Allerdings: In den wenigsten Fällen steckt wohl spekulatives Kalkül oder sonstige Absicht dahinter, wenn Wohnraum längere Zeit nicht genutzt wird. Viel häufiger, so haben es die Nachforschungen der Behördenmitarbeiter ergeben, kommt es vor, dass sich Erbengemeinschaften nicht darüber verständigen können, wie mit einer Immobilie verstorbener Eigentümer weiter verfahren werden soll. "Oft geht es auch um persönliche Schicksale", erläutert Behördensprecher Jens Tittmann, "etwa wenn eine ältere Person in ein Pflegeheim kommt, sich aber noch nicht von der eigenen Wohnung trennen möchte oder die Angehörigen noch keine entsprechende Entscheidung getroffen haben."
Spekulativer Leerstand ist laut Tittmann nach gegenwärtigem Kenntnisstand jedenfalls eher selten. Er mache vor dem Hintergrund des aktuell hohen Bedarfs an Wohnraum und der entsprechenden Einnahmemöglichkeiten für die Besitzer ja auch wenig Sinn. Nach den Worten des Sprechers wird die Behörde nun erst einmal die bisher gesammelten Erkenntnisse auswerten. Rechtliche Schritte gegen einzelne Eigentümer seien bisher nicht eingeleitet worden. Das Wohnraumschutzgesetz sieht solche Zwangsmaßnahmen durchaus vor. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro geahndet werden.