Frau Bernhard, eine der am häufigsten gestellten Fragen in diesen Zeiten: Wie ist Ihr Impfstatus?
Claudia Bernhard: Ich bin vollständig geimpft – und zwar ganz frisch. An diesem Donnerstag habe ich den 15. Tag nach der zweiten Impfung erreicht.
Die Zahl der Neuinfektionen steigt wieder, zwar auf einem niedrigen Niveau. In Wolfsburg und der Region Hannover liegt die Inzidenz über 10, dort greift ein Stufenplan mit schärferen Regeln wie Kontakteinschränkungen oder bei der Maskenpflicht. Sie haben vor Kurzem angemahnt, dass bei steigenden Zahlen auch in Bremen schärfere Regeln wieder Thema sind. Steht das an?
Einen konkreten Stufenplan haben wir nicht. Nach unserer Richtlinie ist die nächste Marke die Inzidenz 35, ab der neue Maßnahmen anstehen. Das wären etwa Begrenzungen der Personenzahl bei Zusammenkünften oder Veranstaltungen und auch die Ausweitung der Maskenpflicht. Kontakte müssen dann wieder heruntergeschraubt werden. Da bin ich absolut dafür. Massen- oder Großveranstaltungen, auch Fußballspiele mit Tausenden Zuschauern, sehe ich mit sehr großer Sorge. Wir müssen nur nach Großbritannien oder in die Niederlande schauen, da explodieren die Infektionszahlen.
In anderen Bundesländern wird das lockerer gesehen, in Sachsen soll ab Freitag die Maskenpflicht beim Einkaufen fallen.
Das ist viel zu früh. Die Ansteckungsrate ist immer noch hoch, und wir haben noch nicht die Impfquote, die wir brauchen. Das sollten wenigstens 80 Prozent sein. Dazu kommt: Wir sind hier nicht abgeschottet, in den Sommerferien verreisen die Menschen, das wird Effekte haben. Die Zahlen werden zwangsläufig steigen. Das werden wir nach Ferienende sehen, davon gehe ich fest aus. Neben der Inzidenz wird auch die Krankenhausauslastung eine größere Rolle spielen.
Im vergangenen Sommer war es ähnlich – bis auf die Tatsache, dass es noch keine Impfung gab: Die Infektionszahlen waren niedrig, die Menschen sind verreist, die Biergärten waren voll. Die Pandemie schien vorbei. Dann kam die zweite Welle. Was waren die Fehler vor einem Jahr, die jetzt nicht mehr gemacht werden dürfen?
Wir müssen flexibler und schneller reagieren können. Im Gesundheitsamt werden wir daher die Zahl der Containment-Scouts für die Kontaktnachverfolgung beibehalten: Das sind aktuell 140 Personen, teilweise wird die Stundenzahl reduziert oder sie werden zunächst an anderer Stelle eingesetzt, aber sie müssen abrufbar bleiben. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass wir in einer Krisenlage Personal neu suchen und einarbeiten müssen. In den Kliniken verfügen wir über mehr Kapazitäten bei den Betten und Intensivplätzen, und wir haben das Lager mit Schutzausrüstung. Außerdem ist die Kontaktnachverfolgung jetzt vollständig digitalisiert möglich. Insofern haben wir unsere Lehren aus dem vergangenen Jahr gezogen.
Fast die Hälfte der Bremerinnen und Bremer ist vollständig geimpft – die Quote ist 48 Prozent. Das Impftempo nimmt mittlerweile aber bundesweit ab. Muss es für Ungeimpfte unbequemer werden?
Von Geldbußen für Impfschwänzer, anderen Sanktionen oder einer Impfpflicht bin ich keine Freundin. Das wird eher Abwehrreaktionen hervorrufen. Auch von Impflotterien, Geldbeträgen oder anderen Impfanreizen halte ich nichts, weil das wahrscheinlich eher Skepsis bei den Menschen auslösen würde statt Vertrauen zu erzeugen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der freiwilligen und appellativen Schiene gut fahren.
Bis zur 80-Prozent-Impfquote ist es aber noch ein Stück. Und auch in Bremen nimmt die Zahl der Erstimpfungen ab. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass es schwieriger wird, das letzte Drittel zu erreichen? Appelle allein werden da vielleicht nicht reichen.
