Keine Seltenheit, dass in Bremen Indoorplantagen entdeckt werden. Allein in den vergangenen drei Jahren waren es laut Polizei 110. Doch die, mit der sich jetzt das Amtsgericht beschäftigt, war dann doch außergewöhnlich: Angeklagt sind drei Männer. Von September 2015 bis März 2016 sollen sie eine Indoorplantage betrieben und dort Cannabis angebaut haben. Dies aber nicht etwa versteckt im Keller eines zwielichtigen Bremer Hinterhofs, sondern in einem Gebäude der Bundeswehr, mitten in der Scharnhorst-Kaserne am Niedersachsendamm.
Wie das über Monate hinweg unbemerkt möglich war, kam am ersten Verhandlungstag im Gerichtssaal noch nicht zur Sprache. Dafür präsentierte die Anklageschrift eine Räuberpistole erster Güte. Denn es ist nicht nur der unerlaubte Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der den drei Männern vorgeworfen wird. Zwei von ihnen müssen sich auch wegen Vortäuschens einer Straftat und Missbrauch des Polizeinotrufes verantworten.
Raum 83 in Gebäude 5 der Scharnhorst-Kaserne scheint ein nicht besonders stark frequentiertes Gebäude der Bundeswehr in Bremen zu sein. Zumindest sollen die Angeklagten monatelang ungestört Cannabis angebaut haben. Eigens dafür hätten sie sogar ein neues Schloss an der Tür des Raumes eingebaut, damit nur sie Zugang hatten, so die Staatsanwaltschaft. Die benötigten Cannabis-Samen habe sich das Trio in den Niederlanden besorgt, um Aufzucht und Pflege der Pflanzen in Raum 83 sollen sich in den folgenden Wochen zwei der drei Männer gekümmert haben, heute 30 und 38 Jahre alt.
Die erste Ernte – laut Staatsanwaltschaft 100 bis 120 Gramm Cannabiskraut – habe anschließend der 30-Jährige an unbekannte Käufer veräußert. Mit dem Erlös sei es dann erneut in die Niederlande gegangen, um dort neue Samen zu kaufen.
Zum Verhängnis wurde den Soldaten das ausgewechselte Türschloss. Ein Feldwebel des Bundeswehr-Landeskommandos bemerkte, dass sein Schlüssel zu dem Raum nicht mehr passte, ging der Sache nach und die Cannabis-Züchter flogen auf.
Gegenüber der Polizei räumte der 38-Jährige das Betreiben der Indoorplantage ein, hatte dafür aber bei seiner Vernehmung eine Erklärung. Ein Unbekannter habe ihn am Werdersee überfallen. Geschlagen, bedroht und dann gesagt, dass ihn der Soldat künftig mit Cannabis zu versorgen habe. Nur aus Angst vor diesem Unbekannten habe er die Indoorplantage angelegt.
Die Geschichte untermauerte kurz darauf die Freundin des Angeklagten mit einem Notruf bei der Polizei. Ihr Freund sei in einem Park in der Neustadt von Unbekannten überfallen und geschlagen worden. Laut Staatsanwaltschaft gelogen, beziehungsweise inszeniert. Den Überfall im Park soll der 30-jährige Mitangeklagte organisiert haben. Mehr noch, er habe dem Älteren angeboten, einen weiteren Überfall zu inszenieren, bei dem dieser von einem Bekannten zusammengeschlagen werden sollte. All dies sei geschehen, „um dem Bedrohungsszenario gegenüber der Polizei Nachdruck zu verleihen“, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Zudem hätten sich diese beiden Angeklagten, nachdem sie aufgeflogen waren, darauf verständigt, dass der 38-Jährige den Anbau in der Kaserne allein auf seine Kappe nimmt.
Ein vorab festgelegter Strafrahmen für ein umfassendes Geständnis
Die Rolle des dritten, heute 28 Jahre alten Angeklagten kam beim Prozessauftakt nicht zur Sprache, spielte letztlich aber trotzdem eine entscheidende Rolle für den ersten Verhandlungstag. Nachdem die Anklage verlesen war, führten die Prozessbeteiligten ein sogenanntes Verständigungsgespräch. Eine vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, um ein Gerichtsverfahren einvernehmlich abzukürzen: Erklären sich die Angeklagten zu einem umfassenden Geständnis bereit, erhalten sie im Gegenzug die Zusicherung, dass das Urteil sich innerhalb eines vorab festgelegten Strafrahmens bewegen wird. In diesem Fall zwischen einem Jahr, sechs Monaten und zwei Jahren Haft für den 38-Jährigen sowie einem Jahr, zwei Monaten und einem Jahr, acht Monaten Haft für den 30-Jährigen.
Als Gegenleistung für die Verständigung mit dem 30-Jährigen soll die Richterin allerdings Angaben zur Tatbeteiligung des dritten Angeklagten gefordert haben. Für dessen Verteidiger, der auf einen Freispruch für seinen Mandanten aus ist, ein Unding: „Sie stehen meinem Mandanten nicht unvoreingenommen gegenüber“, kritisierte er die Richterin. Eine derartige Drittbelastung sei keine Voraussetzung für eine Verständigung, erklärte der Anwalt und stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin.
Der Prozess wird am Freitag, 25. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.
110 Indoorplantagen entdeckt
Seit Anfang 2017 hat die Bremer Polizei nach eigenen Angaben insgesamt 110 Cannabis-Indoorplantagen entdeckt. 2017 waren es 49 Anlagen mit insgesamt 16 815 Cannabispflanzen. Im Jahr darauf 39 Plantagen mit 39 994 Pflanzen und in diesem Jahr bislang 22 Anlagen mit insgesamt 5081 Pflanzen.