Es ist ein Küchenbrand und im Grunde eine klare Sache. Schon der verkohlte Topf mitten auf der Herdplatte lässt erahnen, was hier geschehen ist. Jemand hat Öl im Topf erhitzt, die Küche verlassen und den Topf vergessen. Und irgendwann war dann der Punkt erreicht, an dem sich das Öl oder Fett selbst entzündet. Wie zur Bestätigung streicht Johannes Will, einer von sechs Brandermittlern der Bremer Polizei, mit dem Finger über den schwarzen Schmierfilm auf dem Hängeschrank über der Herdplatte. "Alles fettig."
Nicht immer ist die Brandursache so eindeutig, ist seine Arbeit so einfach und schnell erledigt. Erst vor Kurzem hat Will sechs Stunden im Innenraum eines völlig zerstörten Wagens gehockt und akribisch nach Spuren und Hinweisen gesucht, um nachvollziehen zu können, was hier geschehen war. Es war ein ausgebrannter Pkw in Walle, in dem eine Frauenleiche lag.
Etwa 500 bis 600 Brände pro Jahr gibt es im Bremer Stadtgebiet, Sachbeschädigungen wie brennende Mülleimer oder ähnliche kleine Vorfälle nicht eingerechnet. Zur Auswertung all dieser Brände werden stets auch die Brandermittler der Polizei gerufen. Mit der Feuerwehr gibt es eine klare Rollenverteilung: "Die löschen, wir ermitteln."
Im Fall des Pkw mit der Frauenleiche hatte das Feuer so verheerend gewütet, dass vom Inneren des Fahrzeugs praktisch nichts mehr da war. Im Fußraum gab es Hinweise auf Brandbeschleuniger, berichtet Will. "Und zwar in jedem Fußraum. Das müssen mindestens fünf, sechs Liter Benzin gewesen sein." Fündig wurde er trotzdem. "Dass wir gar nichts mehr finden, ist eher die Ausnahme", sagt der Ermittler und zeigt das Foto eines kleinen Hakens, den das Feuer nicht zerstört hat. Ein BH-Verschluss, der unter dem Leichnam gefunden wurde. Ein Hinweis darauf, dass die Frau zum Zeitpunkt des Brandes bekleidet war.

Kein technischer Defekt: Die Dreifachsteckdose hat das Feuer weitgehend unbeschadet überstanden.
Es sind solche Details, die bei der Rekonstruktion eines Brandes helfen. Doch die Antwort auf die alles entscheidende Frage in diesem Fall – lag ein Verbrechen vor oder nicht? – lieferten andere Ermittlungen. Auch sie gehören zur Arbeit eines Brandermittlers. "Primär geht es darum, zum Brandort rauszufahren und zu bewerten, was es ist", erläutert Will. "Sekundär dann, den Bericht darüber zu schreiben und eventuell weitere Ermittlungen durchzuführen." Nach den rein wissenschaftlichen Ermittlungen setzt sozusagen das normale kriminalistische Denken ein: Wer könnte ein Interesse an dem Brand haben, wer ein Motiv?
Was nach dem Fund der Leiche unter anderem Nachbarschaftsbefragung bedeutete ("Mit wem hatte die Frau Kontakt?"), die Recherche bei umliegenden Tankstellen ("Hat sie irgendwo einen Benzinkanister gekauft?"), vor allem aber die Auswertung ihres Smartphones. Wie sich zeigen sollte, hatte die Frau kurz vor ihrem Tod nach der Wirkung unterschiedlicher Brandbeschleuniger und anderer Stichworte gegoogelt, die auf einen Suizid hinwiesen, den die Polizei letztlich als Todesursache nannte. Auch weil es keinerlei Hinweise auf einen anderen Tatablauf gab. "Eliminationsprinzip" nennen das die Brandermittler.
"Liegt ein Verbrechen vor oder nicht?", lautet die Leitfrage der Ermittlungen von Will und seinen Kollegen. Wurde vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt oder liegt ein sogenanntes "Schadensfeuer" vor? Damit sind alle Brände gemeint, die ohne menschliches Zutun ausbrechen, durch technische Ursachen, chemische Vorgänge oder die Natur, erklärt Will.
Egal ob ausgebrannter Pkw, Wohnungsbrand oder "Großschadenslagen" wie eine abgebrannte Fabrik – der Versuch, den Brandverlauf zu rekonstruieren und eine rechtliche Einschätzung zum Geschehen zu geben, beginnt stets mit der Suche nach dem Ausgangspunkt des Feuers. "Wie kann etwas in Brand geraten sein und wo hat es angefangen zu brennen?"

