Die drei Jahre und zehn Monate Gefängnis hatte der Angeklagte erwartet. Auf eine Strafe in etwa dieser Höhe hatte der Trickbetrüger sich bei Prozessbeginn mit dem Gericht verständigt. Im Gegenzug für ein umfassendes Geständnis und Hintergründe zu der Betrugsmasche "falscher Polizist". Spannender war für den 28-Jährigen am Dienstag bei der Urteilsverkündung eine andere Frage: Wird der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben? Darf er vor Antritt seiner Strafe noch einmal nach Hause? Um das eine oder andere für die kommenden Jahre zu ordnen? Und vor allem: um Weihnachten daheim mit Frau und Kindern verbringen zu können?
Nein, er kann nicht. Der Haftbefehl bleibt in Vollzug, der 28-Jährige im Gefängnis. Zu groß sei die Gefahr, dass er sich – einmal auf freiem Fuß – sofort in die Türkei absetzen würde, erklärte der Vorsitzende Richter. Denn dort habe der Bremer zuletzt gelebt, bevor er der Polizei an einem Flughafen in die Maschen ging. Auch seine Frau sei nur wegen des Prozesses vor dem Landgericht mit ihren Kindern nach Bremen gekommen. Außerdem sei da ja auch noch ein weiteres Verfahren, das zurzeit in Osnabrück gegen ihn laufe. Und auch gegen seine Frau werde noch wegen Betruges ermittelt. Dies alles erhöhe nach Auffassung des Gerichts "den Anreiz einer Strafentziehung". Es bestehe weiterhin Fluchtgefahr, deshalb bleibe der 28-Jährige in Haft.
Angeklagt vor dem Landgericht waren zwei sogenannte falsche Polizisten. Bei dieser Betrugsmasche werden ältere Menschen in Deutschland aus Callcentern in der türkischen Stadt Izmir telefonisch massiv unter Druck gesetzt. Angebliche Polizisten warnen vor geplanten Überfällen, zur Sicherheit sollten die Senioren ihr Bargeld und andere Wertsachen den "Kollegen" übergeben, die gleich vorbeikämen.
81-Jährige übergab Goldbarren im Wert von 59.000 Euro
Die beiden angeklagten Männer waren an vier solcher Betrügereien beteiligt. Der 28-Jährige operierte von Izmir aus, sein 30-jähriger Komplize organisierte in Bremen das Abholen der Beute. In drei der vier Fälle blieb es beim Versuch, beim Vierten übergab eine 81-Jährige in Berlin dem 30-Jährigen Goldbarren im Wert von 59.000 Euro. Ihr Glück: Die Polizei hatte die Betrüger längst im Visier, überwachte deren Telefone und nahm den Abholer sofort nach der Übergabe fest.
Der legte nach seiner Festnahme ein Geständnis ab, brachte die Polizei auch auf die Spur des 28-Jährigen, der daraufhin mit einem internationalen Haftbefehl gesucht und schließlich in Griechenland gefasst wurde. Mit seinem frühen Geständnis und den Informationen über die Hintermänner "erarbeitete" sich der 30-Jährige laut Vorsitzendem Richter die Verständigung auf eine Strafe, die auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Letztlich wurden es ein Jahr und zehn Monate. Auch weil er bislang nicht vorbestraft war und ihm das Gericht seine im Prozess gezeigte Reue abnahm.
Bei dem 28-Jährigen, der am Dienstag zugleich auch für 70 Fälle von Online-Betrugs verurteilt wurde, blieben für das Gericht in dieser Hinsicht noch Zweifel. Seine Aussagen seien zwar von hohem Wert für die Ermittlungsbehörden gewesen. Ja, er habe sich sogar persönlich in Gefahr gebracht, weil er seinen in der Türkei lebenden Bruder als Mittäter belastete, erklärte der Vorsitzende Richter. Doch komplett reinen Tisch habe er nicht gemacht. "Wir wissen deshalb nicht, wie ehrlich sie es meinen."
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