Für einen besseren Corona-Schutz stellt Hamburg den Schulen 400 Euro pro Klassenzimmer zur Verfügung, davon sollen wahlweise Plexiglasscheiben für die Pulte oder CO2-Ampeln gekauft werden. Halten Sie das auch für Bremer Schulen für sinnvoll beziehungsweise wünschenswert?
Stefan Trapp: Ich antworte unter der Einschränkung, dass ich Kinder- und Jugendarzt, aber weder Epidemiologe noch Experte für Aerosolverhalten in geschlossenen Räumen bin. Plexiglasscheiben können dort einen Sinn ergeben, wo Mindestabstände deutlich unterschritten werden, etwa zwischen Sitznachbarn. Die Aerosolverbreitung im Raum hindern sie wohl nicht, nutzen also als „Schutzscheibe“ vor dem Lehrerpult nichts.
Halten Sie Luftreinigungsanlagen für eine geeignete Alternative oder Ergänzung zum angeordneten Stoßlüften alle 20 Minuten?
CO2-Ampeln könnten dort eingesetzt werden, wo Querlüften nicht möglich ist. Den Einsatz von CO2-Ampeln hatte ich bereits im Frühjahr angeregt. Auch „nach Corona“ würden Schüler und Lehrer davon profitieren, wenn bei Überschreiten des CO2-Grenzwertes grundsätzlich gelüftet würde, weil das nachweislich auch die Konzentration und Leistungsfähigkeit steigert.
In etlichen Bundesländern müssen auch jüngere Schüler ab der 5. Klasse im Unterricht Maske tragen. Halten Sie das in Bezug auf die Gesundheit von Kindern und Lehrkräften für sinnvoll oder gar notwendig?
Ich habe mich bislang gegen eine Maskenpflicht bei jüngeren Schülern ausgesprochen. Angesichts der Infektionsdynamik ließe sich jedoch auch eine Maskenpflicht für Schüler der Mittelstufe begründen. Aufgrund der niedrigen Infektionszahlen bei jüngeren Kindern können wir auch heute relativ sicher sagen, dass eine Maskenpflicht in Grundschulen und Kitas jedoch nichts bringen würde. Sie ist den Kindern auch kaum zuzumuten.
Sollten für die älteren Jahrgänge bei Langzeitklausuren die Maskenpflicht gelockert und/oder die Zeitvorgaben geändert werden?
Nach meiner Erfahrung kann man auch mit Maske den ganzen Tag konzentriert arbeiten, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat. Trotzdem könnte bei Klausuren ja auf Masken verzichtet werden, wenn die Abstände groß genug und die Räume gut gelüftet sind.
Was sollte sonst noch bei den Coronaschutzmaßnahmen an Schulen geschehen?
Wenn all diese Maßnahmen ergriffen würden, um das Infektionsrisiko zu vermindern, müssten auch die Quarantäneregeln angepasst werden. Ich habe nicht verstanden, warum etwa trotz konsequenten Maskentragens der Oberstufenschüler weiterhin ganze Jahrgänge in Quarantäne geschickt werden, wenn einzelne Infektionen auftreten.
Hier könnte bei Masken und auch Trennscheiben die „Kohorte“ viel enger gefasst werden. Eine Anpassung der Quarantäneregeln – kleinere Kohorten, Verkürzung der Quarantäne, Beendigung der Quarantäne durch negativen Test – wird ohnehin bei steigenden Infektionszahlen unausweichlich, wenn wir nicht die Schulen per „Kettenquarantäne“ bald wieder in den Lockdown schicken wollen.
Wäre ein direkter Lockdown an den Schulen dann nicht konsequenter?
Die vom WESER-KURIER am Wochenende veröffentlichten Zahlen für Stadtteile und Altersgruppen zeigen doch, dass vor allem die Gruppen der jungen Kinder sehr spät erkranken – das heißt, sie werden von älteren angesteckt und nicht umgekehrt. Es wird Zeit, Schulen und Hochschulen wie normale Arbeitsplätze zu behandeln, an denen Präsenz meist auch erforderlich ist.
Das Gespräch führte Joerg Helge Wagner.
Stefan Trapp ist Vorsitzender des Bremer Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Er arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis im Stadtteil Huchting.