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Schifffahrtsmuseum wird 50 Nach der großen Krise: „Ziel sind jedes Jahr 10.000 Besucher mehr“

Hinter dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven liegen unruhige Zeiten. Zum 50. Geburtstag spricht Direktorin Ruth Schilling über fehlende Millionen, Dauerbaustellen und das Potenzial des Hauses.
04.09.2025, 05:00 Uhr
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Nach der großen Krise: „Ziel sind jedes Jahr 10.000 Besucher mehr“
Von Marc Hagedorn

Frau Schilling, Sie sind vor gut dreieinhalb Jahren in sehr turbulenten Zeiten Direktorin des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) geworden. Wie sicher waren Sie sich damals, dass Ihr Haus den 50. Geburtstag noch feiern wird, der an diesem Freitag ansteht?

Ruth Schilling: Ich war mir sehr sicher.

Das überrascht, wenn man die damaligen Umstände kennt. Ihre heftig kritisierte Vorgängerin war gegangen. Die Finanzierung nötiger Baumaßnahmen war nicht gesichert, und für den Unterhalt der Schiffe im Museumshafen war kein Geld da.

Ich weiß, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung oft eine eigene Dynamik entwickelt. Das ist dann ein bisschen wie in der Schule: Wenn man dort erst einmal in der Ecke steht als schlechter Schüler, dann kommt man aus der Rolle leider nur schwer wieder raus. Aber wenn man ehrlich ist, standen wir damals schon gar nicht so schlecht da.

Worauf fußte Ihr Optimismus?

Auf den guten Ideen und Konzepten, die wir zu der Zeit schon entwickelt hatten. Wir stehen als Schifffahrtsmuseum ja nicht allein vor einem Wandel. Das geht auch anderen Museen so. Wir wollen mit unseren Ausstellungen weg von einem rein technischen und sehr schiffsbezogenen Ansatz hin zu Themen, die junge Menschen und Familien heute in hohem Maße umtreiben.

Welche Themen sind das?

Da geht es um Fragen wie: In welcher Weltordnung leben wir? Unter welchen klimatischen Bedingungen? Wie stellt sich die Bundesrepublik militärisch auf? Diese Themen sind alle mit Schifffahrt verknüpfbar. Deshalb war ich zu keiner Zeit verlegen, wenn ich darauf antworten sollte, wie wir uns die Zukunft unseres Hauses vorstellen.

Das DSM besteht aus zwei großen Gebäudekomplexen, dem älteren, dem sogenannten Scharoun-Bau, benannt nach dem berühmten Architekten Hans Scharoun, und dem Bangert-Komplex. Der Scharoun-Bau ist immer noch Baustelle. Wie lange noch?

Ich kann leider kein Eröffnungsdatum für den Scharoun-Bau nennen. Was ich aber sagen kann: Wir brauchen diesen Bau! Ich weiß natürlich, dass nicht nur in Bremen, sondern überall in der Bundesrepublik gerade in ganz anderen Zusammenhängen über Geld geredet wird. Das beschäftigt mich als Bürgerin auch. Als Museumsleiterin muss ich allerdings darauf hinweisen, dass der Scharoun-Bau für unsere inhaltliche Arbeit, aber auch infrastrukturell unverzichtbar ist.

Es passiert im Scharoun-Bau aktuell aber nicht viel, oder?

Im Moment spielen wir dort nur Hausmeister. Der Mittelteil des DSM steht zurzeit wie ein hohler Zahn da. Wir können erst etwas machen, wenn die Finanzierung gesichert ist. Der Bau zeigt aber schon jetzt sein Potenzial. Das Dach ist modernisiert, und die alten Lichtöffnungen sind wieder frei. Man sieht, was für ein fantastisches Gebäude das ist.

Der Umbau soll 38 Millionen Euro kosten. Woher soll das Geld kommen?

Wir stehen mit dem Bund, dem Land und der Stadt in einem sehr regen Austausch, gesichert ist bisher aber leider nichts. Unsere Aufgabe ist es, die Planungsgrundlagen und unsere Ideen deutlich zu machen, und da haben wir in den vergangenen Monaten buchstäblich mehrere Runden durch das Gebäude gedreht und Konzepte vorgestellt.

