Dieser Stoff eignet sich wirklich für eine Verfilmung: Ein früherer Bremer Jura-Professor und seine Frau geraten in Geldnot, wollen aber von ihrem gehobenen Lebensstandard nicht lassen. Immer wieder kaufen sie Häuser, die sie nicht bezahlen können, zwischendurch quartieren sie sich für längere Zeit in Luxushotels ein und lassen die Betreiber auf der Rechnung sitzen. Die Masche läuft jahrelang erfolgreich, bis die Bremer Justiz eingreift und dem Treiben ein Ende setzt.
Das Drehbuch beruht auf Fakten, sieht man einmal vom Finale ab. Den früheren Lehrstuhlinhaber für Rechtswissenschaften gibt es tatsächlich, er schlägt seit Jahren eine Schneise der Verwüstung durch das Vermögen fremder Leute. So wurde es beispielsweise einem älteren Borgfelder Ehepaar zum Verhängnis, beim Verkauf ihres Heims zufällig an den Ex-Professor und seine Frau geraten zu sein. Die zahlten nie den Kaufpreis, richteten sich aber in der Villa behaglich ein und konnten erst nach langen zivilrechtlichen Mühen wieder hinausbugsiert werden. Am Ende stand für die Eigentümer ein sechsstelliger Schaden zu Buche. Ernsthaft belangt wurden die Hausbesetzer in edlem Zwirn allerdings lange Zeit nicht.
Wie ist es möglich, so fragt man sich als juristischer Laie, dass ein zum Rechtsbruch entschlossener Rechtskundiger seine Tour immer wieder aufs Neue durchziehen kann, ohne dass ihm die Justiz in den Arm fällt?
Glaubt man der Staatsanwaltschaft, fehlt es an geeignetem rechtlichen Instrumentarium. In der vergangenen Woche unternahm die Anklagebehörde immerhin den Versuch, den Ex-Professor und seine Frau für einen kleinen Ausschnitt der begangenen Taten zur Verantwortung zu ziehen. Doch schon der Anklageschrift merkte man an, dass dies ein schwieriges Unterfangen sein würde. So wurde dem Ehepaar nicht etwa vorgeworfen, sich in betrügerischer Absicht Wohnraum angeeignet zu haben, sondern in diesem Wohnraum Handwerker beschäftigt und anschließend nicht bezahlt zu haben. Ersteres kann man nämlich kaum nachweisen, Letzteres schon. Das heißt aber auch: Der weitaus größere wirtschaftliche Schaden bleibt ungesühnt. Das gilt zumindest für die Causa Borgfeld. Andere, ähnlich gelagerte Fälle tauchten in der Anklage gar nicht erst auf. Am Ende reichte das Beweismaterial für jeweils ein Jahr Haft auf Bewährung und Geldstrafen von insgesamt 3600 Euro. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sieht darin ein „gut vertretbares Ergebnis“.
Die Lücken des Gesetzes
Aus der professionellen Sicht von Strafverfolgern mag das eine nachvollziehbare Bewertung sein. Sie hatten es im Fall des Ex-Professors mit einem Akteur zu tun, der die Lücken des Gesetzes genau kennt, und für die Lücken sind Staatsanwälte nun einmal nicht zuständig. Das Strafrecht kann nicht alles menschliche Handeln abdecken, das ethisch verwerflich ist. Gleichwohl muss die Formulierung „gut vertretbares Ergebnis“ in den Ohren der Geschädigten wie Hohn klingen. Der frühere Bremer Rechtslehrer und seine Frau haben über Jahre immer wieder das Vertrauen wechselnder Opfer ausgenutzt und ihnen schweren materiellen Schaden zugefügt. Es hat nichts mit Stammtischparolen zu tun, wenn man konstatiert: Die Sanktion steht in keinem angemessenen Verhältnis zu den Taten – erst recht nicht, wenn man berücksichtigt, wie planvoll und mit welcher Ausdauer und Chuzpe gutgläubige Menschen um ihre Ersparnisse gebracht wurden.
Unterm Strich bleibt das ungute Gefühl, dass der Rechtsstaat keinen wirklichen Schutz bietet vor Leuten, die weder vor den Buchstaben noch vor dem Geist von Gesetzen Respekt haben, auch nicht vor den Regeln menschlichen Miteinanders. Der Missbrauch von Vertrauen ist schändlich, aber es gibt nicht den Straftatbestand der Schweinerei. Was freilich nicht heißt, das die Politik vor dem Problem kapitulieren darf. Sie muss es als ihre Aufgabe ansehen, bestehende Schlupflöcher im Strafrecht so gut es geht zu schließen – beim Betrug gibt es sie, das zeigt der Bremer Fall. Die Lücken sind offenbar groß genug, um sich darin über längere Zeit häuslich einrichten zu können. Das ist verstörend.