Ruth Schilling steht in der Kogge-Halle des Deutschen Schifffahrtsmuseums, hinter ihr die Überreste der Bremer Kogge, über 600 Jahre alt und Herzstück des Hauses. Schilling wird an diesem Tag als neue Direktorin vorgestellt. Als sie 2014 ihren Dienst als Junior-Professorin hier angetreten hatte, war vieles Baustelle. Teile der damaligen Ausstellung, erinnert sie sich, seien noch aus den 80er-Jahren gewesen.
Heute, acht Jahre später, ist das Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven wieder eine Baustelle. Buchstäblich, denn die beiden Hauptgebäude sind marode, das Geld ist knapp. Und auch sonst gibt es viel zu tun. Immerhin eine zentrale Frage ist jetzt geklärt und eine Nachfolgerin für Sunhild Kleingärtner gefunden, die Ende des Jahres überraschend gekündigt hatte.
Zunächst bis zum 30. Juni läuft Schillings Vertrag. „Das ist für beide Seiten gut“, sagt sie. Denn bis dahin wissen Haus und Interimschefin, auf was sie sich eingelassen haben. Nicht ausgeschlossen, dass Schilling danach weitermacht. Im Moment, sagt sie, sei dies aber nicht ihr Thema.
Es gibt andere drängende Fragen. Wie geht es mit den Schiffen im Museumshafen vor der Haustür weiter? Ein Teil der Flotte dümpelt vor sich hin. Übersteht das Schifffahrtsmuseum 2024 die sogenannte Evaluierung? Dann entscheidet sich, ob das Haus eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft in Deutschland bleibt. Die Frage ist existenziell, denn der Bund kommt für 85 Prozent des Budgets auf. Und schließlich: Wie gewinnt man die Besucher zurück? Nur noch knapp 24.000 wollten die Ausstellungen im vergangenen Jahr sehen. Vor Corona und vor Beginn der Renovierungsmaßnahmen waren es noch über 100.000 gewesen.
Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt als Direktorin wird Schilling flankiert von Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD), weder verwandt noch verschwägert, und von Lars Kröger, Projektleiter für den Museumshafen. Und das Trio hat gute Nachrichten. Bremerhaven und das Land Bremen wollen für dieses und nächstes Jahr 600.000 Euro zur Instandhaltung der Museumsschiffe zur Verfügung stellen. „Damit können wir anfangen, den Sanierungsstau abzuarbeiten“, sagt Kröger. Der Walfänger "Rau IX" kann nun ins Dock, genau wie der Binnenschlepper "Helmut". Für das ehemalige Feuerschiff "Elbe 3" hat der Bund kürzlich 1,1 Millionen Euro gegeben. Auch die "Elbe 3" kommt ins Dock.
Die Schiffe sollen aber nicht nur restauriert werden. Sie sollen auch inhaltlich stärker in die Museumsarbeit eingebunden werden, die "Rau IX" etwa in die neue Dauerausstellung ab 2024 zum Thema Walfang. Auf diese Weise, so die Hoffnung, ließen sich künftig vielleicht doch Fördermittel vom Bund gewinnen, der bisher nichts für die Museumsschiffe gibt.
Bei der Renovierung der beiden Hauptgebäude hat der sogenannte Bangert-Bau Vorrang. Im Sommer sollen die Sanierungsarbeiten wieder aufgenommen werden und bis Sommer 2023 abgeschlossen sein, damit dann die neue Dauerausstellung aufgebaut werden kann, 2024 Kernstück der Evaluierung.
Und auch neue Ausstellungen wird es geben. Den Anfang machen in gut drei Wochen Fotos von der Mosaic-Expedition 2019 in die Arktis. Parallel will die Ausstellung „Change now“ zeigen, wie Schiffe die Welt verändern. Für den Sommer und das nächste Jahr sind weitere Ausstellungen konzipiert. „Die Schublade ist voller fertiger Konzepte“, sagt Schilling. Sie wirkt, als habe sie große Lust, auch diese als Direktorin umzusetzen.