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Verdienstausfall wegen Coronavirus Die finanziellen Folgen für Bremer Freiberufler

Freiberufler trifft das Coronavirus hart. Wegen fehlender Aufträge brechen ihnen die Einnahmen weg. Sechs von ihnen erzählen von ihren Sorgen.
18.03.2020, 09:00 Uhr
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Die finanziellen Folgen für Bremer Freiberufler
Von Imke Wrage

Für Freiberufler, Selbständige und Kleingewerbe, für Kulturtreibende und Veranstalter wird die kommende Zeit besonders hart. Viele Aufträge und Auftritte wurden wegen des Coronavirus kurzfristig abgesagt. Wann neue kommen, ist nicht klar. Von der Politik fühlen sich viele allein gelassen. Eine Petition fordert nun, auch für Freischaffende Unterstützung sicherzustellen. Wir haben mit sechs Bremerinnen und Bremern gesprochen, die um ihre Einkünfte bangen.

Stephanie Schadeweg, 42, Schauspielerin

„Als Schauspielerin habe ich sogenannte Stückeverträge. Ich werde also pro Theaterstück bezahlt, je nachdem, wie viele Proben und Vorstellungen geplant sind. Gerade fallen alle Vorstellungen aus. Ob sie später nachgeholt werden oder dann überhaupt noch gespielt werden, ist unklar. Das macht mir Angst. Bis zum Ende der laufenden Spielzeit war ich eigentlich finanziell abgesichert. Stattdessen muss ich mich nun vermutlich arbeitslos melden. Ich hab schon gegoogelt, wie das beim Arbeitsamt jetzt überhaupt läuft, ob man da persönlich erscheinen muss oder anrufen. Ich muss die nötigen Unterlagen organisieren, mich selbst sortieren. So viele Fragen. In meinem Kopf rattert es.“

Daniel Serrano, 28, freier Journalist

„Die Lage ist scheiße. Am Sonntag hätte ich eigentlich eine Schicht in der Heldenbar gehabt. Mein Chef hat d ann spontan abgesagt – war einfach zu wenig los, es lohnte dann nicht. Meistens mache ich sechs Schichten im Monat. Nun ist alles dicht. Zusätzlich arbeite ich als freier Journalist für den Radiosender Cosmo. Um die 1000 Euro bekomme ich mit beiden Jobs im Monat zusammen, um mir mein Studium und den Lebensunterhalt zu finanzieren. Als freier Journalist bin ich von anderen abhängig. Meine Aufträge fallen jetzt flach. Ich habe ein bisschen was gespart, aber lange hält das nicht. Gestern habe ich mit meiner Mutter in Kolumbien telefoniert. Wenn das Geld sehr knapp wird, hat sie vorgeschlagen, soll ich erst mal zurück nach Kolumbien kommen. Es ist alles so kompliziert. Ich mache mir Sorgen: Was kommt als nächstes?“

Linda Oelmann, 36, DJ

„Ich verdiene mein Geld als DJ unter dem Pseudonym Lady Oelectric und als Barkeeperin. Am letzten Freitag hätte ich eigentlich eine Performance in Berlin, an diesem Donnerstag einen Auftritt in der Schwankhalle gehabt. Beide wurden gestrichen. Zusätzlich arbeite ich in einer Bar, auch dort muss ich auf Schichten verzichten. Zum Glück habe ich zurzeit ein bisschen Geld auf der hohen Kante, muss mir also nicht sofort Sorgen machen. Ein bis zwei Monate komme ich damit durch. Verschärft sich die Lage aber weiter und bleiben die Clubs und Bars länger geschlossen, bin ich im Dispo. Um gemütlich zu leben, brauche ich im Monat um die 1200 Euro, auch 1000 gehen noch. Ich habe schon überlegt, den Vermieter zu fragen, ob ich meine Miete stunden kann. Zur Not muss ich meine Eltern bitten, mir Geld zu leihen. Oder mich beim Jobcenter melden. Aber die werden jetzt vermutlich völlig überrannt.“

