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Blumenthal Das leere Rathaus

Viel Raum, viele Probleme: Die Suche nach einer neuen Nutzung für das alte Blumenthaler Rathaus gestaltet sich schwierig und langwierig.
27.10.2017, 15:27 Uhr
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Das leere Rathaus
Von Edith Labuhn

Blumenthal. 1200 lichtdurchflutete Qua­dratmeter, viel altes Holz, Treppen die sich großzügig bemessen aufwärts schwingen, ein halbhoch vertäfeltes Entrée, das bürgerliche Gediegenheit ausstrahlt – alles in ­allem ein architektonischer Traum, zumal zu Zeiten verstärkter Immobiliennachfrage. Beinahe. Denn das alte Blumenthaler Rathaus steht allem Charme, seiner intakten Bausubstanz und der zentralen Lage zum Trotz seit Mitte 2016 meist leer.

Und das kommt nicht von ungefähr. Schließlich ist auch das Blumenthaler Ortsamt nicht aus Jux und Dollerei ausgezogen. Der ehrwürdige Altbau weist ein paar ­Besonderheiten auf, die ihn für alte wie neue Nutzer nur bedingt attraktiv erscheinen ­lassen.

Da wäre zuvorderst die Stadt selber zu nennen, da ihr das Gebäude ohnehin gehört. Bislang hat dort aber noch kein Ressort die Hand gehoben, um die Räume für städtische Belange zu beanspruchen. Ideen waren stets flüchtig. Sollte nicht einmal die Polizeistation dort einziehen? Oder die ­Bibliothek wieder in ihre alten Räume?

Warum das nicht so einfach ist, versucht Peter Schulz, bei Immobilien Bremen für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, während eines Rundgangs vor Ort zu erhellen. „1908 in massiver Bauweise errichtet“, referiert Schulz, „steht der Hauptbau innen wie außen unter Denkmalschutz. Und das ist auch schon einer der Hauptgründe für die schwere Vermittelbarkeit. Der gesamte Komplex ist nicht barrierefrei.“

Anpassungen wie der Einbau eines Aufzugs wären zwar nicht unbedingt ein Problem, „solange man sich natürlich mit dem Denkmalschutz verständigen kann“. Vergleichen könne man das durchaus mit dem alten Vegesacker Ortsamt, das auch komplett unter Denkmalschutz steht und sich nunmehr zu gehobenem Wohnraum wandelt: „Technisch ist alles möglich, aber es ist eben finanziell ein großer Happen.“

Hinzu kommt, dass 1980 ein Nebenge­bäude errichtet wurde, in dem zuerst die Stadtteilbibliothek und später dann das Bürgeramt untergebracht waren. Rund 300 zusätzliche Quadratmeter sind das, die aber eher als Hindernis denn Pluspunkt wirken. „Der zweite große Problemhaufen“, nennt Schulz den Umstand, dass das Nebenge­bäude keine eigenständige Versorgung hat: Heizung, Gas, Wasser, Strom – alles funktioniert nur über das Hauptgebäude. Selbst sanitäre Anlagen gibt es nur dort.

Wer daran etwas ändern wollte, käme schnell mit „bauordnungsrechtlichen Vorschriften in Konflikt“, mit dem Zusammenspiel von Grundstücksgrößen, Zufahrtsmöglichkeiten und einzuhaltenden Abständen oder auch mit dem Brandschutz. Ändert man nichts, fallen allerdings Teilnutzungen als Möglichkeit aus. Ein Wiedereinzug der ­Bibliothek im Nebengebäude hätte die Nutzungsmöglichkeiten des Hauptgebäudes stark eingeschränkt, einen Verkauf nahezu unmöglich gemacht.

Natürlich könnte man diesen Teil des ­Ensembles abreißen, zumal er ja nicht unter Denkmalschutz steht. Für den Verkehrswert allerdings wird die gesamte Nutzfläche ganz regulär berechnet, unabhängig davon, was anschließend damit geschieht. Rational kalkulierenden Kaufinteressenten könnte das ein Steinchen zu viel sein, was ihren Absichten im Wege liegt.