Stark beschädigt, aber ebenfalls nicht die Ursache des Küchenbrandes: der Motor der Dunstabzugshaube.
Meist ist dies eine aufwendige Puzzlearbeit. "Brandorte sind oft sehr komplex", sagt Will und zeigt Fotos von einer ausgebrannten Wohnung. Zu sehen ist ein verkohlter Berg von Brandschutt, in dem Möbelreste eher zu erahnen als zu erkennen sind. Es gibt physikalische Prozesse, die den Brandverlauf bestimmen. Weil Feuer sich immer nach oben ausbreitet, entsteht ein Brandtrichter. Schwelbrände ziehen sich manchmal über Stunden und sorgen für jede Menge Ruß. Wird dagegen Brandbeschleuniger wie Benzin verwendet, entfacht das Feuer explosionsartig. "Da ist der Brandverlauf komplett anders."
Dazu kommen die Beobachtungen der Brandermittler. Ist etwas von außen abgebrannt oder von innen? Was liegt in dem Schuttberg oben, was ganz unten? Wo sind eventuell noch Reste von Putz oder Wandfarbe erhalten geblieben? "So entsteht nach und nach ein Brandbild." In dem Schuttberg der abgebrannten Wohnung führten Kupferklammern einer Steckdosenleiste, die unter den Überbleibseln eines Sofas entdeckt wurden, auf die Spur eines technischen Defekts als Brandursache. Das dazugehörige Kupferkabel steckte noch in der Steckdose. Und wieder kam das Ausschlussverfahren dazu: "Wir hatten keine andere Zündquelle als Möglichkeit."
Viel weiter geht die Arbeit der Brandermittler an dieser Stelle nicht. Natürlich sind immer labortechnische Untersuchungen möglich oder das Hinzuziehen von Sachverständigen. "Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Wir geben unsere Ergebnisse und Einschätzung weiter. Was dann geschieht, entscheidet die Staatsanwaltschaft."

Erfolgreiche Spurensuche: Ein Stück nahezu unbeschädigtes Kabel – von hier kann der Brand nicht ausgegangen sein.
Über die Hälfte der Brände gehe auf technische Ursachen zurück, berichtet Johannes Will. Häufig seien defekte Küchenmaschinen oder andere Elektroartikel Ausgangspunkt des Feuers, nicht selten auch (billige) Mehrfachsteckdosen. Auch bei den rund 50 bis 60 Pkw-Bränden, die es pro Jahr in Bremen gibt, hätten über 50 Prozent technische Ursachen. "Da bleiben am Ende wenig Fälle übrig, bei denen wir von Brandstiftung oder gar einer Serie ausgehen", betont der Ermittler. In jedem modernen Pkw mit all seinen Sensoren und Steuergeräten gibt es mehr als 30 theoretische Möglichkeiten für Kurzschlüsse, die zu einem Brand führen können.
Organisatorisch sind die Brandermittler in die Arbeit der Mordkommission eingebunden, dabei auch zuständig für Sprengstoffdelikte und Todesursachenermittlungen abseits von Bränden. Fälle wie der der Frauchenleiche in dem Pkw in Walle können auf diese Weise im Team der Mordkommission bearbeitet werden. Eine Leiche zu untersuchen sei natürlich nicht schön, sagt Will. "Aber es hilft den Angehörigen, wenn man ihnen sagen kann, was geschehen ist. Und vielleicht klärt man ja auch ein Verbrechen auf."
Brandleichen gebe es allerdings nicht mehr so oft, in Bremen in der Regel weniger als zehn pro Jahr. "Und meistens ist die Todesursache eine Rauchvergiftung." Dass es insgesamt immer weniger Tote nach Bränden gibt, hat nach Wills Einschätzung in erster Linie mit Rauchmeldern zu tun. "Seit die Pflicht sind, ist es weniger geworden."
Insgesamt gehe es in den allermeisten Fällen um Sachbeschädigung oder Schadensfeuer. Gut 150 Vorgänge habe er in diesem Jahr bereits bearbeitet, erzählt der Brandermittler. Vier bis fünf davon waren größere Verfahren, zwei, drei davon landeten letztlich vor Gericht.
Der Küchenbrand fällt definitiv nicht in diese Kategorie. Trotzdem geht Will auf Nummer sicher. Könnte ja sein, dass am Ende doch nicht der vergessene Topf die Ursache des Brandes war, sondern ein technischer Defekt. Aufmerksam begutachtet er die Steckdose und ein herabhängendes Kabel, schließlich mit einer Taschenlampe auch die Dunstabzugshaube, die die Feuerwehr auf dem Balkon gelegt hatte. Deren Motor ist zwar stark angebrannt, aber es gibt noch Teile der Kunststoffummantelung und sogar ein kleines Stück vollkommen intaktes Kabel. "Das wäre beides weg, wenn das Feuer hier seinen Ursprung gehabt hätte." Ohnehin hätte sich das Feuer dann auch deutlich weiter nach oben ausgebreitet.

Ein ”Klassiker” als Brandauslöser: Öl im Topf erhitzt, dann den Topf auf der Herdplatte vergessen.
Pech für den Bewohner, der den Topf vergessen hatte – für seine Gespräche mit der Versicherung kann der Brandermittler ihn nicht entlasten. Eine technische Ursache kann ausgeschlossen werden, sagt Will. "Das ganze Brandbild ist schlüssig, da gibt es null Zweifel an der Brandursache." So bleibt es bei einer fahrlässigen Brandlegung. Immerhin: "Es liegt keine Straftat vor, es wird keine weiteren Ermittlungen geben."
Zumindest hatte der Verursacher des Brandes das Feuer noch entdeckt, bevor es sich ausbreiten konnte. "Keine große Rauchentwicklung, keine Rauchfahnen", konstatiert Johannes Will und leuchtet im Flur mit der Taschenlampe in eine Ecke oben an der Decke. Noch so ein Detail für den geschulten Blick des Brandermittlers: "Die Spinnengewebe. Die werden bei so einem Brand als Erstes schwarz."