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Mein erstes Mal Die Vermittler

Julia Justus und Jasper Lange aus Bremen erzählen über ihre ersten Erfahrungen als Richter am Verwaltungsgericht.
12.09.2018, 11:14 Uhr
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Die Vermittler
Von Patrick Reichelt

Als die Zusage für die Stelle als Richter und Richterin auf Probe kam, war das natürlich ein schönes Gefühl, besonders, da es bei uns auf Anhieb mit der ersten Bewerbung geklappt hat. Die Ausbildung ist ziemlich lang und anstrengend. Wir haben beide 2015 unser Erstes Staatsexamen an der Uni in Bremen gemacht. Während des Studiums bemüht man sich, einen möglichst guten Abschluss zu machen, um sich später alle Türen offen halten zu können. Eine Zugangsvoraussetzung für die Tätigkeit als Richter sind nämlich gute Noten. Nach dem Studium haben wir im Referendariat zwei Jahre Praxiserfahrung gesammelt und dann das Zweite Staatsexamen abgelegt.

Nach der Einstellung hat es ein bisschen gedauert, etwa einige Wochen, dann war es soweit: Die erste Verhandlung stand an. Eine gewisse Aufregung war natürlich dabei, wir haben ja noch keine Routine, sie hielt sich bei uns beiden aber tatsächlich in Grenzen. Vorher noch einmal den Fall durchgehen, sich mit Kollegen besprechen, Gesetze nachschlagen – eine gute Vorbereitung ist wichtig. Beim Verwaltungsgericht ist man aber grundsätzlich nicht allein, es gilt das Kammerprinzip. Es entscheiden in der Regel drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter, ähnlich wie Schöffen beim Strafrecht.

Besonders bei mündlichen Verhandlungen ist man sich der Verantwortung und der großen Tragweite der Entscheidungen ständig bewusst, denn die Beteiligten sitzen direkt vor einem. Oft waren die Kläger noch nie in einem Gerichtssaal und wissen nicht, wann sie Fragen stellen dürfen und wie die genauen Abläufe sind. Da ist es auch unsere Aufgabe, die Beteiligten abzuholen.

Bei Verfahren im Asylrecht ist zusätzlich ein Dolmetscher dabei, der übersetzt. Dort stellen wir viele Fragen an den Kläger, um die genauen Fluchtursachen und weitere Details zu ergründen. Solche Verfahren sind nicht einfach, zumal, wenn man aus Berichten die zum Teil schlechten Zustände in den Herkunftsländern kennt. Wir entscheiden aber auf Grundlage der Gesetze. Empathie ist natürlich wichtig und wir versuchen auf die Sorgen und Ängste der Beteiligten einzugehen. Trotzdem müssen wir sachlich bleiben und uns an der bestehenden Rechtslage orientieren. Die Asyl-Verhandlungen sind emotionaler, als etwa im Beamtenrecht, das bringt dieses Rechtsgebiet einfach mit sich.

Unsere Arbeit besteht aber nicht nur aus Verhandlungen, wir müssen viel recherchieren, Urteile und Beschlüsse schreiben, Stellungnahmen oder Gutachten anfordern, die Akten durchgehen und schauen, was für Rechtsprechung es schon gibt. Wir sind dabei im ständigen Austausch mit den Beteiligten und den Kollegen. Es kommt vor, dass wir mit den Kammerkollegen zwei, drei Stunden über einen Fall diskutieren, lange bevor es zu einer mündlichen Verhandlung kommt. Eine gute Organisation und das richtige Zeitmanagement sind dabei enorm wichtig. Wir haben jeweils um die 200 Akten im Bestand und müssen selbst entscheiden, welche zuerst bearbeitet wird oder welche noch etwas Zeit hat. Die Kollegen haben uns vom ersten Tag an unterstützt, und uns direkt das „Du“ angeboten, was im täglichen Umgang sehr angenehm ist.

Besonders spannend an dem Beruf ist, dass man nicht Interessenvertreter ist, wie etwa ein Rechtsanwalt, sondern objektiv sein muss und nach bestem Wissen und Gewissen die richtige Lösung nach dem Gesetz finden muss. Das Bewusstsein, dass man eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat, darf man dabei nie aus den Augen verlieren.

Aufgezeichnet von Patrick Reichelt.

Zur Person

Zur Person

Jasper Lange und Julia Justus

sind 28 und 27 Jahre alt. Beide studierten Jura an der Universität Bremen und sind seit kurzem Richter auf Probe am Verwaltungsgericht in der Hansestadt. Wenn Jasper Lange nicht über Rechtsfragen brütet, drückt er dem SV Werder Bremen die Daumen oder reist um die Welt. Julia Justus liest nicht nur in ihrem Beruf viel, sondern auch in ihrer Freizeit: Literatur ist die große Leidenschaft der Bremerin.

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