Zur nahenden Halbzeit der Legislaturperiode in Bremen haben die CDU als größte Oppositionspartei und der aktuelle Senat erwartungsgemäß unterschiedliche Bilanzen gezogen. Während Begriffe wie "Stillstand" und "Streit" die Bewertungen von CDU-Fraktionschef Frank Imhoff und dem christdemokratischen Landesvorsitzenden Heiko Strohmann dominierten, sahen die Senatsvertreter die Koalition auf Kurs. Bürgermeister Bovenschulte sprach vor dem Hintergrund zahlreicher Herausforderungen von einer "positiven Bilanz in schwierigen Zeiten".
Zur Arbeit der Koalition
Die Regierung ist nach Auffassung von Imhoff kompromissunfähig und so zerstritten, dass sie sogar die gescheiterte Ampel-Koalition in Berlin in den Schatten stelle. Es gebe eigentlich kaum ein Thema, bei dem die Koalition eine gemeinsame Linie verfolge. "Die Ressorts arbeiten jedes für sich nach Parteiräson, aber nicht gemeinsam für Bremen", sagte Imhoff. Er sprach von einem "Pattexsenat", der aus reinem Machterhalt an seinen Stühlen klebe.
Durch ein Sammelsurium von Themen versuche die CDU den Eindruck zu erwecken, der Senat sei zerstritten, sagte derweil Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) bei der Pressekonferenz des Senats. "Dieser Koalition hat niemand zugetraut, einen Haushalt zu schmieden, wir haben das hingekriegt – ziemlich geräuschlos sogar." Vor dem Hintergrund von in einer Dreierkoalition vorkommenden Meinungsverschiedenheiten sagte Bovenschulte: "Am Ende haben wir immer einen Weg gefunden, Probleme zu lösen."
Wirtschaftspolitik
Jüngstes Beispiel einer langen Liste öffentlicher Streitereien ist laut Strohmann die Horner Spitze. Bremen habe mit der neuen Bundesregierung einmalige Chancen bei der Raumfahrt, in der Verteidigungsindustrie sowie bei der Hafeninfrastruktur, die erstmals als Bundesaufgabe angesehen werde. "Ich befürchte aber, dass diese Möglichkeiten vertan werden, wenn man schon bei der Ausweisung wichtiger Gewerbegebiete nicht vorankommt", sagte der CDU-Landesvorsitzende.
Rund 13.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr als 2019 gebe es inzwischen im Land Bremen, sagte Bürgermeister Bovenschulte bei der Halbzeitbilanz des Senats. Bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung liege Bremen an dritter Stelle knapp hinter Bayern und Baden-Württemberg. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) verwies darauf, dass Bremen als exportorientiertes Bundesland unter Druck stehe, wenn in der Weltwirtschaft "ein Husten" entstehe. Man habe jedoch eher eine Bronchitis erlebt mit der Tendenz zur Lungenentzündung, je nachdem was US-Präsident Trump noch an Ideen umsetze, sagte die Senatorin. Von den geplanten Infrastruktur-Milliarden der Bundesregierung würden die Häfen laut Vogt frühestens in der nächsten Bremer Legislaturperiode profitieren.

CDU-Fraktionsvorsitzender Frank Imhoff und Heiko Strohmann, CDU-Landesvorsitzender, werfen der Landesregierung nach zwei Jahren im Amt Zerstrittenheit und Führungsschwäche vor.
Bildungspolitik
In der Bildungspolitik lässt die Koalition nach Einschätzung von Imhoff die zuständige Senatorin allein. Strohmann verwies auf das Beispiel Hamburg, dass eine Kehrtwende in der Bildung vollzogen habe und nun die ersten Früchte ernte, obwohl es als Stadtstaat ähnliche strukturelle Probleme mitbringe wie Bremen. "Hier aber können weiterhin 31 Prozent der Grundschüler nicht richtig lesen und weit über zehn Prozent jedes Jahrgangs beenden die Schullaufbahn ohne Abschluss."
Auf der Habenseite führte Bürgermeister Bovenschulte in seiner Senatsbilanz an, dass Bremen im Kita-Bereich im kommenden Jahr erstmals die volle Betreuungsquote erreiche. Der Senat verweist darauf, dass man im Bereich Schule seit August 2023 mehr als 1400 Lehrkräfte sowie 1066 neue Referendare eingestellt habe. Neun neue Schulen seien in den vergangenen zwei Jahren gegründet worden.
Mobilität und Bau
Beim Thema Mobilität und Bau rächt sich laut Strohmann, dass in der Vergangenheit Zeit vertan worden sei. "Der Wesertunnel und die A281 sollten längst fertig sein, doch bis heute fließt der Gewerbeverkehr durch die Stadt über die Weserbrücken, die auch deshalb so marode sind." Auch der Ausbau des Nahverkehrs ins niedersächsische Umland komme nur langsam voran. "Der 2014 beschlossene Verkehrsentwicklungsplan mit diesen zwei Schwerpunkten ist komplett gescheitert."
Man habe die Landesbauordnung verschlankt und man senke Standards, um das Bauen günstiger zu machen, sagte Bürgermeister Bovenschulte. Beim Verkehr gelte "die Pflicht vor der Kür". Der Senat setzt nach eigenen Angaben Prioritäten auf Erhalt, Ertüchtigung und Erneuerung bestehender Infrastruktur. Konkret sind die Sanierung und der Neubau der Weserbrücken gemeint.
Innere Sicherheit
Noch immer sei sich die Koalition nicht über ein Polizeigesetz einig, während die Kriminalitätszahlen fortwährend stiegen, monierte Imhoff. Statt der angestrebten Zielzahl von 3100 Polizisten stehen heute 2750 Beamte bereit. "Das war das Wahlversprechen von 2015." Auch bei Videoüberwachung und Tasereinführung verhindere der Streit der Koalitionsparteien jeden Fortschritt.
Dem hält die Landesregierung entgegen, dass bis Oktober 2028 die 3100 Vollzeiteinheiten beschäftigt sein sollen. Tatsächlich hatte die Koalition diesen Wert jedoch bis 2027 versprochen. Eine erhöhte Polizeipräsenz am Bahnhof sowie "Quattro-Streifen" würden am Hauptbahnhof die Sicherheit verbessern. Die Straftaten seien dort um 15 Prozent zurückgegangen.