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Die vier größten Sorgen Deutsches Schifffahrtsmuseum bangt um seine Zukunft

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum steht vor ungewisser Zukunft. Teile des Gebäudes sind eine Baustelle, die Schiffe im Museumshafen müssten gepflegt werden. Wir blicken auf die vier größten Sorgen der Betreiber.
08.12.2021, 10:44 Uhr
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Deutsches Schifffahrtsmuseum bangt um seine Zukunft
Von Marc Hagedorn

Das ehemalige Feuerschiff hat schon bessere Tage gesehen. Der Rost nagt an der Elbe 3, und an vielen Stellen ist die Farbe abgeplatzt. Das Metallgitter, das den Zugang zum Schiff versperrt, rundet den tristen Gesamteindruck an diesem trüben Novembertag im Museumshafen ab. Thorsten Raschen mag fast gar nicht hinschauen. „Ein Trauerspiel“, sagt der CDU-Politiker, „wir haben hier so schöne Schiffe liegen, und man lässt sie einfach verrotten.“

Im Alten Hafen vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven: Hier wird maritime Geschichte erlebbar. Im Becken dümpeln die Seefalke, ein Hochseeschlepper, fast 100 Jahre alt, die Rau, ein Walfangdampfer von 1939, und die Emma, auch fast 100. Raschen kann sie alle aufzählen. Auch die Namen der Schiffe an Land auf dem Außengelände des Museums kennt er: die Paul Kossel mit dem Betonrumpf oder den „Wassertrecker“ Stier, wendig und kraftvoll wie das namensgebende Tier.

„Wer in Bremerhaven groß wird, kennt das hier alles“, sagt Raschen und weist einmal in die Runde. Er selbst ist als Kind oft hier gewesen. Vielleicht trägt diese Bindung dazu bei, dass er besonders deutlich ist in seiner Kritik an den Zuständen. Vor gut zwei Jahren ist an dieser Stelle die Seute Deern gesunken. „Nicht ohne Grund“, sagt Raschen, „es hat sich niemand dort drüben um sie gekümmert.“

„Dort drüben“ sitzt die Direktion des Deutschen Schifffahrtsmuseums. Hier arbeiten Wissenschaftler, es wird geforscht und ausgestellt. Sunhild Kleingärtner führt das Haus seit acht Jahren. Die Professorin für Archäologie muss mehrere drängende Probleme lösen. Es fehlt nicht nur an Geld für den Museumshafen. Es ist auch unklar, woher die geschätzten 40 bis 50 Millionen Euro für die Sanierung der beiden Museumsgebäude kommen sollen.

Und schließlich rückt das Jahr 2024 näher. Dann entscheidet sich, ob das Schifffahrtsmuseum als eine von 95 Einrichtungen bundesweit Mitglied der renommierten Leibniz-Gemeinschaft bleibt. Die Frage ist von existenzieller Bedeutung: Das Museum erhält 85 Prozent seines Etats aus dem Wissenschaftshaushalt des Bundes. Der Rest sind kommunale Mittel. 

Der Museumshafen

So interessant es ist, Harpunenkanone und Dampfhammer, die Schiffe und Krähne, Schiffsschrauben und Schornsteine den Besuchern buchstäblich begreifbar zu machen. „Wir können die Sanierung und Instandhaltung des Museumshafens nicht aus den Bund-Länder-Mitteln finanzieren“, sagt Direktorin Kleingärtner, „sie werden uns zweckgebunden für die Forschung und für die Ausstellungen zur Verfügung gestellt.“ Das habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung „als Zuwendungsgeber unmissverständlich“ klargestellt.

Die größten Brocken seien dabei nicht die täglichen Kosten für Aufsichtspersonal, Strom oder Reinigung. Teuer seien vor allem notwendige Sanierungsmaßnahmen. „So ein Schiff muss alle paar Jahre ins Dock, um den Rumpf zu reinigen, ihn zu streichen und Rostschäden vorzubeugen“, sagt Kleingärtner, „allein die Kosten dafür erreichen schnell eine sechsstellige Höhe. So ein Museumshafen ist keine Porzellansammlung, die man ohne großen Erhaltungsaufwand in einer Vitrine ausstellt.“ Kleingärtner sieht die Verantwortung bei der Politik vor Ort. „Die Schiffe und andere Teile des Museumshafens sind Teil des Stiftungsvermögens, zu dessen Erhalt sich Bremen und Bremerhaven als Stifter verpflichtet haben“, sagt sie.

