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Neuregelung muss bis Jahresende stehen Großer Zeitdruck bei Bremer Kita-Gesetz

Die Beitragsberechnung für die Bremer Kitas bereitet der Bildungsbehörde kurz vor Jahresende noch einige Probleme. Eine Gesetzesänderung steht aus, zudem gibt es Ärger mit einem IT-Dienstleister.
09.12.2020, 05:00 Uhr
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Großer Zeitdruck bei Bremer Kita-Gesetz
Von Jürgen Theiner

Auf den ersten Blick sieht es wie eine Formalie zum schnellen Abhaken aus, mit der sich die städtische Bildungsdeputation an diesem Mittwoch beschäftigt. Es geht um die Änderung des Ortsgesetzes zur Aufnahme von Kindern in Kitas und in der Kindertagespflege. Doch in dem vermeintlichen Routine-Tagesordnungspunkt steckt potenziell Konfliktstoff. Das Ortsgesetz regelt, nach welchen Kriterien Kinder in einer Tagesstätte bevorzugt aufgenommen werden. Es bildet aber auch die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Elternbeiträgen. In seiner aktuellen Fassung läuft es am 31. Dezember aus, der Handlungsbedarf ist also akut. Frühere Fassungen des Ortsgesetzes waren bereits zweimal von Eltern erfolgreich beklagt worden, und auch gegen die aktuelle Version ist noch ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht offen. Als sie im Dezember 2016 verabschiedet wurde, hielt sich selbst beim grünen Koalitionspartner die Begeisterung in Grenzen.

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Im Frühjahr hatte Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) eine rechtzeitige Überarbeitung des Ortsgesetzes angekündigt. Doch erst jetzt – kurz vor Toresschluss – erreicht die Bildungsdeputierten ein Entwurf der Behörde. In der kommenden Woche hat die Stadtbürgerschaft in dieser Sache das letzte Wort. Fiele das Gesetz in der parlamentarischen Beratung durch, hätte Bremen keine rechtliche Grundlage mehr für das Einziehen von Elternbeiträgen. Denn Kitas sind für Drei- bis Sechsjährige zwar beitragsfrei, für Krippen- und Hortkinder zahlen die Eltern aber nach wie vor.

Dass die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken Bogedan hängen lassen, ist nicht zu erwarten. Kurz vor knapp werden sie die Senatorin wohl mit dem rechtlichen Instrument für den Einzug der Kita-Beiträge ausstatten. Ob diese Beiträge in der Praxis jedoch korrekt berechnet werden können, steht auf einem anderen Blatt. Ein Zerwürfnis der Bildungsbehörde mit einem IT-Dienstleister sorgt hier für Probleme.

Beitragserfassung in Webanwendung

Hintergrund: Im Auftrag des Ressorts errechnet der städtische Eigenbetrieb Performa Nord die Elternbeiträge und erstellt die Bescheide. Verwaltet werden die Daten mit der Webanwendung Ki-ON, die von der Bremer Firma Redlink angeboten wird. Das Unternehmen hatte bereits in der Vergangenheit mit freien Bremer Kita-Trägern zusammengearbeitet, 2018 erwuchs daraus ein flächendeckendes Projekt zur Umstellung und Zentralisierung der Beitragserfassung durch Redlink.

In der Bildungsbehörde hielt man zunächst große Stücke auf den örtlichen Anbieter. Elternvereine wurden bei der Anschaffung der Software Ki-ON sogar finanziell unterstützt. Redlink und Bildungsbehörde setzten zudem ein Folgeprojekt auf: die Online-Anmeldung von Kindern in den Tagesstätten. Ein formeller Vertrag wurde allerdings nie geschlossen, obwohl er im Sommer 2019 fertig ausgehandelt war. Stattdessen übergab das Ressort die Verantwortung für alle inhaltlichen Absprachen beim Projekt Online-Anmeldung an Dataport, eine Anstalt öffentlichen Rechts, die für mehrere norddeutsche Bundesländer IT-Leistungen erbringt.

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Zwischen Dataport und Redlink kam es rasch zu Reibungen, die Abstimmungsgespräche zogen sich hin. Im Frühjahr begann sich auch das Bildungsressort von Redlink zu distanzieren. Dataport wurde beauftragt, sowohl das Zukunftsprojekt Online-Anmeldung als auch die bis dato gut funktionierende Online-Abrechnung neu auszuschreiben. Trotz weiterhin bestehender Geschäftsbeziehung wurden auch nach mehrmaliger Aufforderung durch Redlink Rechnungen seitens der Behörde nicht mehr bezahlt.

Redlink seit anderthalb Jahren ohne Bezahlung

Zu Buche stehen nach Angaben des Unternehmens inzwischen mehr als 140.000 Euro. Dabei handelt es sich sowohl um Serverkosten für die Abrechnungsdaten als auch um Aufwendungen für die Entwicklung der Anmeldungssoftware. „Wir stehen seit anderthalb Jahren ohne Bezahlung da“, beklagt Redlink-Geschäftsführer Olav Roth. In der Erwartung, bald komplett ausgebootet zu sein, entschloss sich Roth Mitte November zu einem drastischen Schritt: Er kappte den Zugriff von Performa Nord auf die Daten für die Beitragsberechnung, die auf Redlink-Servern gespeichert sind, also beispielsweise die Einkommensverhältnisse von Eltern. Das betrifft zumindest die mehr als 160 Einrichtungen freier Kita-Träger.

Damit dürfte das Tischtuch zwischen Bildungsbehörde und Redlink zerschnitten sein, zumal die Neuausschreibung für die Dienstleistungen inzwischen ein Ergebnis hat: Redlink ist raus, den Zuschlag erhält die Berliner Firma Arxes-Tolina, die schon häufiger als Partner von Dataport in Erscheinung getreten ist. Die Sprecherin der Bildungsbehörde, Annette Kemp, bedauert die „abrupt einseitige“ Beendigung der Zusammenarbeit durch Redlink. Das Ressort, Dataport und Performa Nord seien dabei, die Elterndaten neu zusammenzutragen und die Beitragsberechnung wieder in Gang zu bringen. Für die Eltern werde der Konflikt mit Redlink voraussichtlich „kaum spürbare Auswirkungen“ haben. „Falls doch, wovon wir nicht ausgehen, informieren wir umgehend“, verspricht Kemp.

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Zur Sache

Kita-Ortsgesetz

Bis zum Jahresende muss Bremen ein Ortsgesetz für die Stadtgemeinde ändern, das die Aufnahme von Kindern in Kitas und in der Kindertagespflege regelt. In der Novelle soll unter anderem ein erweiterter Anspruch auf Betreuung von Unter-Dreijährigen festgeschrieben werden (30 statt bisher 20 Stunden). Außerdem geht es um die Besserstellung von Alleinerziehenden, die erwerbstätig oder arbeitssuchend sind. Bei der Vergabe von Plätzen soll die Nähe zum Arbeitsplatz der Eltern künftig eine Rolle spielen. Und schließlich sollen betriebliche Kitaplatz-Angebote gesetzlich verankert werden. Die Änderungen werden voraussichtlich zum Anmeldezeitraum für das Kitajahr 2021/22 wirksam.

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