Es wird zäher, das stimmt. Der harte Kern der Impfgegner ist das eine. Es gibt aber auch immer noch diejenigen, die skeptisch sind oder sich noch nicht richtig damit auseinandergesetzt haben. Diese Zielgruppen wollen wir spezifisch ansprechen.
Wie? Und wer sind diese Zielgruppen?
In den Stadtteilen werden wir zum Beispiel in migrantische Communities gehen, und die Jugendlichen müssen angesprochen werden. Da muss man persönliche Zugänge finden, es nützt nichts, ein Plakat aufzuhängen.
Wer ist von den Neuinfektionen aktuell vor allem betroffen?
Zum größten Teil ist das die Altersgruppe von 20 bis 39 Jahren.
Berlin plant für junge Leute eine "Lange Nacht des Impfens", zu kreativen Impfangeboten gehören auch Aktionen auf Parkplätzen von Einkaufszentren, auf Märkten oder in Kneipenvierteln. Wie kreativ ist Bremen?
In diese Richtung kann man durchaus denken. Wir sind ja schon mit dem Impfmobil in den Stadtteilen vor Ort, man kann es auch auf dem Osterdeich, an der Schlachte oder bei Veranstaltungen aufstellen, wo junge Leute sind. Auch eine lange Nacht des Impfens ist attraktiv. Man muss dahin, wo die Menschen sind. Die Ideen gibt es, und wir werden das ausweiten. Und wir müssen unbedingt mit dem Impfen zu den Jugendlichen, gerade auch zum Ende der Sommerferien hin.
In Niedersachsen gibt es gezielte Aktionen für ab Zwölfjährige. Plant Bremen das auch?
Ja, wir werden in ein bis zwei Wochen im Impfzentrum eine Impfstraße speziell für ab Zwölfjährige einrichten, die von Kinder- und Jugendärzten betreut wird. Es gibt eine Zulassung für den Impfstoff von Biontech/Pfizer ab zwölf Jahren. Auch wenn es eine sehr unterschiedlich diskutierte Entscheidung ist, finde ich, dass es dieses Angebot geben soll.
Für die 16- und 17-Jährigen gibt es dieses Angebot bereits im Impfzentrum, wie wird es angenommen?
Es hält sich in Grenzen. Die fragliche Altersgruppe wurde von uns angeschrieben, in Bremen haben bislang nur 20 Prozent das Angebot angenommen. In Bremerhaven liegt die Quote knapp darunter. Insgesamt wurden etwa 12.000 Jugendliche angeschrieben. Dazu kommen aber noch die Impfungen bei den Kinder- und Jugendärzten.
Ist geplant, nach den Ferien auch in den Schulen zu impfen?
Wir werden zunächst abwarten, wie das Angebot im Impfzentrum angenommen wird; ob es sich überhaupt lohnen würde, an Schulen eine Impfmöglichkeit anzubieten.
Wie geht es mit dem Impfzentrum weiter?
Spätestens Mitte August werden wir das Impfzentrum in den Hallen 4, 5 und 6 schließen. Dort sollen wieder Messen und Veranstaltungen stattfinden. Außerdem werden die Kapazitäten nicht mehr benötigt. Die große Halle 7 wird als Impfzentrum bleiben – zunächst einmal bis Ende September, die Finanzierung der Impfzentren durch den Bund ist bis zum 30. September begrenzt. Die Debatte über eine Fortsetzung ist Thema in der Gesundheitsministerkonferenz. Wir sind absolut dafür, gerade auch wegen der Auffrischungsimpfungen. Zusätzlich wird es mehr mobile Impfteams geben – und natürlich weiterhin die Arztpraxen, in denen geimpft wird.
Dass es Auffrischungsimpfungen geben wird, ist also klar?
Ja, das wird kommen. Der konkrete Zeitpunkt steht allerdings noch nicht fest. Die Aussagen gehen im Moment dahin, dass es Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres losgehen soll. In Studien wird gerade durchgetestet, wie hoch der Impfschutz noch ist. Zuerst wären dann die gefährdeten Menschen an der Reihe, die auch zuerst geimpft wurden.
Das Interview führte Sabine Doll.