Niemand, wirklich niemand, war für die Mauer. Die Grünen hatten zur Podiumsdiskussion geladen; die Frage lautete „Helenenstraße. Ohne Mauer wie im Zoo?“. Viele Zuhörer kamen – und votierten klar für eine Veränderung. Dieses Votum ist auch bei Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) angekommen, auch wenn er nicht am Diskussionsabend teilnehmen konnte. Mäurer will Bausenator Joachim Lohse (Grüne) bitten, den Abriss der Mauer kurzfristig zu veranlassen. „Dieses Schreiben geht heute raus“, sagte Mäurer dem WESER-KURIER.
Es geht dabei um den gemauerten Teil gleich am Eingang zur Helenenstraße, Bremens Rotlichtmeile. Die beiden beweglichen Sichtschutzwände dahinter sind zunächst nicht betroffen. Diese Wände umzugestalten und schrittweise zu öffnen – darüber lasse sich aber reden, sagte die Sprecherin des Innensenators, Rose Gerdts-Schiffler.
Eine Hoffnung ist, dass mit dem Wegfall der Mauer dieser Teil des Steintors ein bisschen sicherer wird. Der Mauerfall allein werde das allerdings nicht leisten können, das weiß auch Ulrich Mäurer. „Das ist für uns nicht der Abschluss der Maßnahmen“, so der Innensenator.
Mehr Licht in der Helenenstraße, die Aufmerksamkeit der Nachbarn, Polizeipräsenz und auch verwaltungstechnische Maßnahmen wie eine Kontrolle anliegender Kioske gehörten mit zum Maßnahmenbündel, erklärte Polizeipräsident Lutz Müller während der Podiumsdiskussion. Auslöser für die erhöhte Aktivität der Polizei ist der starke Anstieg der Kriminalität rund um Ziegenmarkt und Helenenstraße. Dass es im Viertel immer mal wieder Spitzen gebe, sei nicht ungewöhnlich, so Lutz Müller. „Wir hatten allerdings selten eine so hohe Zuspitzung auf so kleinem Raum." Die Mauer biete Tätern dabei Schutz.
Bedrohung, Raub und Körperverletzung sowie Drogenhandel sind die Taten, die am häufigsten registriert werden, allein 400 in diesem Jahr. Müller geht davon aus, dass viele Taten der Polizei gar nicht gemeldet würden. Freier beispielsweise gehen eher nicht zur Polizei, weil es ihnen peinlich ist, sich als Freier outen zu müssen.
Dass auch Freier zum Opfer von Raubüberfällen und anderen Taten werden, bestätigte Bea Augustin vom Verein Nitribitt, der die Interessen von Sexarbeiterinnen vertritt. Sie habe mit einigen Prostituierten über die Mauer gesprochen, erzählte Augustin während der Podiumsdiskussion. Elf von 20 Frauen sei egal, ob die Mauer verschwindet. Was sich die Frauen dagegen wünschen, sei mehr Polizeipräsenz. Das solle zwar nicht immer gleich der Mannschaftswagen sein, aber ein engerer Kontakt mit den Kontaktpolizisten oder Fußstreifen könne schon einiges zur Sicherheit beitragen, sagte Bea Augustin. Die Frauen hätten also kein Problem damit, dass die Straße geöffnet wird. Die Frage sei, ob die Gesellschaft bereit dazu ist. „Es ist die Gesellschaft, die mit dem Finger zeigt“, so Bea Augustin.
"Ich habe große Sympathien dafür, den Raum zu öffnen"
Nach dem Abriss müsse sich aber auch der Platz ändern. Darüber diskutierte der Beirat Östliche Vorstadt, kurz nachdem die Mauerfall-Pläne der Innenbehörde publik wurden. Städtebaulich müsse etwas getan werden, damit sich gestalterisch auch eine Verbesserung einstellt. „Ich habe große Sympathien dafür, den Raum zu öffnen“, sagte Beiratssprecher Steffen Eilers (Grüne), der auf dem Podium saß. Das gehe allerdings nur in Abstimmung unter anderem mit den Frauen, die dort arbeiten.
Mit dem Beirat soll es einen Runden Tisch geben, sagte Senator Mäurer dem WESER-KURIER. Dabei soll die Gesamtsituation besprochen werden, Thema ist also nicht ausschließlich die Sicherheit, sondern etwa auch der Müll, der dort täglich zum Problem wird. Laut Innensenator soll der Kontakt mit den Eigentümern der angrenzenden Häuser gesucht werden.
Zudem will die Innenbehörde die Umsetzung des neuen Prostituiertenschutzgesetzes begleiten, das in Bremen am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tritt – auch wenn eigentlich das Wirtschaftsressort zuständig ist. Das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“, so der offizielle Titel, schreibt eine Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen und eine Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe vor. So sollen unter anderem menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Geschäftskonzepte unterbunden werden.
Auch die Helenenstraße war immer wieder Ziel von Polizeiermittlungen zu Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die Umsetzung des neuen Rechts soll zu mehr Sicherheit beitragen.
Über die illegale Müllhalde hinter der Mauer lesen Sie mehr am Montag, 18. Dezember, im Stadtteilkurier Mitte, Östliche Vorstadt und Hastedt.