Dabei sind die baulichen Gegebenheiten grundsätzlich nicht so schlecht. „Das ist noch richtig gemauert, mit Hand und Fuß, und Doppelfenster sind auch schon drin.“ Vom Foyer im Erdgeschoss mit seinen paneelgeschmückten Wänden und einigen massiven, von ungezählten Hintern blank gescheuerten Bänken davor – „Die sind im Preis mit drin, da gehe ich mal von aus“ – schwenkt Peter Schulz nach links, durch eine majestätisch hohe Holztür. „Das ist alles so schön hell“, zeigt er auf die Reihen großer Fenster. Und großzügig. „Hier könnte man gut mehrere Wohnungen abteilen“, verrät ihm ein Blick auf den Grundriss. Auch die imposante Deckenhöhe von geschätzt mehr als vier Metern könnte kreative Geister bei einer Umnutzung beflügeln. Zugegeben, „an der Außenfassade können Sie nichts dämmen“.

Das ist auch mit ein Grund dafür, dass Bildungs- und Sozialbehörde als die Ressorts mit dem dringendsten Raumbedarf – beispielsweise für Kitas oder Zugewanderte – schon abgewunken haben. Nach eingehender Prüfung, sagt Peter Schulz. Der Herstellungsaufwand der Räume für die benötigten Zwecke wäre zu hoch gewesen. Wenn die Entscheidung eher für einen Neubau falle, habe das auch damit zu tun, „dass Neubauten von vornherein auch energetisch so geplant werden können, dass damit in der Zukunft viel Geld gespart werden kann“.

Noch läuft die interne Abfrage durch alle Behörden. Wann diese zu einem abschließenden Ergebnis kommt, vermag Peter Schulz nicht abzuschätzen. Doch bis dahin vergeht die Zeit – das Gebäude ist weiterhin ungenutzt, verursacht aber Kosten. Zahlen muss die Stadt laufend. Mindestens für die Beheizung der Räume, und mittelbar auch für die Stunden, die das Leerstandsmanagement von Immobilien Bremen für die regelmäßigen Begehungen aufwenden muss.

Dabei fällt ein Gemälde auf, das einsam zurückgelassen im großen Saal im Obergeschoss hängt. „Vermutlich ist da die Eigentümerfrage noch nicht geklärt“, ahnt Peter Schulz. Er wirft einen Blick auf eine ­Plakette am Rahmen. Die verweist auf Kapitän Richard Vollert, der das 1942 entstandene Flussbild des Malers Walter Hemming gestiftet hat. Wem genau, steht dort nicht. Aber das sind Kleinigkeiten, im Vergleich zu der Frage: Was soll nun passieren mit dem gesamten Gebäude auf seinem 3100 Quadratmeter großen Grundstück – einschließlich Carport? Jenseits von Zwischennutzungen, wie Kunst- und Theaterprojekten? „Ich gehe davon aus, dass die einzelnen Abteilungen da schon kreativ genug denken“, zeigt Schulz sich verhalten optimistisch. Ein Preis für einen Verkauf wurde bislang jedenfalls noch nicht ermittelt.

Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die kühne Ideen entwickeln könnte, gibt es nicht. Wäre nicht beispielsweise ein Projekt mit Langzeitarbeitslosen denkbar, die das Rathaus mit Bedacht herrichten und gleichzeitig fachliche Ausbildung erfahren könnten? Peter Schulz wiegelt ab. So funktioniert es nicht. „Ein Ressort müsste erst einmal zusagen, die Miete zu übernehmen.“ Sicher, wenn sich der Senat auf eine Nutzung festlegen würde, dann würden die Ressorts zusammen versuchen, das auch umzusetzen.

Auch eine Lösung aber kann problematisch sein. Wenn nämlich die Bevölkerung eines Stadtteils ganz andere Vorstellungen von einem zweckmäßigen Umgang mit städtischer Bausubstanz hat. Ein Verweis auf die aktuelle Diskussion um die alte Burgdammer Schule.

Immer wieder begehren Bürger gegen vordergründig kostengünstige Veräußerungs- oder Abrisspläne auf, was darin begründet liegen könnte, dass die Menschen die unwiederbringliche Atmosphäre der alten Gebäude mit allen Geschichten, von denen die historische Substanz erzählen kann, erhalten wissen möchten. Peter Schulz kann sich das durchaus vorstellen. „Die Frage ist dann eben: Wie viel ist der Stadt dieser Wunsch wert? Und umgekehrt: Was wäre den Bürgern die Erfüllung dieses Wunsches wert?“

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