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Molenturm in Bremerhaven Ein Leuchtturm mit Geschichte und Geschichten

Seitdem der Leuchtturm an der Nordmole in Schieflage geraten ist, interessiert sich plötzlich fast ganz Deutschland für ihn. Wir haben mit Menschen gesprochen, die eine jahrelange Verbindung mit dem Turm haben.
26.08.2022, 20:57 Uhr
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Ein Leuchtturm mit Geschichte und Geschichten
Von Marc Hagedorn

Karen West ist auch an diesem Freitag wieder da. So wie schon am Donnerstag. Und am Mittwoch. Und am Dienstag. Um kurz nach halb neun hat sie diesmal ihren Posten im Schatten des Lotsenhauses bezogen. Von hier hat sie einen guten Blick auf das Geschehen. „Meine Bekannten sagen schon: Du bist doch verrückt“, erzählt sie, „aber das ist mir egal. Ich habe jetzt solange durchgehalten, dass ich nun sehen will, wie der Turm abgebaut wird.“

Für West hat der Leuchtturm am Ende der Nordmole eine besondere Bedeutung. Regelmäßig sei sie früher hierhergekommen, erzählt sie. Das Wasser, die Ruhe, die Weite, das habe sie immer sehr genossen. Traurig war sie deshalb, dass erst die Mole vor Jahren gesperrt wurde, noch betroffener hat sie gemacht, dass am Donnerstag vor einer Woche dann auch der Turm abgesackt ist. Ein trauriges Bild.

Das sieht Roger genau so. Auch er ist zuletzt jeden Tag hier am Hafen gewesen. Auf einer Bank oben auf der Promenade hat er es sich bequem gemacht. Hier hat er Siegfried kennengelernt. Die beiden Männer fachsimpeln seitdem tagein, tagaus, kommentieren die Arbeiten am Turm, die sich ungeplant in die Länge ziehen.

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Roger kommt ursprünglich aus Luxemburg, aber er lebt schon seit Jahrzehnten in Bremerhaven. 40 Jahre lang, erzählt er, sei er zur See gefahren. Den ersten Leuchtturm, den er damals auf seiner ersten Fahrt gesehen habe, sei der Molenturm gewesen, der nun so sehr in Schieflage geraten ist. Den Ruhm, den der Turm jetzt genießt, hält er für zweifelhaft. „Jahrelang hat sich niemand für ihn interessiert“, sagt er, „kein Mors hat hingeschaut.“ Plötzlich wollen ihn alle sehen.

Auf der gegenüberliegenden Seite haben sich Dutzende Schaulustige versammelt, Fernsehteams haben ihre Kameras aufgebaut, Reporter sprechen in Mikrofone. Auf Rogers und Siegfrieds Seite kommen viele Neugierige mit dem Rad angefahren. Einige schütteln ungläubig den Kopf: Wie konnte so etwas passieren? Andere machen Fotos. Jetzt auf einmal, denkt sich Roger.

Er sammelt leidenschaftlich Ansichtskarten. Die unterschiedlichsten Motive von Bremerhaven sind ihm über die Jahre in die Finger gekommen, aber der Molenturm war nur auf einer einzigen Karte abgebildet. Er holt sein Smartphone raus, tippt auf dem Display herum und öffnet den Ordner mit den Fotos. Er hat die alte Ansichtskarte abfotografiert. „Hier“, sagt er, „das ist sie, sie stammt aus dem Jahr 1932. Schön, oder?“ Ohne Zweifel ein schönerer Anblick als im Jahr 2022.

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