"Man könnte aus diesem Platz eine Perle machen", sagt René Wilhelm Gleitze und schaut ein wenig versonnen über den Domshof hinweg. Im Hintergrund ragen die Türme des Doms auf, rechts davon liegt das schmucke Rathaus. Ein guter Tag, die Sonne scheint, viele Menschen unterwegs. Gleitze wird ständig angesprochen, während er für einen Schnack vor seinem Fischwagen steht. Der Mann, 54 Jahre alt, ist eine Institution auf dem Wochenmarkt. Er kommt jeden Mittwoch, die Stammkunden lauern drauf. An den anderen Tagen beschickt Gleitze die Märkte in der Vahr und in Pusdorf, er kann also vergleichen und sagt: "Der Domshof ist gut für mein Geschäft, auch wenn es wegen der vielen Auflagen für die Händler generell nicht einfacher geworden ist."

Marktstände mit Obst und Gemüse in den vergangenen Jahrzehnten
Der Fischfachmann macht einen Vorschlag: "Feste Bauten auf dem Platz, das wäre für die Innenstadt eine echte Bereicherung." Nicht so wie auf dem Viktualienmarkt, nein, "schöner, viel schöner, in München sind die Buden ziemlich abgerockt". Der Markt könnte dann bis in den Abend hinein geöffnet bleiben, mit Essensangeboten und allem. "Ich würde so einen Pavillon mieten, ganz oder zur Hälfte, als Lager könnte man den Bunker unterm Domshof nehmen."
Gleitze ist seit mehr als 30 Jahren dabei, seine Familie macht das in der dritten Generation. Nicht einfach, sagt er: "Wenn ich krank bin, ist das Geschäft krank." Halb vier morgens aufstehen, und Arbeit bis zum Abend: "Der Großmarkt gibt mir den Platz und Strom, für alles andere bin ich selbst verantwortlich." Ein harter Job, für den er kaum Leute findet, sagt Gleitze. Und dann wird der Chef auch schon wieder in den Verkaufswagen gerufen. Sonderwünsche, da muss er ran.
Mani Khakpour
Mani Khakpour ist die gute Laune in Person. Er verkörpert den Süden, seine Ware ebenso: Antipasti aus der mediterranen Küche. Der Stand gehört seit mehr als 30 Jahren zu den Konstanten auf dem Wochenmarkt – sechs Tage, immer da. Das ist längst nicht bei allen Händlern so, viele kommen nach eigenem Gusto und nur dann, wenn es sich wirklich lohnt, freitags und sonnabends vor allem. Der Großmarkt schreibt niemandem vor, regelmäßig zu erscheinen. Warum eigentlich nicht?

Mani Khakpour
"Die Innenstadt ist tot ohne Wochenmarkt", sagt der 65-Jährige, "schauen Sie durch die Straßen, lauter leere Geschäfte." Umso trauriger, meint er, dass die Marktbeschicker von der Politik so wenig Unterstützung bekommen: "Wir werden wie Waisenkinder behandelt." Viel Zeit zum Reden hat der Händler nicht, er muss bedienen, will das auch, es macht ihm Spaß mit den Menschen: "Feinkost für feine Kunden."
Sven Bierfischer
Sven Bierfischer ist erst seit März auf dem Wochenmarkt. Er hat Obst im Angebot, Gemüse und Eingemachtes. Das meiste aus eigener Herstellung. "Meine Freundin betreibt einen Stand auf dem Delmemarkt in der Neustadt, dort habe ich mir das abgeguckt", erzählt der 28-Jährige – ein junger Mann, der mit Hoodie und Kappe bedient. Zu Hause in Sudwald betreiben die Bierfischers einen Hofladen, "der Marktstand ist unser zweites Standbein". Er baut ihn an drei Tagen auch in der Vahr auf, würde aber sofort wechseln: "Am liebsten wäre ich zusätzlich zum Domshof auf dem Findorff-Markt". Dort, wo die schönste Atmosphäre ist und das größte Angebot.

Sven Bierfischer
Nach einem halben Jahr auf dem Domshof zieht Bierfischer eine positive Bilanz: "Das passt, ein guter Markt." An diesem Tag, es ist ein Freitag, ist viel los. Nicht nur an dem Obst- und Gemüsestand, auch gegenüber, bei Köpcke. Die Menschen stehen Schlange, sie kaufen Äpfel aus dem Alten Land. Köpcke ist seit 40 Jahren auf dem Domshof.
Frances Pischel
Frances Pischel vertritt ihre Kolleginnen und Kollegen in den Gesprächen mit der Stadt – wenn es sie denn gibt: "Oft wollen die gar nicht mit uns reden." Die Entscheidung zum Beispiel, im vergangenen Jahr mitten auf den Domshof, also auch mitten auf dem Wochenmarkt, für Veranstaltungen ein großes Gerüst aufzubauen, sei gar nicht erst diskutiert worden: "Das haben die einfach gemacht."

Frances Pischel
Die Pischels sind in der vierten Generation auf dem Wochenmarkt. Was sich verändert hat? "Alles", sagt die Chefin. Viele Kunden seien mit ihren Unternehmen in die Überseestadt abgewandert. Ein weiteres Problem sei die Anbindung der Bremer City: "Zu uns kommen viele ältere Leute, die benutzen das Auto, wissen aber schon gar nicht mehr, welche Strecken sie fahren sollen, um zum Domshof zu gelangen." Ihr selbst gehe es mit dem Lastwagen auch nicht viel anders. Gutes Stichwort: "Wir brauchen den Wagen direkt am Stand – Salate, Erdbeeren, das alles muss im Sommer gekühlt werden, damit wir es frisch anbieten können."
Frances Pischel ist 31 Jahre alt und seit ihrer Kindheit mit dem Markt auf dem Domshof verbändelt. "Ich bin da reingewachsen, und nur so geht es noch. Bei Händlern, die als Nachfolger keine Kinder haben, stirbt das Geschäft irgendwann, es rückt niemand nach." Frühmorgens aufstehen, zehn Stunden Arbeit: "Das macht keiner mehr, wenn er nicht zur Familie gehört."
Georg Meyerdierks alias Schorse
Eines der Originale auf dem Domshof war lange Zeit Georg Meyerdierks, den alle nur Schorse nannten. Er sah alles und kannte alle, lugte aus seiner Fischkombüse und räsonierte über die Weltlage. Nun sitzt er seit einigen Jahren zu Hause. "Jeder wollte damals auf den Domshof", erinnert sich der 72-Jährige, "es wurde alles Mögliche verhökert, auch lebendes Geflügel." Einen besonderen Zusammenhalt habe es unter den Händlern nicht gegeben: "Man gönnte sich nicht das Schwarze unter den Fingernägeln."

Georg Meyerdierks von „Schorses Fischkombüse"
Schorse, ein Trumm von Mann mit Bart im Gesicht, trug immer ein Fischerhemd, wenn er seine Ware verkauft hat. Die ganze Erscheinung – wie geschaffen für die Touristen, eine Inszenierung: "Viele haben tatsächlich gedacht, dass ich Fischer bin." Der frittierte Backfisch ging gut, Matjes auch, als Beilage gab's Kartoffelsalat oder Bratkartoffeln. Lange her, Schorse ist Rentner, Domshof adé.

Marktfrau verkauft Bohnen an eine Kundin auf dem Markt. Aus dem Jahr 1957.