Die Bekämpfung von Wohnungsnot und Mietsteigerungen ist für die Linken das zentrale Thema in der bevorstehenden heißen Phase des Bürgerschaftswahlkampfs. Auf dem Landesparteitag im Buntentor forderte Spitzenkandidatin Kristina Vogt am Sonnabend ein entschlossenes Vorgehen gegen die Ausplünderung, der die Mieter in vielen Stadtteilen ausgesetzt seien. Sogar in Quartieren wie Walle, die vor wenigen Jahren noch nicht sonderlich begehrt waren, könnten sich Familien mit Durchschnittseinkommen inzwischen kaum noch eine Vier-Zimmer-Wohnung leisten.
Die Bautätigkeit müsse deshalb dringend forciert werden, vor allem um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Als geeignete Instrumente stünden Bremen die überwiegend stadteigene Wohnungsgesellschaft Gewoba und die von der Sparkasse erworbene Brebau zur Verfügung. Diese Unternehmen müssten von der Verwaltung des eigenen Bestandes verstärkt zum Neubau von Wohnungen übergehen.
Von dieser drängenden sozialpolitischen Frage schlug Kristina Vogt einen thematischen Bogen zu weiteren Punkten der linken Agenda. In der Gesundheitspolitik etwa gehe es darum, eine annähernd gleichmäßige Verteilung der Haus- und Fachärzte auf das Bremer Stadtgebiet zu erreichen. Wenn sich die Kassenärztliche Vereinigung als Interessenvertreterin der niedergelassenen Mediziner dagegen sperre, müsse der politische Druck auf sie erhöht werden.
Ein weiteres Stichwort war die Verkehrspolitik. Vogt sprach sich für eine "Verkehrswende" nicht nur aus ökologischen Gründen aus. Es gehe auch darum, insbesondere den Bewohnern der bisher schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden Quartiere "soziale Mobilität" zu verschaffen. Handlungsbedarf bestehe auch in der chronisch verstopften Überseestadt. Alles, was dem Senat dazu einfalle, sei der Bau einer Seilbahn. "Viele Leute, die dort wohnen, kommen aber aus dem Umland, aus Weyhe oder Ganderkesee. Die fahren nicht mit der Seilbahn nach Hause", spottete Vogt.
Inspiration durch Volksbegehren
In der inhaltlichen Debatte der etwa 70 Delegierten nahm die mögliche Enteignung des Wohnungskonzerns Vonovia den größten Raum ein. Inspiriert von einem einschlägigen Volksbegehren in Berlin, forderten zahlreiche Redner eine härtere Gangart gegenüber Wohnungsunternehmen, die aus dem Mangel an Wohnraum Profit schlagen und die Mieten in kurzen Abständen drastisch erhöhen. „Von jedem Euro, der als Miete an die Vonovia gezahlt wird, gehen 38 Cent als Dividende an die Aktionäre. Das ist doch nicht vorstellbar!", schimpfte der Landesvorsitzende Felix Pithan. Sowohl das Grundgesetz als auch die Bremische Landesverfassung sähen das Instrument der Enteignung von Unternehmen vor, die beharrlich gegen die Grundsätze einer sozialen Wirtschaftsordnung verstoßen. "Wenn das nicht für die Vonovia gilt, für wen denn dann?", rief Pithan unter Applaus. Übereinstimmung bestand darin, dass eine Enteignung von Wohnungsbeständen keineswegs zum aktuellen Verkehrswert vollzogen werden müsse, denn der sei häufig spekulativ aufgeblasen. Mit breiter Mehrheit beschloss der Parteitag schließlich, eine Enteignungsinitiative nach Berliner Vorbild zu unterstützen.
Um die Wohnungsfrage ging es auch bei einem weiteren Antrag des Landesvorstandes, in diesem Fall zur Bebauung der früheren Galopprennbahn in Hemelingen. Am 26. Mai wird es hierzu einen Volksentscheid geben. Während eine Bürgerinitiative über das Plebiszit eine Bebauung des gut 30 Hektar großen Areals komplett verhindern will, rufen der rot-grüne Senat und seit wenigen Tagen auch ein überparteiliches Bündnis dazu auf, dieser Forderung beim Volksentscheid eine Absage zu erteilen. Sie favorisieren eine Nutzung des Rennbahn-Areals nach der Formel Hälfte-Hälfte – 50 Prozent sollen mit Wohnungen bebaut, die anderen ökologisch aufgewertet werden. Die Linken positionierten sich klar: "Lasst uns dafür sorgen, dass der Volksentscheid krachend an die Wand fährt", forderte Andreas Hein-Foge.
Vom Linken-Parteitag ging auch ein gleichstellungspolitisches Signal aus. Die Versammlung forderte ein Paritätsgesetz, das alle Parteien verpflichtet, bei künftigen Wahlen ihre Listen abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. Auf diese Weise soll eine geschlechterparitätische Besetzung parlamentarischer Gremien sichergestellt werden. Die Fraktion der Linken soll in der nächsten Legislaturperiode einen entsprechenden Vorstoß unternehmen.
Den größten Applaus für einen einzelnen Redebeitrag erhielt kein Linker, sondern die Aktivistin Frederike "Fritzi" Oberheim von der "Fridays-for-future"-Bewegung, die für eine radikale klimapolitische Wende eintritt. Ähnlich wie kürzlich schon den Grünen hielt Oberheim auch den Linken den Spiegel vor. "Seid ihr so solidarisch, wie ihr immer meint?", fragte die Studentin die Versammlung. Ihre Antwort: Nein, jedenfalls nicht mit der jungen Generation, deren Zukunftschancen durch den Klimawandel akut gefährdet seien. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe sei der wichtigste, der derzeit zu führen ist, meinte Frederike Oberheim, denn:" Was bringt euch das Versprechen einer neuen Revolution, wenn es keinen Planeten mehr gibt, den man revolutionieren kann?"