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Update: Landesparteitag in Oslebshausen Bremer Linke beharren auf Mietendeckel

Die Bremer Linken gehen auf Konfliktkurs innerhalb der rot-grün-roten Koalition. Auf ihrem Landesparteitag forderten sie am Sonnabend einen Mietenstopp. Die Grünen haben sich bereits dagegen ausgesprochen.
09.11.2019, 17:45 Uhr
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Bremer Linke beharren auf Mietendeckel
Von Jürgen Theiner

Die Bremer Linken verlangen einen Stopp von Mieterhöhungen nach Berliner Vorbild. Auf ihrem Landesparteitag in Oslebshausen beauftragten die Delegierten am Sonnabend die Bürgerschaftsfraktion, konkrete Vorschläge für einen Mietendeckel zu erarbeiten.

Mit ihrem Beschluss verschafften die Linken damit zugleich der rot-grün-roten Regierungskoalition ihr erstes handfestes Streitthema, denn die grüne Bausenatorin Maike Schaefer hatte einem solchen Instrument erst wenige Tage zuvor eine Absage erteilt.

Ausgangspunkt ihrer Forderung ist für die Linken der kräftige Anstieg der Wohnungskosten in den vergangenen Jahren. "Fast die Hälfte aller Bremerinnen und Bremer muss mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben, bei fast einem Viertel sind es sogar 40 Prozent", heißt es in dem mit breiter Mehrheit beschlossenen Leitantrag. Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Ausdrücklich nahmen die Linken Bezug auf den Koalitionsvertrag, in dem es ausdrücklich heißt, ein Mietendeckel könne "auch für Bremen oder für einzelne Stadtteile zukünftig in Betracht kommen".

Seitenhieb gegen Grüne

In der Debatte warnte die Bürgerschaftsabgeordnete Sofia Leonidakis davor, die Themen Klimaschutz und Mieterschutz gegeneinander ausspielen zu lassen. In Berlin versuche die Wohnungswirtschaft gerade genau dies. Dort werde behauptet, den Vermietern fehlten wegen des Mietendeckels die Mittel, um in die ökologische Erneuerung der vorhandenen Bausubstanz zu investieren. Für den erklärten Marxisten Sebastian Rave "kann der Mietendeckel nur der Anfang einer Bewegung in Richtung Enteignung sein". Rave sagte, die Auseinandersetzung um dieses Thema sei "keine Frage von guten Argumenten". Vielmehr seien die Mieter und Politik mit handfesten Interessen der Immobilienwirtschaft konfrontiert. Deren Vertreter machten Druck. Die Parteivorsitzende Cornelia Barth zeigte sich zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen, wenn die Linke es schaffe, auch über Bündnisse mit außerparlamentarischen Kräften Druck zu entfalten. Sie nannte Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Gruppen wie das Bündnis "Menschenrecht auf Wohnen".

Diese Forderung nach einem Schulterschluss mit gesellschaftlichen Akteuren außerhalb des Politikbetriebs leitete unmittelbar über zum zweiten Teil des Leitantrags. Darin werden sehr konkret die Risiken der linken Regierungsbeteiligung beschrieben. Es bestehe die Gefahr, so heißt es in dem Papier, "dass wir tatsächliche oder vermeintliche Sachzwänge so weit verinnerlichen, dass sie nicht nur das Regierungshandeln, sondern darüber hinaus unser politisches Denken und die Programmatik der Partei einschränken". Dem lasse sich am besten begegnen, wenn die Linke "auch im außerparlamentarischen Raum und im Zusammenspiel mit sozialen Bewegungen agiert". Mit den vermeintlichen Sachzwängen setzte sich in der Aussprache über den Leitantrag unter anderem Christoph Spehr auseinander. Er sparte dabei nicht mit Seitenhieben auf den grünen Koalitionspartner. Dieser habe "ein religiöses Verhältnis zur schwarzen Null", also zu ausgeglichenen öffentlichen Haushalten. Bremen habe allerdings durchaus finanzielle Spielräume, trotz der in der Landesverfassung festgeschriebenen Schuldenbremse. So gebe es beispielsweise die Möglichkeit, kreditberechtigte Unternehmensbeteiligungen von Stadt und Land für Investitionen einzusetzen. Von solchen Optionen müsse man allerdings auch Gebrauch machen – und dafür brauche es den Druck der Linken.

"Alltagstauglichkeit erhöhen"

Christoph Spehr wird in Zukunft Gelegenheit haben, seine Positionen in den Koalitionsgremien zur Geltung zu bringen, denn der 56-Jährige wurde gemeinsam mit Cornelia Barth für die nächsten zwei Jahre an die Spitze des Landesverbandes gewählt, der aktuell gut 630 Mitglieder hat. Barth hatte ihr Amt schon in der vergangenen Wahlperiode inne, auch Christoph Spehr bekleidete den Vorsitz vor einigen Jahren schon einmal. Er löst nun den bisherigen Co-Vorsitzenden Felix Pithan ab, der auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte. Auf Spehr entfielen 33 Ja-Stimmen, elf Delegierte sprachen sich gegen ihn aus.

Cornelia Barth vereinigte 30 Stimmen auf sich, 8 Delegierte votierten mit Nein. Barth kündigte in ihrer Bewerbungsrede an, die „Alltagstauglichkeit“ der Partei erhöhen zu wollen. Die Linke müsse als diejenige Partei in Erscheinung treten, die die Hoffnung der Menschen „auf ein besseres und gerechteres Leben erfüllt“. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, daran ließ auch Christoph Spehr in seiner Vorstellung keinen Zweifel. „Wir sind noch lange nicht dabei, dass das neue Regierungsbündnis die Probleme wegschafft“, sagte er. Die „Dogmen des Neoliberalismus“ bröckelten zwar, aber die Linken müssten sich anstrengen, diese Entwicklung auch in politische Mehrheiten umzumünzen.

Für einen emotionalen Höhepunkt des Parteitags sorgte der kurdischstämmige Bürgerschaftsabgeordnete Cindi Tuncel. Er rief zur Solidarität mit den bedrängten Kurden in der nordsyrischen Kriegsregion um Rojava auf. Eine Flagge der kurdischen YPG-Milizen schwenkend, forderte er einen dauerhaften Stopp deutscher Waffenlieferungen an den Nato-Partner Türkei.

An diesem Sonntag setzen die Linken ihren Parteitag im Bürgerhaus Oslebshausen mit der Beratung weiterer Anträge fort. Auch diese enthalten Potenzial für Konflikte mit SPD und Grünen. Wie berichtet, gibt es unter anderem einen Vorstoß zum Stopp des Verkaufs städtischer Flächen für Wohnbauzwecke auf dem Gelände des Klinikums Mitte. Als Alternative wird die Vergabe der Grundstücke per Erbbaurecht vorgeschlagen.

++ Dieser Artikel wurde um 20.10 Uhr aktualisiert ++

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