Tatsächlich hat die Politik reagiert. Anfang des Jahres hat sie eine sogenannte Task Force Maritim eingesetzt. Sie ist bei der Bremerhavener Beschäftigungsgesellschaft Unterweser angesiedelt. Eine ihrer Aufgaben ist die Pflege, Wartung und Verschönerung der Schiffe im Museumshafen. Ein Team aus Langzeitarbeitslosen hat seitdem den Walfangdampfer Rau auf Vordermann gebracht. Und auch für die Elbe 3 gibt es gute Nachrichten. Der Bund hat 1,1 Millionen Euro für die Sanierung bewilligt. Dazu soll in den nächsten Jahren die Najade, ein Segelschiff aus Stahl, als Ersatz für die Seute Deern kommen. 46 Millionen Euro stellt der Bund dafür zur Verfügung.

Die Bauarbeiten

Das denkmalgeschützte Hauptgebäude von 1975, der Scharoun-Bau, benannt nach dem bedeutenden Bremerhavener Architekten Hans Scharoun, ist in die Jahre gekommen. Auch der benachbarte und deutlich jüngere Bangert-Bau sollte modernisiert werden, allerdings ursprünglich nur in kleinem Rahmen. Doch dann stellte sich während der Arbeiten heraus, dass der Bau grundsaniert werden muss. Die ursprünglich verplanten 42 Millionen Euro reichen dafür vorne und hinten nicht aus, und im Moment weiß niemand, woher das fehlende Geld kommen soll und wann das Museum wieder komplett öffnen kann. Erklärtes Ziel ist, dass der Bangert-Bau mit neuer Dauerausstellung 2024 fertig sein soll sein.

Noch in diesem Winter soll es trotz der Bauarbeiten zwei neue Ausstellungen geben. Sie heißen „Into the Ice“ und „Change now“. „Into the Ice“ zeigt Fotografien von der spektakulären Mosaic-Expedition im Herbst 2019 in die Antarktis. Sechs renommierte Fotografen haben an Bord der Polarstern ein Jahr lang das Leben und Forschen der Wissenschaftler im Eis in Bildern festgehalten. Die Ausstellung „Change now“ will zeigen, wie Schiffe die Welt verändern. Beide Ausstellungen sollen bis zum 31. Juli 2022 laufen.

Die Besucherzahlen

Sie sind in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen; von 103.000 auf 64.000 im Jahr 2019 wegen der Teilschließung von Ausstellungsflächen und auf 53.000 im Jahr 2020, wofür auch Corona gesorgt hat. Und es hätte noch schlimmer kommen können, wenn nicht Ausstellungen wie „360 Grad Polarstern“ oder „Playmobil trifft Kogge“ so gut angekommen wären.

Kritiker werfen dem Deutschen Schifffahrtsmuseum vor, zu sehr Forschungsinstitut und zu wenig Museum zu sein, gerade im Vergleich zu den Publikumsmagneten Auswandererhaus und Klimahaus in der Nachbarschaft. Direktorin Kleingärtner sagt: „Geschichtsforschung ist bei uns kein Selbstzweck. Das Wort Forschungsmuseum beinhaltet beides. Museum und Forschung. Das Forschungsfeld Mensch und Meer und unsere Sammlung bieten jede Menge Stoff für interessante Ausstellungen. Das Problem sind unsere Gebäude, nicht unser Konzept.“

Die Überprüfung

In drei Meter hohen Buchstaben ist das Wort „Wandel“ an die Glasfront des Bangert-Baus geklebt. Der Wandel des Schifffahrtsmuseums ist ein langjähriger Prozess, über dessen Erfolg im Jahr 2024 entschieden wird. Dann überprüft eine sogenannte Evaluierungskommission, ob das Museum seine Ziele erreicht und ihre Aufträge erfüllt hat. Nur bei einem positiven Urteil bleibt das Haus im Verbund der Leibniz-Gemeinschaft, nur dann übernimmt der Bund weiterhin den Großteil des Etats. Chefkritiker Raschen sagt: „Da geht es um alles oder nichts.“

Umso mehr ärgert es ihn, dass die Direktorin im kommenden Jahr für vier Monate in die USA geht. Sie hat dort ein begehrtes Stipendium im Thomas-Mann-House in Los Angeles bekommen. Für die Wissenschaftlerin eine große Auszeichnung und aus ihrer Sicht ein wichtiger Beitrag dafür, den Status des Museums als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft zu festigen. „Ich muss mein ganzes Forschungs-Knowhow einsetzen, damit dieses Haus eine Chance hat, in der Leibniz-Gemeinschaft zu bleiben“, sagt sie. In die strategisch wichtigen Fragen, sagt sie selbst, sei sie auch während ihrer Zeit in den USA eingebunden.

CDU-Mann Thorsten Raschen hat da seine Zweifel. „Das Thomas-Mann-Fellowship in allen Ehren“, sagt er, „aber Frau Kleingärtner wird hier gebraucht. Hier in Bremerhaven entscheidet sich die Zukunft des Hauses.“

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