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Bremer Nachtragsetat 2022 Haushaltspolitik wird zur Lotterie

Die Bremische Bürgerschaft hat am Mittwoch einen Nachtragshaushalt für 2022 beschlossen. Der nächste bahnt sich bereits an, denn es wird immer schwieriger, Einnahmen und Ausgaben zutreffend abzuschätzen.
14.09.2022, 22:15 Uhr
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Haushaltspolitik wird zur Lotterie
Von Jürgen Theiner

Bremens Finanzplanung wird immer unkalkulierbarer. Einnahmen und Ausgaben fahren Achterbahn, und niemand weiß, wie die Grundlagen für die Haushalte der nächsten Jahre aussehen. Das ist die eigentliche Botschaft, die am Mittwoch von der Debatte um einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr ausging.

Hauptgrund für den Ergänzungsetat 2022 ist das vorzeitige Auslaufen der Corona-Notlage. Ursprünglich hatte Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) geplant, auch 2023 noch Mittel aus dem kreditfinanzierten, 1,2 Milliarden Euro schweren Bremen-Fonds zu schöpfen. Hierbei handelt es sich um einen Sondertopf zur Linderung der Pandemiefolgen. Um überhaupt Kredite aufnehmen zu dürfen, muss Bremen jeweils für das betreffende Haushaltsjahr eine Notlage ausrufen. Von dieser Möglichkeit soll aber nun für 2023 kein Gebrauch mehr gemacht werden. Stattdessen werden für 2023 geplante Kreditermächtigungen aus dem Bremen-Fonds ins Haushaltsjahr 2022 vorgezogen.

So weit, so technisch. Wie aber geht es mittelfristig weiter mit den Finanzen von Stadt und Land Bremen? Einen seriösen Haushalt zu entwerfen, wird für Strehl und seine möglichen Nachfolger erkennbar immer schwieriger. Dazu muss man wissen: Grundlage einer Haushaltsaufstellung ist jeweils die offizielle Steuerschätzung für Bund und Länder, die ein Arbeitskreis von Fachleuten im Mai des Vorjahres veröffentlicht. So waren die Einnahmeerwartungen, die der Arbeitskreis Steuerschätzung im Mai 2021 für das Jahr 2022 traf, recht optimistisch. In den ersten Monaten des laufenden Jahres bestätigte sich diese Prognose auch, insbesondere bei der Umsatz- und Körperschaftssteuer.

Auch die Prognose für 2023 fiel im Mai dieses Jahres wieder günstig aus. Mehreinnahmen in Höhe von gut 200 Millionen Euro wurden für das Land Bremen vorhergesagt. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand die Ausmaße der Energiekrise und der galoppierenden Inflation. So rechnet Dietmar Strehl inzwischen allein für die Strom- und Gasversorgung städtischer Gebäude mit Mehrausgaben in 2023 von mindestens 150 Millionen Euro. Auch die Auswirkungen des in Berlin beschlossenen Entlastungspakets III auf die Länderfinanzen werden massiv sein. Ein Nachtragshaushalt für den bereits beschlossenen Etat 2023 zeichnet sich deshalb schon ab. In der Debatte kamen die Redner der Fraktionen immer wieder auch auf diese schwierigen Perspektiven zurück.

Heiko Strohmann, CDU:

Der Fraktionschef der Christdemokraten kritisierte wie schon in früheren Haushaltsdebatten, dass der Senat nur einen Bruchteil der 1,2 Milliarden Corona-Sonderausgaben in Projekte mit unmittelbarem Pandemiebezug stecke. Vieles habe mit Corona nichts zu tun. Strohmann beschuldigte den Senat außerdem der Trickserei. Der Schuldendienst für den Bremen-Fonds, der über mehrere Jahrzehnte geleistet werden muss, sei deutlich höher als die nominellen 1,2 Milliarden Euro.

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Arno Gottschalk, SPD:

Für den SPD-Finanzexperten ist der Bremen-Fonds eine Erfolgsstory. Die öffentlichen Ausgaben für die Pandemiebekämpfung hätten die wirtschaftliche Belebung begünstigt und damit wiederum zu steigenden Steuereinnahmen geführt. Vom Nachtragshaushalt 2022 erwartet Gottschalk auch Handlungsspielräume in der Energiekrise.

Klaus-Rainer Rupp (Linke):

"Wir dürfen die Menschen im Tsunami steigender Lebenshaltungskosten nicht allein lassen", appellierte der Linken-Haushälter an seine Parlamentskollegen. Heftig kritisierte Rupp die Gasumlage, die auf einen Beschluss der Berliner Ampelkoalition zurückgeht. Sie belaste die Verbraucher und sichere zugleich die Profite von Energiekonzernen.

Thore Schäck (FDP):

Der FDP-Finanzpolitiker vermisste im Nachtragshaushalt einen inhaltlichen Akzent. Bremen müsse die Digitalisierung vorantreiben, "weil die Innovationen von heute den Wohlstand von morgen bedeuten", wie der Liberale meinte. Schäck erinnerte auch daran, dass die Bremen-Fonds-Kredite ab 2024 zurückgezahlt werden müssen. Dies schmälere die finanziellen Spielräume in den kommenden Jahren.

Björn Fecker (Grüne):

Für den Grünen-Fraktionschef ergibt sich aus den aktuellen Entwicklungen ein gemischtes Bild. Ähnlich wie Finanzsenator Strehl machte Fecker Haushaltsrisiken für das kommende Jahr aus, deren Umfang sich bisher kaum abschätzen lasse, beispielsweise bei der Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket. Zugleich böten die bisherigen Steuereinnahmen des Jahres 2022 Anlass zur Hoffnung.

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