Was erwarten Sie von der Politik?

Das Museum ist eine Stiftung. Es wird geleitet vom Stiftungsrat mit einer starken Bundesbeteiligung, aber auch unter Beteiligung vom Land und von der Stadt. Alle drei Player müssten meiner Meinung nach sehr klar zum Ausdruck bringen, dass sie so ein Haus brauchen und wollen. Das kann man immer schön sagen, aber wichtiger wäre es, Nägel mit Köpfen zu machen, Verpflichtungen einzugehen und verbindliche Zusagen zu geben.

Fertig ist seit einem Jahr der Bangert-Bau mit der Dauerausstellung „Schiffswelten – Der Ozean und wir“. Wie ist die Ausstellung angelaufen?

Sie ist sehr gut angelaufen. In den ersten drei Monaten hatte sich die Zahl der Museumsbesucher verdoppelt bis verdreifacht. Wir hatten jetzt zur SAIL an drei Tagen 7000 Besucher im Haus, eine erstaunliche Zahl. Die Resonanz bei Kindern, Jugendlichen und jungen Familien, aber auch beim Fachpublikum ist ausgesprochen gut. Ich bekomme von unserem älteren Stammpublikum manchmal nostalgische Rückmeldungen, weil die Erwartung ist, dass man die alten Objekte und Themen zu sehen bekommt. Wir wollen die alten Ausstellungen aber nicht wieder aufbauen, sondern das Thema Schiffe mit den großen Themen der Zeit verknüpfen.

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Nach Corona waren die Zahlen von einst über 100.000 Besuchern drastisch eingebrochen. Wie realistisch sind 100.000 Gäste in Zukunft?

Man muss da differenzieren. 100.000 Besucher hatten wir, bevor das Haus teilweise geschlossen und leergeräumt wurde. Wir lagen 2019 noch bei rund 60.000 Besuchern, danach hatte für lange Zeit nur noch die Kogge-Halle auf. Unser Ziel ist es jetzt, stetig zu wachsen. Unsere Marke für dieses Jahr sind 60.000 Besucher, und die werden wir, wie es aussieht, auch knacken. Und dann wollen wir jedes Jahr um die 10.000 Besucher mehr haben. Den wirklichen Durchbruch schaffen wir aber erst, wenn der Scharoun-Bau fertig ist.

Ein Dauerbrenner ist der Museumshafen. Für den Unterhalt der alten Schiffe dort fehlt regelmäßig Geld. Wie sieht es aktuell aus?

Wir bekommen inzwischen jedes Jahr 400.000 Euro vom Land und 200.000 Euro von der Stadt, und dafür bin ich sehr dankbar. Das ermöglicht es uns, den Museumshafen, übrigens den ältesten seiner Art in Deutschland, zu erhalten. Wir bezahlen Personal, die Aufsichten auf den Schiffen und kleinere Sanierungs- und Wartungsarbeiten. Das Geld ermöglicht es uns auch, Eigenmittel bei Drittmittelbeantragungen einzusetzen. Aber die 600.000 Euro reichen vorne und hinten nicht aus, wenn man größere Projekte durchführt, wie etwa die Sanierung des sogenannten Halbportalkrans. Dafür brauchen wir Sondermittel und haben in diesem Fall dankenswerterweise ja auch 50.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bekommen.

Wie es aussieht, soll die „Najade“ für rund 46 Millionen Euro aus Steuergeldern trotz Kritik weiterhin als Nachfolgerin für die gesunkene „Seute Deern“ gebaut werden. Nach Vorstellung des Magistrats soll sich das DSM um die Unterhaltung der „Najade“ kümmern. Wie sehr freuen Sie sich auf das Schiff?

Bevor ich mich darauf freue oder auch nicht freue, gibt es noch ein paar Fragen zu klären. Die erste Frage, die mich umtreibt, ist eine inhaltliche. Bremerhaven ist eine Stadt der Schiffe. Wenn ich in Bremerhaven unterwegs bin und mit Leuten rede, ist mir allerdings noch niemand begegnet, der wirklich begeistert über dieses Projekt gesprochen hat. Eigentlich müsste so ein Schiff, wenn es tatsächlich ein Wahrzeichen werden sollte, die Menschen doch elektrisieren. Ich bin mir bei der „Najade“ nicht sicher, dass sie das tut.

