Ratsch macht es. Und plötzlich steht Kristina Vogt neben sich selbst. Die Spitzenkandidatin der Linkspartei betrachtet sich rasch, hebt die Arme einen Moment, lässt sie wieder fallen und bedeutet damit: Da ist es, da ist das erste Plakat. Ihre Partei will damit im Bürgerschaftswahlkampf für sich werben. „Frauen müssen endlich mehr verdienen. Basta!“, ist darauf zu lesen. „Zentrales Anliegen“, sagt Vogt, erklärt die Botschaft kurz und will gleich weitermachen. Zusammen mit Landessprecher Felix Pithan reißt sie die roten Tücher herunter, die zuvor die drei Plakate verhüllten und ein Geheimnis aus deren Inhalt machten. Doch die beiden sind nicht allein. Pithan trägt vor dem Bauch sein Kind. Ratsch fällt der nächste Vorhang.
Vogt ist selbst neugierig wie das ausschaut, was nun zu sehen ist. Schließlich ist sie der Mittelpunkt der Plakate und spricht darauf. „Wem die Stadt gehört? Klarer Fall, allen natürlich“, heißt es da. Kristina Vogt ist mit einer bestimmend-erklärenden Geste zu sehen, vor sich unscharf ein ziemlich leeres Bierglas.
Für die Vorstellung der Kampagne hat sich die Partei den Aufgang zur Kirche St. Stephani an der Weser ausgesucht. Das liegt nicht weit entfernt von der Geschäftsstelle. Neustadt, Altstadt und Überseestadt sind von hier im Blick. An diesem Märztag sind es sommerliche 16 Grad. Auf dem Balkon einer der neuen Wohnungen im Stephanitor legt eine Frau die Auflagen auf die Stühle raus. Die Sonne scheint kräftig. Radfahrer, Jogger und Flaneure ziehen entlang der Promenade und bleiben kurz stehen, um zu schauen, was da auf der erhöhten Rasenfläche los ist. Möwen kreischen am Himmel. Auf der Oldenburger Straße rauscht der Verkehr vorbei über die Stephanibrücke.
Schon im vergangenen Herbst hatte die Linkspartei ihr Wahlprogramm verabschiedet. Das trägt den Titel „Wem gehört die Stadt?“. Nun steht die passende Werbung. Sehr gespannt sei sie, wie die bei den Menschen ankomme, sagt Vogt: „Das ist für uns tatsächlich Neuland. So eine Kampagne haben wir in dem Stil noch nicht gemacht.“ Doch es geht nicht allein um einen Effekt. Die Linke will zeigen, dass sie regieren will. Vogt macht klar: „Wir wollen nicht mehr die Forderungen an andere stellen.“
Die Kampagne solle ausdrücken, dass die Partei Ideen habe
Als junge Partei sei das vor mehr als zehn Jahren noch anders gewesen, doch man habe sich entwickelt. Die Kampagne solle ausdrücken, dass die Partei Ideen habe und sie selbst umsetzen wolle. „Wir machen das“, steht deshalb auf vielen Plakaten. Es gehe darum, die Stadt anders zu gestalten. „Wir sind sehr zuversichtlich. Bremen kann anders aussehen.“ Und Vogt baut in diesem Moment gleich den wichtigen Slogan ein: „Wir wollen das machen.“
Ob zu Leiharbeit, Stadtentwicklung oder Investitionen in die Bildung: Kristina Vogt erklärt die Botschaften aller Plakate. Bremen sei zwar ein sehr lebenswertes Bundesland, vielen Menschen gehe es hier richtig gut. Doch es gebe große Brüche, sagt Vogt schon zum Auftakt, als die Plakate noch verhüllt sind, viele Jobs, von denen man allein nicht leben könne, bei denen aufgestockt werden müsse. Gleichzeitig seien die Mieten hoch. „Damit der Wohnungsmarkt sich nicht weiter überhitzt, sagen wir ganz klar: Kommunaler, sozialer Wohnungsbau ist dafür eine Lösung.“ Das Thema greift das Lieblingsplakat von Vogt auf. Ein Quietscheentchen ist darauf zu sehen: „Wohnen muss bezahlbar sein. Punkt. Aus. Ente.“
Im Vordergrund der Kampagne geht es der Partei um Mobilität, um den Wohnraum in der Stadt und auch die Bildungsgerechtigkeit. „Dafür stehe ich als Person“, sagt Vogt über sich. Dabei dürfe aber nicht versprochen werden, was sich nicht halten lasse. Das betont sie dann auch mehrmals als Devise: keine Luftschlösser bauen, sondern realistische Ziele setzen. In der Wirtschaft beschäftigt die Spitzenkandidatin der „nächste Strukturwandel“ mit der Digitalisierung. „Wir sind ein großer Industriestandort. Viele Menschen, mit denen ich rede, haben schlichtweg Angst davor, dass sie bei der Digitalisierungswelle nicht mehr vorkommen.“ Die Politik brauche Antworten für diese Menschen.
Richtig sei es, einen kostenlosen ÖPNV anzubieten, dafür wirbt eins der Plakate mit ihr. Doch da könne man sich nur auf den Weg machen. Das sei sicher nicht in den nächsten vier Jahren sofort umzusetzen, macht Vogt gleich klar, aber auf lange Sicht: „Das ist machbar.“