Günter Orendi, 67, Musiklehrer

„Ich arbeite seit 2005 an der Musikschule Bremen. Ich unterrichte dort Schlagzeug, bin Honorarkraft in Teilzeit, habe 21 Schüler, verteilt auf drei Tage. Seit Montag ist die Schule komplett geschlossen, voraussichtlich bis Ende der Osterferien. Meine Kollegen und ich wissen nicht, ob die Schule vielleicht sogar noch länger zu ist, bis wann wir warten müssen. Als Musikschullehrer bin ich auf die Räume dort angewiesen, Zuhause kann ich die Schüler nicht unterrichten. Ich habe mich erkundigt, ob wir als Selbstständige ein Ausfallhonorar bekommen. Das scheint aber nicht vorgesehen, “persönliches Risiko„ heißt es. Wir fühlen uns allein gelassen: Wir kennen unsere Rechte nicht, bekommen keine Informationen, wie es für uns jetzt weitergeht. Ich bin eigentlich Rentner, muss aber weiter arbeiten, weil meine Rente nicht reicht. Ich fürchte, dass ich im kommenden Monat kein Einkommen habe. Wovon soll ich jetzt leben?“

Andreas Friedrich, 24, Inhaber der Drittel-Bar

„Zusammen mit Lucas Konradt habe ich im November 2018 die Drittel-Bar eröffnet. Wir studieren noch, machen die Bar nebenbei. Schon bevor der Senat beschlossen hat, dass alle Bars ab sofort geschlossen sind, haben wir dicht gemacht – aus Solidarität und Verantwortung. Für uns ist das nicht einfach, für Künstlerinnen und Künstler, die eigentlich bei uns aufgetreten wären und Gage bekommen hätten, auch nicht. Mitarbeiter können wir jetzt erst mal nicht mehr beschäftigen. Die Fixkosten müssen wir weiter bezahlen. Anderen Restaurants und Bars in Bremen geht es viel schlechter als uns. Trotzdem: Finanziell wird sich das krass bemerkbar machen. Durchgerechnet haben wir das noch nicht. Ich will gar nicht an das Worst-Case-Szenario denken, aber müssen wir jetzt wohl. Lange können wir das nicht stemmen. Wir hoffen auf die Unterstützung und Solidarität unserer Gäste, wenn die Krise irgendwann vorbei ist.“

Paola de la Rosa, 48, Sprachlehrerin an der VHS

„Seit 16 Jahren arbeite ich als Honorarkraft an der Volkshochschule, habe mit Spanischkursen angefangen, seit 2016 gebe ich auch Deutsch- und Französischkurse. Als zweites Standbein bin ich studierte Übersetzerin. Die VHS ist dicht. Jetzt kann ich nur hoffen, dass ich viele Aufträge als Übersetzerin bekomme, damit ich diesen Monat überhaupt noch etwas verdiene. Ich bin kein Mensch, der leicht in Panik verfällt. Aber holt mich die Realität ein. Ich mache mir Sorgen. Viele meiner Kollegen an der VHS wissen schon jetzt nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollen. Ob es Ausfallhonorare gibt, ist nicht klar. Als Selbstständige stehen wir immer an letzter Stelle, müssen hinterherrennen, sonst denkt niemand an uns. Dabei geht es doch um unsere Existenz!“

Finanzressort sichert steuerliche Hilfe zu

Wie das Bremer Finanzressort am Montag mitteilte, sollen Unternehmen und Selbständige, die wegen des Coronavirus in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, zur Entlastung verschiedene steuerliche Hilfsangebote der Finanzämter nutzen können. Dazu gehören die Herabsetzung oder Aussetzung laufender Vorauszahlungen zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftssteuer auf Antrag, die Stundung fälliger Steuerzahlungen, der Erlass von Säumniszuschlägen sowie Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen. Ob und wie Selbstständige in aktuellen Notlagen unterstützt werden sollen, ist noch unklar.

In der Übersicht: Darlehen & Hilfen für Selbstständige

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