Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

BEK-Schriftführer im Interview Die Kirche schrumpft

Bremen. Renke Brahms, der bisherige Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), wird für eine weitere Amtszeit kandidieren. Was die BEK heute ausmacht, welche Probleme sie hat – darüber sprach Jürgen Hinrichs mit ihm.
26.02.2013, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste

Bremen. Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) wählt im März einen neuen Vorstand und ein neues Präsidium. Renke Brahms, der bisherige Schriftführer, wird für eine weitere Amtszeit kandidieren. Brigitte Boehme, die bisherige Präsidentin, hört aus Altersgründen auf. Über ihre Nachfolge ist noch nicht entschieden. Was die BEK heute ausmacht, welche Probleme sie hat – darüber sprach Jürgen Hinrichs mit Renke Brahms.

Herr Brahms, der Papst sind Sie nicht, auch kein evangelischer Bischof, obwohl Sie einer Landeskirche vorstehen.Renke Brahms:

Als Schriftführer, genau, eine Eigenart der Bremischen Evangelischen Kirche.

Ihre erste Amtszeit geht zu Ende, werden Sie wieder antreten?

Ja, ich stelle mich im März für weitere sechs Jahre zur Wahl.

Nervt Sie das eigentlich manchmal, dass Ihre Kirche in Bremen streng basisdemokratisch organisiert ist und Sie selbst im Grunde nicht mehr zu sagen haben als jeder Pastor in einer Kirchengemeinde?

Na ja, sagen wir so, das hat Vor- und Nachteile. Einerseits finde ich diese Verfassung großartig, weil wir immer wieder neu und offen in den Diskussionsprozess gehen.

Ein Beispiel...?

... ist die Debatte über die Gründung einer evangelischen Oberschule. Dafür haben wir uns ein ganzes Jahr Zeit genommen. Am Ende ist es zwar nicht so gekommen, wie ich mir das gewünscht habe, aber ich fand wichtig, dass so ausführlich darüber diskutiert wurde.

Sie waren für so eine Schule, was sprach dagegen?

Das Geld. Es gab viele bei uns, die haben gesagt, dass die Oberschule zu viel kosten würde und dies zulasten der Arbeit in den Gemeinden ginge. Ein anderes Argument war, dass die Schule, weil sie von den Eltern Schulgeld hätte nehmen müssen, die soziale Spaltung befördern könnte.

Die Basis hat entschieden, mit Mehrheit.

Eben nicht, die Mehrheit war für die Oberschule. Und das ist die andere Seite unserer besonderen Verfassung, Sie fragten ja, was mich daran nervt. Für alle unseren Entscheidungen benötigen wir nicht die einfache, sondern eine Dreifünftel-Mehrheit, und die hatten wir nicht. Das ist auf dem Hintergrund üblicher Mehrheitsentscheidungen problematisch. Es war ja kein Beschluss, der unsere Verfassung verändern sollte.

Lesen Sie auch

Die evangelische Kirche hat in Ihrer Amtszeit gestritten – aber sie hat auch gefeiert.

Sie spielen auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag an, der war für Bremen in der Tat etwas ganz Besonderes. Vieles, was wir danach auf den Weg gebracht haben, hängt mit unseren Erfahrungen mit dem Kirchentag zusammen. Es ist dieses Gefühl, dass wir auf einem langen Weg gemeinsam etwas geschafft haben. Und es sind die Projekte, die wir weiterführen. Zum Beispiel die Kooperation mit der Oldenburgischen Landeskirche bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

So es diese Kinder und Jugendlichen denn überhaupt gibt in Ihren Gemeinden. Die Zahl der Konfirmanden geht zurück.

Das beobachten wir, ja. Wenn schon die Eltern eine gewisse Distanz zur Kirche haben, setzt sich das bei den Kindern fort. Auch deshalb engagieren wir uns ja im Kindergartenbereich, weil wir dort mit Kindern und den Eltern in Kontakt kommen.

Hält der Trend an, dass Ihre Kirche an Mitgliedern verliert?

Ja, das ist leider so. Wir liegen heute bei rund 215000 Mitgliedern. Im Jahr 2000 waren es noch 50000 mehr.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Wird es weitere Fusionen geben?

Vor zwölf Jahren waren es 69 Gemeinden, heute sind es 61, da ist also schon einiges passiert. Auf lange Sicht werden wir aber sicher auch die ersten Gemeindehäuser und Kirchen auflösen müssen.

Woran, glauben Sie, liegt das, dass Ihr Kirchenvolk kleiner wird.

Das hat zum einen mit Demografie zu tun. Es sterben mehr Gemeindeglieder, als wir taufen können. Dann ist es aber sicher auch so, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig für unseren Glauben geworben haben. Viele in der Kirche scheuten davor zurück, weil sie nicht missionarisch wirken wollten. Das war negativ behaftet, und ich frage mich heute, warum eigentlich? Was ist dabei, wenn ich in einer natürlichen, fröhlichen, werbenden Art und damit in einem durchaus missionarischen Sinn von der Schönheit meines Glaubens rede?

Kirche und Glaube seien banal geworden, sagen Kritiker. Es fehle das Geheimnis, die Transzendenz. Die Kirche nur noch als Sozialverband mit Heiligenschein.

Ach wissen Sie, das sieht der eine so und die andere anders. Wir leben nun mal in einer extrem vielschichtigen Gesellschaft mit höchst unterschiedlichen Erwartungen, auch an die Kirche. Eines steht für mich aber fest: Wir sind nicht nur Wertelieferant für die Gesellschaft und engagieren uns sehr für eine gerechte Teilhabe aller in unserer Gesellschaft. Wir haben genauso mit der Gegenwart Gottes, mit der Transzendenz und dem persönlichen Glauben zu tun.

Wie wichtig sind dafür die äußeren Formen?

Ich bin in meinem Glauben eher liturgisch geprägt. Die Formen, Handlungen und Symbole drücken etwas aus, was ich mit bloßen Worten nicht ausdrücken kann. Nehmen Sie die Osternacht, die Zeremonie in den Gemeinden, wenn im Dunkel der Nacht eine einzelne Kerze in die Kirche getragen wird. Die Menschen singen, und nach und nach brennen immer mehr Kerzen. Da wird der Glaube sinnlich – schön.

Zur Person: Renke Brahms, 56, war 16 Jahre lang Pastor der Melanchthon-Gemeinde in Bremen. Seit sechs Jahren ist er Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)