Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremer Bildungsbehörde Ermittler durchleuchten schwarze Kasse

Der Millionen-Fund in den Büchern der Bremer Bildungsbehörde gibt weiter Rätsel auf. Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsprüfer stehen am Beginn ihrer Ermittlungen.
10.09.2021, 19:43 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ermittler durchleuchten schwarze Kasse
Von Jürgen Theiner

Wie können neun Millionen Euro in der Bildungsbehörde vom Radar verschwinden und plötzlich wieder auftauchen? Über diese Frage wird in politischen Kreisen gerätselt, seit dieser beispiellose Vorgang am Mittwoch bekannt wurde.

Wie berichtet, hatte die Bildungsbehörde den genannten Betrag auf dem Konto des Vereins Stadtteilschule angehäuft, der seit vielen Jahren im Auftrag der Behörde Aushilfskräfte für Bremer Schulen unter Vertrag nimmt. Aus ihrem Haushalt zahlt die Bildungsbehörde dem Verein für diese Personalbereitstellung Mittel in der erforderlichen Höhe. Jedenfalls sollte das so sein. In der Vergangenheit wurde jedoch nach jetzigem Kenntnisstand zu viel Geld gezahlt und nicht wieder zurückgefordert. Allerdings gab der Verein die Mittel auch nicht aus. So sammelte sich bei der Stadtteilschule nach und nach der genannte Millionenbetrag an – eine Art schwarzer Kasse, von der mutmaßlich nur sehr wenige Akteure auf beiden Seiten wussten. Aufseiten der Bildungsbehörde waren dies nach Informationen des WESER-KURIER eine frühere Leitungskraft und ein Mitarbeiter auf Referatsebene.

Lesen Sie auch

Ziel der bewussten Überzahlungen war es demnach, eine Art Finanzpolster für das Bildungsressort anzulegen, das man bei Bedarf für behördliche Zwecke hätte anzapfen können. Ganz unbürokratisch sozusagen, ohne die üblichen haushaltsrechtlichen Verfahren durchlaufen zu müssen. Eine persönliche Bereicherungsabsicht unterstellt derzeit niemand den betroffenen Akteuren. Allerdings handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen das bremische Haushaltsrecht. Die Bildungsbehörde hätte zu viel gezahltes Geld von der Stadtteilschule zurückfordern müssen.

Dass dies nicht passierte, stellt dem Ressort von Senatorin Sascha Aulepp (SPD) nach übereinstimmender Einschätzung von Beobachtern kein gutes Zeugnis aus. Offenbar gab es kein funktionierendes Controlling der Finanzflüsse – und dies über Jahre. Der Landesrechnungshof übte schon in seinem Jahresbericht 2016, der sich auf den Zeitraum 2014/15 bezog, massive Kritik. "Da gab es Zahlungen an die Stadtteilschule ohne Belege.  Auch floss Geld, obwohl die entsprechenden Antragsunterlagen unvollständig waren", sagt Rechnungshofpräsidentin Bettina Sokol. Die Behörde habe Besserung gelobt. Dass es zu Unregelmäßigkeiten in der jetzt bekannt gewordenen Größenordnung gekommen sein könnte, davon ahnte man indes auch beim Rechnungshof lange Zeit nichts. Die Sache wurde erst ruchbar, als sich Sokols Mitarbeiter im Frühjahr zu einer erneuten, sogenannten Nachschauprüfung ankündigten. Die Haushälter der Bildungsbehörde sichteten bei der Vorbereitung dieser Kontrolle diverse Unterlagen aus dem zuständigen Referat, und dabei wurde deutlich, dass mit den Geldflüssen zwischen der Behörde und dem Verein Stadtteilschule etwas nicht stimmen konnte. Die enormen Außenstände beim Verein wurden der Behördenspitze gemeldet, die sich entschied, die Staatsanwaltschaft einzuschalten und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer externen Untersuchung der Vorgänge zu beauftragen.

Beide stehen noch am Anfang ihrer Ermittlungen. Offen ist zum Beispiel, ob die mutmaßlichen Verfehlungen der Behördenmitarbeiter nur dienstrechtlich oder auch strafrechtlich relevant sind. "Dazu kann man in diesem Stadium keine Aussagen treffen", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade. Bei den Nachforschungen werde es unter anderem um die Frage gehen, ob überhaupt ein Vermögensschaden für die öffentliche Hand eingetreten ist. Gegenwärtig scheint dies nicht der Fall zu sein, denn die Bildungsbehörde hat die rund neun Millionen Euro inzwischen erfolgreich vom Verein Stadtteilschule zurückgefordert. Vom Verein war am Freitag keine Stellungnahme zu erhalten.

Nach allem, was zu hören ist, sieht man in der Bildungsbehörde den jetzt anlaufenden Untersuchungen von Staatsanwaltschaft und KPMG mit banger Erwartung entgegen. Offenbar wird nicht ausgeschlossen, dass auch an anderer Stelle noch Geld widerrechtlich gehortet worden ist. Für den rot-grün-roten Senat ist das einzig Gute an dem Vorgang der Zeitpunkt seines Bekanntwerdens. Senatorin Sascha Aulepp kam erst vor wenigen Wochen ins Amt, ihr kann man die Verfehlungen der Vergangenheit nicht anhängen. Ein halbes Jahr früher hätten die gebunkerten Millionen Aulepps Vorgängerin Claudia Bogedan das Amt kosten können.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)