Vegesack. Vom Andrang überraschte Aussteller, überfüllte Parkplätze mit Kennzeichen aus Aurich, Münster, Cuxhaven, Diepholz, Bremen und Osterholz – das üble Regenwetter hat Menschen mit maritimem Faible aus der ganzen Region zum Nautischen Flohmarkt plus Beiprogramm in den Kulturbahnhof getrieben. Dick in Ölzeug eingemummt gingen einige der weit über eintausend Besucher sogar zur Besichtigung und zum Kursangebot auf die Hafenschiffe.
Mittags haben schon 900 Besucher eine Eintrittskarte zum Nautischen Flohmarkt gekauft und gewerbliche Aussteller wie Olaf Holz und Martina Georgus vom gleichnamigen Teak-Spezialisten lächeln nur noch. Martina Georgus gibt zu: „Ich hatte nichts erwartet und gedacht, ich stehe den ganzen Tag nur im Zelt im Regen und nun schauen Sie sich den Andrang an.“
Klaus Schlösser von „Bootausbildung.com“ muss um 13 Uhr schon zu seinem nächsten Seminar: Das Thema lautet „Navigation auf See mit dem Tablet-Computer“. Die Künstlergarderobe im Kuba verwandelt sich in einen Klassenraum. Schlösser: „Aber das eigentlich Tolle hier in Vegesack ist, dass wir mit all unseren Seminaren rund um den Hafen in klasse Gebäuden und auf Schiffen sind.“ Der Kursus zum Funkzeugnis mit Prüfung am Sonntag um 17 Uhr ist mit 18 Leuten ausgebucht. Zum ebenfalls ausgebuchten Pyro-Schein findet die praktische Prüfung auf einem Segelschiff statt. Man kann Gezeitenkunde lernen. Und auf der großen Jacht „Polaris“ lernen Kursteilnehmer in der Praxis die Eigenheiten eines Dieselmotors kennen.
37 Aussteller an 76 Tischen
Friedhelm Seifen vom Versuchskreuzer Bremen kommt pitschnass direkt aus dem Hafen in den Kulturbahnhof und erzählt, dass alle fünf Minuten neue Besucher vor dem Schiff stehen, obwohl es Bindfäden regnet: „Und auch auf der Franzius und dem Kirchenschiff Verandering laufen überall Leute rum.“ Rolf Noll vom Kutter- und Museumshavenverein blickt in den vollen Saal: „Wir haben jetzt 37 Aussteller mit 76 Tischen hier drin. Mehr wäre nicht gegangen. Die ersten wollten hier schon um 6.45 Uhr rein.“
Gleich rechts vom Eingang steht die Jugendabteilung des Wassersportvereins Hemelingen und verkauft, was die Vereinsmitglieder zusammengetragen haben. Der Erlös ist für die Jugendarbeit gedacht. Etwas weiter im Gang präsentiert der Halbmodellbauer Jürgen W. Oltmann aus Leuchtenburg das, was er aus der Werkstatt und seinen Regalen erübrigen kann: „Ich habe mich spontan zur Teilnahme entschlossen und finde die Atmosphäre hier einfach schön. Und ich habe sogar schon einige Kontakte mit Menschen geknüpft, die gerne ein Halbmodell von ihren Schiffen bei mir bestellen würden.“
Der Lesumbroker Segelverein hat gleich die ganze Stirnseite der Halle für sich in Beschlag genommen und klagt über unzureichende Ausleuchtung: „Wir stehen zwar im Dunkeln, aber wir sind die Lustigsten.“ Das Berufsbekleidungsgeschäft Perko aus der Reeder-Bischoff-Straße ist für den Sonntag mit einem Teil des Angebots in den alten Bahnhofsschuppen umgezogen. Neuware zu reduzierten Preisen, da fragen selbst Menschen aus dem Sauerland an, ob man ihnen nicht den Seemannstroyer in der richtigen Größe hinterherschicken könnte.
Maßanfertigungen gibt es bei der Holzbildhauerin Charline Scheer zu bestellen: Auf einem kolorierten Relief zieht ein Seeungeheuer einen stolzen Dreimaster in die Tiefe: „Das haben sich heute auch schon einige angesehen. Und ich habe eine Nachfrage für eine Galionsfigur. Aber die meisten wollten meine Illustrationen als Kunstdrucke kaufen.“
An der Wand zu den Gleisen gibt es Buddelschiffe, Reedereiflaggen, Mützenbänder der Marine, viele Messingbeschläge und antiquarische Bücher. An einem Mitteltisch lässt sich Rainer Krampitz von der Schiffergilde Bremerhaven ein Büchlein über die „Beluga“-Reederei verkaufen. Vielleicht ist diese Imagebroschüre in fünfzig Jahren ja eine nautische Rarität. Etwas weiter kann man einen ganzen Dieselmotor erstehen. Krampitz ist angetan von diesem Sortiment: „Das hier ist noch ein echter Flohmarkt, auf dem normale Leute interessante Sachen verkaufen.“ Er ist mit seiner Frau gekommen und überrascht, wie viel hier los ist: „Wir waren immer Fans der Messe Boatfit, welche von Bremen ja leider eingestellt worden ist. Es ist toll, wenn das so seine Fortsetzung finden kann.“
Besser als die Hanseboot?
Am Ende des Rundgangs steht man bei den Herren von „J. H. Jaeger & Eggers“, die Bootsbaumeister Ralf Weise gerade ein neues Multitool zum Messepreis verkaufen. Auch hier gibt es nur zufriedene Gesichter. Verkäufer Joachim Gerhardt: „Der Zuspruch am frühen Morgen war fast zu gut. Da kriegten wir schon das Feedback, dass sogar geschoben wurde. Andererseits waren das Hamburger, die meinten, das hier sei besser gemacht als die Hanseboot.“ Sein Kollege Reinhard Hennings bestätigt, dass der eine Geräteverkauf nicht der einzige war: „Wir haben hier schon richtig hochwertige gute Maschinen weitergereicht.“
Etwas weiter steht der MTV-Vorsitzende Thomas Rutka an einem eigenen Stand und freut sich über das Treiben: „Was ist eigentlich die Konsequenz aus diesem Erfolg? Das hier zeigt doch, dass Vegesack mit der richtigen Mischung und dem richtigen Konzept durchaus der Ort für eine richtig große maritime Veranstaltung im Frühjahr sein kann.“ Organisator Rolf Noll, selbst Vorsitzender des Kutter- und Museumshavenvereins, hört das sehr gerne, wenn er an die geplante große Boatfit-Nachfolge-Messe namens „Klar Schiff“ denkt, für die noch ein Ort und ein professioneller Veranstalter gesucht wird: „Wir sind zu allen Schandtaten bereit, setzen uns nach dieser Sache hier jetzt aber erst einmal in aller Ruhe zusammen.“