- Weshalb Kunst in der Kneipe?
- Was gibt es zu entdecken?
- Warum eigentlich Grün?
- Welche Projekte hat die Künstlerin noch?
Der Rauch der letzten Kneipennacht hängt im Horner Eck noch in der Luft. Es ist gerade mal ein paar Stunden her, dass hier Gäste das Kind in sich wiederentdeckt haben, mit dem grasgrünen Miniatur-Kran gespielt und hingebungsvoll die grünglitzernde Werder-Weihnachtskugel, die daran hängt, hoch- und runterfahren ließen. Stilecht können sie dazu Berliner Weiße mit grünem Waldmeisterschuss oder aber eine Gurken-Limo schlürfen. Wie überhaupt ein Blick in die Runde zeigt: Alles so schön grün hier. Und das gilt nicht nur für die Lampenschirme, die schon seit den 1980er-Jahren schummriges Licht über dem Tresen verbreiten, auf dem eine Regenbogenfahne thront. Selbst der Vorhang, der die Kneipe vom Sanitärbereich trennt, flittert in Lametta-Grün, auch die Seifenstücke sind grün. Und das hat seinen Grund: Künstlerin Sophia Bizer, seit zweieinhalb Jahren Wahl-Bremerin mit Atelier in Hemelingen, steht strahlend in der Kultkneipe in der Friesenstraße, die sie bis zum 16. Februar zum temporären Museum umgestaltet hat. Das Besondere daran: Es ist alltagstauglich und wirke nach einer gewissen Irritation durchaus inspirierend auf die Gäste, wie Bizer beobachtet hat.
Weshalb Kunst in der Kneipe?
Kunst und Kneipenkult zu verbinden ist denn auch das Ziel der Genossenschaft, die 2019 mit der Karikaturenausstellung von Til Mette angetreten ist, um das Horner Eck zu retten. Inzwischen habe sie knapp 50 Mitglieder, Stammkundschaft und Anwohner, erzählt Kurator Elard Lukaszik. Mindestens vier Ausstellungen werden im "Eck" pro Jahr gezeigt. Allein dieses Mal trudelten 56 Bewerbungen ein. Nun, Sophia Bizer hat das Rennen gemacht. Ihr ebenso origineller, wie auf Mitwirkung ausgelegter Ansatz hat offenbar auf ganzer Linie überzeugt. Schon vor rund einem Dreivierteljahr startete die Künstlerin einen Aufruf, in dem sie darum bat, grüne Alltagsgegenstände im Horner Eck abzugeben, mit dem Ziel, sie zu Kunstwerken wie Collagen und Installationen werden zu lassen. Viele Bremerinnen und Bremer seien ihrem Aufruf gefolgt, es wurden aber auch Alltagsfundstücke aus Hamburg oder ihrer Studienstadt Marburg geschickt. Der Keller im Horner Eck füllte sich.
Was gibt es zu entdecken?
Nahezu jedes Eckchen der Kneipe bespielt Bizer, inklusive Fensternische und Fensterbank. Auf Letzterer hat sie grüne Plastiktierchen arrangiert, ein Fantasie-Tier und ein Entchen sind dabei, die grünen Frösche sind allerdings in der Überzahl. Der Hüpffrosch, auf den man drücken kann, weckt nostalgische Kindheitserinnerungen.
Warum eigentlich Grün?
Schon Goethe dichtete im Osterspaziergang in seinem Faust: "Im Tale grünet Hoffnungsglück". Nun ist Ostern zwar noch fern, aber laut Volksmund ließe sich jetzt schon sagen: "Grün ist die Hoffnung".

Hingucker in der Ausstellung: Grasgrüner Kran mit Werder-Kugel.
Und das bezieht sich auch auf das Horner Eck selbst. Und gilt wohl auch für die Schiefertafel in einer Kneipenecke, auf der Besucher Kommentare hinterlassen können: "Lützi bleibt, für mehr grüne Häuser", ist da zu lesen. Weiter geht die Entdeckungstour durch die Kneipe: An einer großen Wand hat Bizer verschiedene Alltagsgegenstände, die unter anderem im Büro Verwendung finden könnten, zu einer Collage arrangiert, die in den unterschiedlichsten Grüntönen changiert, von Flaschen- über Grasgrün bis hin zu Türkis. An der Wand daneben schillern spitze, längliche Gegenstände wie Plastik-Gabeln und -Löffel, auch sie allesamt Fundstücke, beispielsweise aus Verschenke-Kisten am Straßenrand.
Welche Projekte hat die Künstlerin noch?
Die junge Künstlerin mit der sonnigen Ausstrahlung hat mit ihren Projekten bereits viele Teile Bremens bespielt, so war sie im Dezember bei "Lichter der Neustadt" in einer Jurte zu Gast und spielte dort ihr Unterwasser-Objekttheater "Aquarius narrativus". Menschen aller Altersstufen ließen sich von dieser Art Theaterlabor mit kritischem Gegenwartsbezug, in dem in einem Aquarium Mini-Eisberge und Brausetabletten zum Einsatz kommen, faszinieren, wie Bizer berichtet. Die 20-Minuten-Performance spielte sie am Wochenende auch beim Miniaturenfestival im Theaterkontor. Sonst tourt Bizer mit ihren Projekten an der Schnittstelle zwischen Theater und bildender Kunst aber von Bremen aus auch durch die gesamte Republik. Und da lässt sich beispielsweise auch das "Glitzermuseum", ein mobiles Ein-Personen-Museum entdecken, zu dem nur die- oder derjenige Eintritt erhält, der etwas Glitzerndes trägt, und sei es auch nur einen lackierten Fingernagel. Bei La Strada konnten hier Neugierige bereits ihre eigenen Geschichten erfinden.