Zur Höhe der Strafe für den Hauptangeklagten im Betrugsprozess um zwei „falsche Polizisten“ sind sich Staatsanwalt und Verteidiger so gut wie einig. Drei Jahre und elf Monate Haft fordert der eine, drei Jahre und zehn Monate der andere. Beide liegen damit an der unteren Grenze des bei Prozessbeginn vereinbarten Strafrahmens.
Im Gegenzug für ein umfassendes Geständnis war dem 28-jährigen Bremer eine Strafe von drei Jahren und zehn Monaten bis maximal vier Jahren und vier Monaten zugesichert worden. Doch der Verteidiger will mehr. Er will, dass sein Mandant Weihnachten zu Hause mit seiner Familie verbringen kann, bevor er seine Haftstrafe im neuen Jahr antritt. Seit mehr als acht Monaten sitzt der Mann in Untersuchungshaft, nun soll der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben oder zumindest außer Kraft gesetzt werden, fordert sein Verteidiger. Egal unter welchen Auflagen.
Wenn es sein muss auch mit einer Fußfessel. Doch der Staatsanwalt lässt sich darauf nicht ein. Kein weihnachtliches Intermezzo bei Frau und Kindern – der 28-Jährige soll im Gefängnis bleiben, die Untersuchungshaft direkt in die Strafhaft übergehen. Für die Richter ist dies offenbar keine einfache Entscheidung. Zumindest verschieben sie die ursprünglich für Montagnachmittag vorgesehene Urteilsverkündung auf den 18. Dezember.
Strafrahmen festgelegt
Was die beiden Angeklagten getan haben, steht weitgehend fest. In vier Fällen sind sie als angebliche Polizisten aufgetreten. Bei dieser Betrugsmasche werden ältere Leute am Telefon massiv unter Druck gesetzt. Ihnen drohe ein Überfall, sie sollten daher zur Sicherheit ihr Geld und andere Wertsachen den angeblichen Polizisten übergeben. Die Anrufe bei den Senioren kommen aus Callcentern in der türkischen Stadt Izmir. Der 28-jährige Angeklagte arbeitete von dort aus, sein 30-jähriger Komplize organisierte in Bremen das Abholen der Beute.
Drei der vier Fälle scheiterten bereits vor der Geldübergabe, bei der vierten Tat schlug die Polizei zu und nahm den 30-Jährigen fest. Der legte ein umfassendes Geständnis ab und nannte auch den Namen seines Partners in der Türkei. Dieser wiederum wurde kurze Zeit später am Flughafen in Griechenland geschnappt.
Für beide Angeklagten verständigten sich die Prozessbeteiligten auf einen Strafrahmen. Deshalb war von Beginn an klar, dass der in der Hierarchie der Betrügerbande weiter oben angesiedelte 28-Jährige ins Gefängnis muss. Sein Komplize kann dagegen mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Mindestens ein Jahr und neun Monate, höchstens zwei Jahre lautet bei ihm der Deal.
Hier sind sich Staatsanwalt und Verteidigung am Montag weniger einig. Der Vertreter der Anklage plädiert für die obere Grenze des Strafrahmens – zwei Jahre auf Bewährung –, der Anwalt des Mannes für das untere Ende der Abmachung. Schließlich sei es dank seines Mandanten erstmals überhaupt gelungen, jemanden aus der Türkei dingfest zu machen.
256 Tage in U-Haft
Einmal hatte das Gericht dies bereits gewürdigt. Anders als sein Mitangeklagter war der 30-Jährige schon vor Prozessbeginn aus der U-Haft entlassen worden. Der 28-Jährige dagegen sitzt seit 256 Tagen im Gefängnis. 28 davon in Auslieferungshaft in Griechenland, wo die Haftbedingungen „zumindest nicht durchgehend den Anforderungen deutscher Gefängnisse entsprachen“, wie es der Vorsitzende Richter vorsichtig formuliert.
Deutlicher wird der Angeklagte selbst. Er berichtete davon, wie er mehrere Tage lang auf dem nackten Boden hatte schlafen müssen, zusammen mit 14 anderen Gefangenen in einem engen Raum voller Ungeziefer. Und Essen gab’s nur einmal am Tag – „so was Suppenmäßiges“. Im Bremer Prozess wird dies dazu führen, dass die Hafttage in Griechenland dem 28-Jährigen nicht wie bei jeder Untersuchungshaft üblich einfach, sondern eventuell doppelt auf seine spätere Gefängnisstrafe angerechnet werden.
Vordringlicher für ihn ist aber, ob der Haftbefehl nach dem 18. Dezember aufgehoben wird. Dass ein Verurteilter seine Strafe nicht direkt nach der Urteilsverkündung antritt, sondern vorher Zeit bekommt, um seine persönlichen Dinge zu regeln, ist durchaus üblich. Wenn dem nicht besondere Haftgründe entgegenstehen. Dies sei hier nicht der Fall, erklärt der Verteidiger. Vor allem aber wegen seiner familiären Situation bestehe keine Fluchtgefahr mehr.
Da ursprünglich auch seine Frau verdächtigt und festgenommen wurde, mussten ihre drei kleinen Kinder mehr als einen Monat ohne Vater und Mutter auskommen. Das habe die Kinder so sehr traumatisiert, dass sie heute psychologisch behandelt werden müssten. Von daher sei die Aufhebung des Haftbefehls gerade über die Weihnachtstage wichtig für die Stabilisierung der ganzen Familie.