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Ehrenamtlicher Einsatz in Bremen-Nord Das Zeit-Geschenk: Gegen Einsamkeit im Alter

Das Netzwerks Selbsthilfe vermittelt Ehrenamtliche, die älteren, kranken und hilfsbedürftigen Menschen ihre Zeit schenken. Für diesen Besuchsdienst werden noch Helfer gesucht.
27.09.2018, 19:49 Uhr
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Von Michael Thurm

Ein kleines geschenktes Zeitfenster in der Woche ist für Menschen, die aufgrund von Erkrankungen oder Alter nur wenig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, ein wertvolles Gut. Eine nette Unterhaltung, ein schöner Spaziergang oder gemeinsames Kaffeetrinken können Kraft und Zuversicht geben. Diese Idee steht hinter dem Projekt „Zeit schenken“, ein Besuchsdienst für Senioren.

Anneke Imhoff ist ehrlich: „Wir können in Bremen-Nord noch ehrenamtliche Mitarbeiter gebrauchen.“ Mit „wir“ meint die 36-jährige Gesundheitswissenschaftlerin den Verein Netzwerk Selbsthilfe. Er ist seit mehr als 30 Jahren in Bremen und Nordniedersachsen die Anlaufstelle für Menschen mit Ideen, Initiative und Engagement. Das Netzwerk hilft Menschen unter anderem dabei, eine passende Selbsthilfegruppe zu finden, gibt Vereinen praktische Unterstützung und berät Menschen, die sich sozial engagieren möchten, unter anderem im Projekt „Zeit schenken“.

Anneke Imhoff ist für das Projekt verantwortlich. Das Zeit-Geschenk ist eine Idee für Menschen, die sich Zeit nehmen wollen für andere Menschen, die einsam sind, die Hilfe benötigen oder einen kommunikativen Austausch nicht mehr selbst organisieren können. „In der Regel sind es ältere und alte, pflegebedürftige Menschen mit einem Pflegegrad, die von unseren Zeitschenkern besucht werden“, erzählt Anneke Imhoff.

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Pflegerische oder hauswirtschaftliche Aufgaben übernehmen die ehrenamtlich Tätigen nicht. Auch demenziell Erkrankte stehen nicht auf der Besuchsliste. „Dafür sind unsere Ehrenamtlichen nicht ausgebildet“, erläutert Anneke Imhoff. Die sogenannten Zeitschenker sollen die von ihnen betreuten Menschen in erster Linie unterhalten, mit ihnen klönen, spielen, mit ihnen einkaufen oder auch mal ein Museum oder Kino besuchen.

Zwischen 60 und 70 Zeitschenker sind in ganz Bremen unterwegs, etwa ein Drittel in Bremen-Nord und eben dort ist die Schieflage zwischen „Zeitnehmern“, so bezeichnet Imhoff die Frauen und Männer, die sich Besuche wünschen und den Zeitschenkern recht groß. „Wir können gerade in Bremen-Nord noch ehrenamtliche Mitarbeiter gebrauchen“, betont deshalb Anneke Imhoff nochmals.

Erstes Gespräch sehr wichtig

Den Kontakt zwischen Zeitnehmer und Zeitschenker stellt die 36-Jährige her. Mit den Zeitnehmern spricht Anneke Imhoff nicht persönlich, sie nimmt ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse, telefonisch auf. Mit den Interessenten, die gern Menschen ihre Zeit schenken möchten, aber trifft sich Anneke Imhoff, entweder im Büro des Netzwerks Selbsthilfe an der Faulenstraße in Bremen-Mitte oder im Pflegestützpunkt Vegesack. „Dieses erste Gespräch ist sehr wichtig“, erklärt die Koordinatorin. Nur so könne sie feststellen, ob die Interessenten für diese Aufgabe überhaupt geeignet sind, zu welchen älteren Frauen und Männern sie passen könnten.

