Rita Ebel ist bekannt als "Lego-Oma". Die Rentnerin aus Hanau sitzt im Rollstuhl. Um Stufen zu überwinden, baut sie Rampen aus Legosteinen. Nach ihrer Anleitung entsteht eine Rampe in Findorff. Es wird die erste stadtweit sein. Ein Drittel ist fertig. Aber es fehlen Steine.
Gerade ist Baustopp. Notgedrungen. Es ist wie überall sonst auch. Es fehlt an Material. Gabriele Greger-Gleitze zuckt mit den Schultern. „Es ist ja nicht so, als hätten wir gerade viel Zeit, zum Bauen einer Legorampe“, sagt die Inhaberin vom Findorffer Weinladen. Das Weihnachtsgeschäft läuft an. Es gibt viel zu tun in ihrem Laden an der Hemmstraße 179. Dennoch würde die Findorfferin das Projekt gern vor Weihnachten beenden.
Am Eingang zum Geschäft befindet sich eine Stufe. Nicht sehr hoch, aber hoch genug, dass alle Kunden auf Rädern sie nur mit Mühe überwinden können – sei es nun mit Rollstuhl, Kinderwagen oder Rollator. Hineinzukommen wäre kein Problem. Die Tür ist breit genug, und im Laden ist auch ausreichend Platz. Die Lösung: Eine Rampe muss her. Gabriele Greger-Gleitze hat sich viele Rampen angeschaut. Aus Metall? „Sieht aus wie auf der Baustelle“, findet sie. Aus Holz? „Das verrottet schnell.“ Bei ihren Recherchen stieß sie auf ein ganz besonderes Exemplar. Und zwar eines aus Legosteinen.

Rita Ebel fährt mit ihrem Rollstuhl über eine zweispurige Rampe in einen Imbiss. Die 62-jährige Hanauerin weiß als Rollstuhlfahrerin nur allzu gut, wie es ist, im Alltag immer wieder vor Hindernissen zu stehen. Deswegen baut sie ehrenamtlich für Rollstuhl- und Rollatornutzer Rampen - und zwar aus handelsüblichen Legosteinen.
Die Erfinderin der Legorampe ist Rita Ebel. Die Rentnerin lebt in Hanau und ist selbst Rollstuhlfahrerin. Sie sagt: „Über Inklusion wird viel geredet, aber sie wird wenig gelebt.“ Um Menschen den Zugang zu Geschäften, Restaurants oder Behörden zu erleichtern, baut sie gemeinsam mit ihrem Mann Rampen aus gebrauchten Legosteinen. Ihr Motto: Was die Allgemeinheit spendet, soll auch der Allgemeinheit zugutekommen. Daher baut sie nur in Ausnahmefällen Rampen für Privatleute. „Ansonsten könnten wir uns nicht retten vor privaten Anfragen. Und dafür reichen dann die gespendeten Steine nicht“, sagt sie.
In ihrer Heimatstadt in Hessen gibt es überall bunte Rampen in den Geschäftsstraßen. Mittlerweile auch in anderen Städten und sogar in anderen Ländern. Rita Ebel betreibt einen Instagram-Account und hat ein Facebook-Profil. Sie ist in Talkshows aufgetreten. Weltweit berichteten Medien über ihr Projekt. „Menschen mit Beeinträchtigung wollen nicht ausgeschlossen sein“, weiß sie. Also hilft Rita Ebel, Barrieren zu überwinden. Die bunten Rampen sind nicht nur ein Hingucker, im übertragenen Sinne stehen sie auch für die bunte Vielfalt in der Gesellschaft.
Rita Ebel und ihr Mann können längst nicht mehr alle Rampen selbst zusammensetzen. Daher verschicken die beiden Bauanleitungen in mehreren Sprachen. Eine davon liegt nun in Findorff.
Seit Ende Oktober wird in einem Bereich des Weinladens fleißig gesteckt und geklebt. Viele Findorffer haben bereits Legosteine gespendet. Vor allem größere Steine und Lego-Duplo sind gern gesehen, denn die schaffen schneller die entsprechende Höhe. Jeder Stein wird auf der Rampe festgeklebt. Wegen der Sicherheit. Je kleiner die Steine sind, desto fummeliger und langwieriger wird die Arbeit. Die Rampe misst 75 mal 75 Zentimeter und wird am Ende auf der einen Seite 15 Zentimeter hoch sein. Sofern genug Legosteine da sind.

Etwa ein Drittel ist geschafft: Im Findorffer Weinladen entsteht eine Rampe aus Legosteinen.
Bisher läuft alles übers Weitersagen. Die wohl wichtigste Frage derzeit im Laden lautet: „Haben wir schon über Lego gesprochen?“ Das hat viel gebracht, immerhin ein Drittel der Rampe ist fertig. Eine Mitarbeiterin der Shakespeare Company etwa hat eine große Kiste voller Legosteine vorbeigebracht. Mitte November hing eine Tüte mit Lego-Duplos an der Tür. Das sind die ganz großen Steine .„Viele Kinder händigen uns stolz ihre Legos aus“, berichtet Gabriele Greger-Gleitze. Zwischendurch postet sie solche Neuigkeiten auf der Facebook-Seite des Weinladens.
Auch ihre Nachbarn in der Hemmstraße finden die Idee mit den bunten Rampen gut. Viele Geschäftsleute in Findorff hätten bereits ihr Interesse bekundet, sagt Gabriele Greger-Gleitze. Es könnte also gut sein, dass im kommenden Jahr die Hemmstraße überall etwas farbenfroher wird.

Gabriele Greger-Gleitze, Inhaberin des Findorffer Weinladens.
„Mit Lego kann jeder etwas anfangen“, findet die Weinhändlerin. „Lego geht in allen Lebenslagen.“ Die Steine verbinden Jung und Alt. Sie selbst sei ein Legofreak. „Als Kind, da war ich sechs oder sieben Jahre alt, habe ich angefangen, Legoautos zu bauen.“ Und das tut sie heute noch. Einmal im Jahr nach dem Weihnachtsgeschäft. „Es hilft mir, runterzukommen.“
Damit die Rampe in Findorff weiter wachsen kann, sind also Spenden erforderlich. Die können zu den regulären Öffnungszeiten im Weinladen abgegeben werden. Wer will, kann auch einfach einen Karton vor die Tür stellen. „In Findorff geht das nicht verloren“, ist Gabriele Greger-Gleitze sicher.
Die Steine, die übrigbleiben, will die Geschäftsfrau spenden. Etwa an Kitas oder an Schulen. So erfüllt jeder Legostein ganz sicher seinen Zweck.

Jeder kann die kleinen Rampen nachbauen. Rita Ebel verschickt Bauanleitungen in verschiedenen Sprachen. Wer eine haben möchte, schreibt eine E-Mail an: dielegooma@gmail.com.