Und der zweite Aspekt?

Es muss geklärt sein, wer das Ganze jährlich bezahlt. Auf die 600.000 Euro, die wir jetzt bekommen, müsste noch einmal ein ganz beträchtlicher Betrag oben draufgelegt werden. Woher der kommen soll, erschließt sich für mich heute noch nicht.

Das DSM ist ein Forschungsmuseum der Leibnizgemeinschaft, die den Etat Ihres Hauses zu 85 Prozent abdeckt. Dafür wird jedes Mitglied in dem Verbund regelmäßig überprüft und zertifiziert. Im vergangenen November hat das DSM die Zusage bekommen, bis 2028 weiterhin zum Verbund zu gehören. Wie wichtig ist es, abgesehen vom finanziellen Aspekt, Teil der Leibnizgemeinschaft zu sein?

Wenn wir nicht mehr Teil davon wären, würde das eine fatale Botschaft senden, nämlich dass die Bundesrepublik Deutschland glaubt, dass ihre Geschichte mit dem Ozean überregional nicht bedeutsam ist. Es würde der Ort fehlen, wo historisch bedeutsame Hinterlassenschaften gesammelt werden, so wie es jetzt in unserem Depot und mit der Bibliothek der Fall ist.

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Zum Abschluss unser Geburtstagsgeschenk an das DSM, ein bisschen Platz für Werbung: Warum sollten Besucher zu Ihnen ins Museum kommen?

Sie sollten kommen, weil sie immer wieder Überraschungen erleben können mit ganz tollen Exponaten. Schiffe sind wie Wundertüten, sie laden zum Träumen ein, sie prägen unsere Welt. Bei uns kann man sich wie ein Seemann oder eine Seefrau fühlen. Wir eröffnen neue Perspektiven. Nächstes Jahr wollen wir uns das Thema Tiere an Bord und Biodiversität vornehmen. 2027 wollen wir über Schiffe als schwimmende Heimat sprechen und 2028 die Antarktis in den Blick nehmen. Es lohnt sich, nicht nur einmal zu kommen, sondern immer wieder. Dafür haben wir unser aktuelles Angebot, dass Kinder und Jugendliche bis 18 freien Eintritt haben, verlängert. Das ist unser Geburtstagsgeschenk an die Bevölkerung.

Das Gespräch führte Marc Hagedorn.

Zur Person

Ruth Schilling (49)
ist seit dem 1. Januar 2024 geschäftsführende Direktorin des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) in Bremerhaven, vorher war sie es übergangsweise. Die promovierte Historikerin ist gleichzeitig Professorin an der Uni Bremen für „Maritime Geschichte“. Sie hat 2014 als wissenschaftliche Leiterin am DSM begonnen.

Zur Sache

Sonderausstellung ab Sonnabend
Seebären und Landratten, Bürger und Besucher – aus zwölf Schiffsmodellen, die zur Auswahl standen, haben mehr als 1200 Teilnehmer die fünf Exponate ausgesucht, die ab Sonnabend, 6. September, in der Sonderausstellung „Große Geschichten – kleine Schiffe“ im Deutschen Schifffahrtsmuseum gezeigt werden. Im Fundus des Deutschen Schifffahrtsmuseums lagern weit über Tausend Modelle, zur Schau gestellt werden jetzt der Seenotkreuzer der DGzRS, die „H.H.Meier“, der sogenannte Bananendampfer „MS Quadrivium“, die „Bremen V“, eines der ersten luxuriösen Kreuzfahrtschiffe, das spätere Segelschulschiff „Pamir“, das 1957 auf dramatische Weise sank, 80 Menschen kamen ums Leben, und die „Friedrich Wilhelm zu Pferde“, die als Kriegsschiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ im Dienst der brandenburgischen Marine im 17. Jahrhundert Geschichte schrieb. Die Ausstellung ist täglich ab 10 Uhr geöffnet.
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