Dienstag, früher Nachmittag, 28 Grad, Schulferien. Freibadwetter vor dem Bremer Westbad in Walle, auch wenn es nicht mehr ganz so heiß ist wie in der vergangenen Woche. Am Fahrradständer sind einige Räder festgekettet, verlassen sieht es hier nicht aus. Seit dem Morgen trägt das Bad einen inoffiziellen, aber unrühmlichen Titel: das unbeliebteste Freibad Deutschlands.
Das Verbraucherportal Testberichte.de hat 412 Freibäder in Deutschland verglichen, auf dem letzten Platz liegt das Westbad. Hinter dem Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen in Wiesbaden und dem Billstedt-Bad in Hamburg. Die Google-Rezensionen der Bäder bestimmen die Rangliste, das Westbad in Walle liegt bei 3,5 von 5 Google-Sternen. Mit objektiven Kriterien oder gar Wissenschaft hat das nichts zu tun. Wie aussagekräftig sind die Online-Bewertungen?
Die Sonne scheint auf die Fassade des Bades, eine verblasste Reklame wirbt für die Sonnenbank. An der Fensterscheibe neben dem Eingang klebt die Telefonnummer einer Fußpflegepraxis. Kurz hinter der Eingangstür ist der Nachmittag im Freibad aber schon wieder vorbei – zumindest für Journalisten.
Kein Zutritt für Journalisten
Die Frau hinter der Kasse sagt, sie müsse erstmal in der Pressestelle nachfragen. Sie ruft die Sprecherin der Bremer Bäder an, der Hörer wandert über die Theke. Nein, heute könne man sich das Freibad nicht ansehen, sagt die Pressesprecherin. Die Kollegen vom Fernsehen hätten auch nicht filmen dürfen, ganz generell wolle man die Sache mit dem Ranking lieber kleinhalten.
Wie soll man sich nun ein Bild vom Bad machen? Etwa mit Hilfe der Google-Kritiken? „Der Preis für dieses marode, heruntergekommene Bad ist lächerlich hoch“, schreibt dort Nutzerin Anna. „Innen völlig abgerockt und sehr klein. Das kleine Becken wird offenbar nur von wollüstigen Teenagern für das benutzt, was ihre Eltern ihnen zu Hause nicht erlauben.“
Google hat Anna den Titel Local Guide verliehen. Unklar, was das im Detail bedeutet. 19 Bewertungen hat sie bisher geschrieben, ein Paket-Shop und eine Sandwich-Kette haben von ihr zuletzt fünf von fünf Sternen bekommen. Sie verleiht dem Westbad einen einzigen Stern.
Anna bewertet hauptsächlich den Innenbereich des Bades, aber wie sieht es draußen aus? Das Westbad ist ja nicht zum unbeliebtesten Hallenbad Deutschlands gemacht worden. Google-Nutzer Jaan Li gilt ebenfalls als Local Guide. „Bewertet wurde nur der Außenbereich“, schreibt er.
Für ein bisschen Planschen sei das Bad laut Jaan Li ausreichend. Aber: „Bahnen schwimmen stelle ich mir unmöglich vor, weil zu wenig Bahnen.“ Jaan Li kritisiert die Toiletten, will aber auch die positiven Seiten hervorheben: „Bademeister haben alles im Blick und die Preise am Kiosk sind sehr fair.“ Immerhin, er verteilt drei von fünf Sternen. Jaan Li endet mit einem Appell: „Trotzdem sollte die Stadt Bremen das Bad unbedingt modernisieren.“
Die Bewertung von Marco Müller taucht ganz oben auf, Google findet sie besonders relevant. Auch für Müller gilt: Local Guide. „Das Freibad ist viel zu klein“, schreibt er. „Bei gutem Wetter findet man kaum einen Sitzplatz.“ Den Innenbereich des Bades und die Preise bewertet er positiver, vier von fünf Sternen von Marco Müller.
Die Geschäftsführerin der Bremer Bäder, Martina Baden, äußert sich auf Anfrage am Vormittag per Mail zum Ranking. Bewertungen und Umfragen zu Schwimmbadbesuchen aus dem Internet kommentiere man in der Regel nicht. „Auch zum aktuellen Bäder-Ranking fehlen uns Informationen, um dazu ein Statement abgeben zu können.“ Die Anregungen der Gäste würden aber in die tägliche Arbeit der Bädergesellschaft einfließen.
Was denken nun die Gäste über das unbeliebteste Freibad des Landes? Khaiis Sultani verlässt das Bad, kurz nachdem Alexander Vogt mit seinem Sohn ankommt. Sultani, 30 Jahre alt, ist zufrieden. Er schwimmt in seiner Mittagspause gerne hier. „Ich kann die Bewertung nicht verstehen.“ Das Bad sei sauber, er habe nie Probleme gehabt. Vogt, 49 Jahre alt, sieht das anders. „Kaputtgespart“, sagt er. Und: „Wenn es warm ist, kann man nur stehen. Nicht schwimmen.“ Klingt nach 3,5 Google-Sternen.