Auch die erste Begegnung zwischen Zeitnehmer und Zeitschenker begleitet die Netzwerk-Mitarbeiterin. „Meist finden die Menschen zusammen, bauen mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis auf“, weiß Imhoff. „Ein Mitarbeiter ist mal zu mir gekommen und hat mir erzählt, er müsse bei seinen Besuchen immer über Fußball reden. Dabei habe er davon doch gar keine Ahnung“, erzählt Imhoff. Auch in diesem Falle nahm das Ganze ein gutes Ende. „Unser Mitarbeiter hat sich dann einfach intensiv mit dem Thema Fußball beschäftigt“, sagt die 36-Jährige und lacht.

Die Zeitschenker sollten pro Woche mindestens eine Stunde für einen Besuch bei ihrem Zeitnehmer einplanen. Meistens, so die Koordinatorin, sprechen beide Seiten individuell die Besuchszeiten ab und planen gemeinsam Treffs. „Besteht erst einmal eine Vertrauensbasis und harmonieren beide Seiten, läuft das wunderbar“, weiß Anneke Imhoff aus Erfahrung.

Zeitschenker bereichern ihr eigenes Leben

Auch Caroline Jurczyk hat diese Erfahrung schon gemacht. Die 40-jährige Nordbremerin ist seit August 2017 Zeitschenkerin. Sie betreut eine durch eine Krankheit erblindete Dame ungefähr in ihrem Alter. „Ich wollte schon immer etwas ehrenamtlich machen“, erzählt Caroline Jurczyk. Eine Freundin habe sie schließlich auf das Projekt „Zeit schenken“ aufmerksam gemacht. Dafür ist sie ihrer Freundin immer noch dankbar. Caroline Jurczyk empfindet die Begleitung der Dame selbst als Bereicherung ihres Lebens. „Wir sind längst Freundinnen geworden“, erzählt sie strahlend.

„Ich hatte keine Erwartungen, weil ich auch gar nicht wusste, was auf mich zukommt. Doch es war alles so leicht und einfach. Wir haben uns sofort geduzt“, erinnert sich die 40-Jährige an den ersten Kontakt. „Heute reden wir über Gott und die Welt“, sagt sie lachend. Mal am Telefon, mal zu Hause. „Wir sind aber auch viel unterwegs. Wir gehen ins Museum, zu Lesungen, ins Theater oder Essen.“ Dass sie sich so intensiv bei den Zeitschenkern engagiert, findet auch in ihrem Freundeskreis ein breites, positives Echo. „Mittlerweile werden wir immer zu zweit zum Essen oder Grillen eingeladen“, schildert Caroline Jurczyk ihre Erfahrungen.

So hätte es Anneke Imhoff bei allen Begegnungen am liebsten. Doch die Gesundheitswissenschaftlerin weiß auch, dass die Erlebnisse von Caroline Jurczyk eben nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind. „Zumeist sind es eben ältere Menschen, die kaum noch aus dem Haus kommen. Die eben darauf angewiesen sind, dass jemand sie zu Hause besucht“, betont Imhoff. Eben deshalb freut sie sich über jeden Anruf von Menschen, die sich engagieren möchten.

Die ehrenamtlichen Zeitschenker werden während ihrer Tätigkeit vom Verein Netzwerk Selbsthilfe weiter begleitet und unterstützt. „Zum einen erstatten wir die Kosten bei Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr, zum anderen finden ein- bis zweimal im Jahr Info-Veranstaltungen statt. Außerdem gibt es Treffen, bei denen sich die Ehrenamtlichen untereinander austauschen können“, informiert Anneke Imhoff. Auch Caroline Jurczyk wirbt für dieses Projekt. „Es braucht sicherlich Mut, sich dafür zu bewerben“, sagt sie, „doch die Freude und der Spaß an der Begegnung sind einfach toll.“

Weitere Informationen

Interessenten an dem Projekt „Zeit schenken“ bekommen beim Verein Netzwerk Selbsthilfe unter der Telefonnummer 0421/ 70 45 81 oder per E-Mail unter info@netzwerk-selbsthilfe.com weitere Informationen.

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