Fast ein Jahr ist es her, dass vier Arbeiter auf einer Baustelle in der Neustadt zusammengeschlagen wurden. Die mutmaßlichen Täter wurden kurz darauf gefasst, im Dezember lag die Anklageschrift vor.
Sechs Männern soll wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht der Prozess gemacht werden. Doch wann dies geschieht, ist völlig offen. Gut möglich, dass nicht mehr in diesem Jahr, sondern erst 2015 verhandelt wird.
Am 8. August 2013 forderten Bauarbeiter am Hohentorspark vier junge Männer auf, den abgesperrten Teil einer Baustelle zu verlassen. Die Männer fügten sich, kamen aber schon wenig später mit einer rund 30-köpfigen Gruppe wieder und prügelten und traten auf die Bauarbeiter ein. Vier Arbeiter wurden bei dem Überfall verletzt, eines der Opfer trug eine lange Schnittwunde am Rücken davon, die ihm einer der Angreifer mit einem Messer zugefügt hatte.
Die Tat sorgte für großes Aufsehen in Bremen, auch weil die mutmaßlichen Täter einer arabischen Großfamilie zugeordnet wurden. Am Tag nach dem Überfall fand an der Baustelle eine Mahnwache statt, der Integrationsbeauftragte der Polizei wurde eingeschaltet, und es gab eine Versöhnungsaktion: Die Oberhäupter mehrerer arabischer Familien besuchten die Bauarbeiter, um bei Kaffee und Gebäck ein Zeichnen der Verständigung zu setzen. „Auch wir wollen nicht, dass unsere Kinder Verbrecher werden und im Gefängnis enden“, sagte damals einer von ihnen.
Messerstecher nicht ermittelt
Ob es soweit kommt, muss die Große Jugendkammer des Landgerichtes Bremen entscheiden. Dort sind sechs der mutmaßlichen Täter wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung angeklagt. Allerdings wird keinem der sechs Angeklagten die Messerattacke zur Last gelegt – für diesen Angriff konnte kein Täter ermittelt werden.
Dass der Prozess vor dem Landgericht stattfindet, liegt am Umfang des Verfahrens und nicht etwa am erwarteten hohen Strafmaß, sagt Frank Passage, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es sei kein versuchtes Tötungsdelikt angeklagt, sondern „nur“ gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Die Zuständigkeit der Jugendkammer erklärt sich aus dem Alter zweier Angeklagter. Einer war damals 16 Jahre alt, gilt somit als Jugendlicher, ein anderer war 18 und damit Heranwachsender.
Die Polizei hatte die mutmaßlichen Täter aufgrund von Zeugenaussagen schon wenige Tage nach dem Überfall ermittelt, die Anklageschrift der Bremer Staatsanwaltschaft datiert vom 19. Dezember 2013. Doch ein Prozesstermin ist nach wie vor nicht in Sicht.
Die Große Jugendkammer sei mit einer Vielzahl von Haftsachen völlig überlastet, erklärt Helmut Kellermann, Sprecher des Landgerichts. Bei Haftsachen geht es um Fälle, bei denen die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen. Sie sind vorrangig zu verhandeln. Und wenn diese Fälle abgearbeitet sind, müsse der zuständige Richter die verbliebenen offenen Verfahren erst noch nach deren Bedeutung bewerten, sagt Richter Kellermann. Ob der Prozess gegen die sechs Angeklagten noch in diesem Jahr stattfinden wird, könne er daher nicht sagen. „Das kann auch 2015 werden.“
In jedem Fall wird es ein umfangreicher Prozess: Keiner der Angeklagten ist geständig, und es gibt nicht weniger als 71 Zeugen.