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Huchting Ein Vorbildprojekt für Europa

Bremen. Wie kann man Bildungsangebote für Menschen entwickeln, die in einem Stadtviertel leben, das den Stempel „Problemquartier“ trägt? Huchting hat es vorgemacht. Ein Quartiersbildungszentrum, in dem jeder aus der Nachbarschaft Gesellschaft findet.
08.03.2012, 11:16 Uhr
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Von Karin Mörtel

Bremen. Wie kann man Bildungsangebote für Menschen entwickeln, die in einem Stadtviertel leben, das den Stempel „Problemquartier“ trägt? Der Stadtteil Huchting hat es vorgemacht. Gemeinsam mit den Bewohnern des Quartiers Robinsbalje wurde eine Idee umgesetzt, die seit Kurzem europaweit als Vorzeigeprojekt gilt: Ein Quartiersbildungszentrum, in dem nicht nur Kinder und deren Eltern, sondern jeder aus der Nachbarschaft Beratung und Gesellschaft findet.

Drei Buchstaben nennt der Huchtinger Ortsamtsleiter Uwe Martin, wenn er nach einem Beispiel gefragt wird, wie ein Stadtteil sich in gemeinsamer Anstrengung für seine schwächsten Bewohner einsetzen kann: QBZ. Die Abkürzung steht für das neue Quartiersbildungszentrum Robinsbalje, das im November 2010 eröffnet wurde.

Die Verbindung aus Kita, Ganztagsgrundschule und einem lichtdurchfluteten Neubau ist seit der Eröffnung ein Treffpunkt für Erwachsene und Kinder aus dem Quartier Robinsbalje. Dort leben besonders viele arme Menschen und Migranten. Viele Häuserblocks an den Straßen gehören Investoren privater Wohnungsgesellschaften, denen die schlechten Wohnverhältnisse ihrer Mieter egal sind, solange die Rendite stimmt. „Als das Quartier 2004 zum Fördergebiet erklärt wurde, war es quasi ein weißer Fleckohne Hilfs- und Freizeitangebote“, erinnert sich Quartiersmanagerin Inga Neumann. Die Programme „Wohnen in Nachbarschaften“ (WiN) und „Soziale Stadt“ sollten helfen, dies zu ändern.

Gemeinsam mit dem Ortsamt, der vorhandenen Grundschule und Kita gründete sie eine Arbeitsgemeinschaft, zu der später auch noch weitere Akteure wie das Haus der Familie, die Jugendstiftung Alten Eichen und schließlich Behördenvertreter aus den Bereichen Bildung und Soziales dazukamen. Die Idee: Es sollte ein Netzwerk aus Kinderbetreuung, Freizeit- und Beratungsangeboten geknüpft werden, um die Zukunftschancen des gesamten Quartiers zu stärken. Ein Pilotprojekt in Bremen, für das mittlerweile fast 3,68 Millionen Euro nach Huchting geflossen sind – davon unter anderem etwa 1,7 Millionen aus dem Bildungsressort, gut 1,3 Millionen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

Angebot für Kinder und Erwachsene

„Wir hatten vor dem QBZ keinen Ort, an dem wir uns treffen konnten“, berichtet eine junge Frau aus der Nachbarschaft, die regelmäßig den Nähkurs im Neubau besucht. Viele ihrer Bekannten sind Migrantinnen, die es genießen, unweit ihrer Wohnung etwas unternehmen zu können. Die Kinder der Frauen werden im benachbarten Bewegungsraum betreut. Dort jagen sie Bällen hinterher und klettern an der Sprossenwand. Zu anderen Zeiten spielen dort die Ganztagsschulkinder, und es finden Fitness-Kurse statt.

In dem Nähkurs lernen die Frauen bei Kursleiterin Vladleno Vollenweider wie sie ihre Kleidung ausbessern und selber gestalten können. „Das spart ein bisschen Geld“, erklärt die junge Frau. Eine andere Teilnehmerin lässt sich gerade von der gelernten Schneiderin zeigen, wie sie einen geblümten Stoff in eine Schürze verwandeln kann. „Manche Migrantinnen lernen hier nebenbei auch ein paar Worte Deutsch“, sagt Anne Bock.

Die QBZ-Managerin soll dafür sorgen, dass alle Beteiligten, die in Schule, Kita und Neubau arbeiten, an einem Strang ziehen. Neue Ideen besprechen alle gemeinsam, während die ursprünglichen Initiatoren des Projekts weiterhin beratend zurSeite stehen. „Inzwischen sind die Räume sehr gut genutzt, wir haben monatlich über 20 Kurse im Angebot.“ Manche davon richten sich gezielt an erwachsene Migranten, wie zum Beispiel „Mama lernt deutsch“. Aber auch Trommeln, körperliche Fitness, Kochen für Kinder, ein offenes Fußballangebot sowie Spielangebote, an denen Eltern und Kinder gemeinsam Spaß haben können, sind darunter.

In dem Neubau sitzen neben Vertretern vom „Haus der Familie“ auch eine Krankenschwester und ein Kinderarzt vom Gesundheitsamt. Sie führen Untersuchungen an Kitas und Schulen durch und halten Sprechstunden ab. Auch der Kontaktpolizist und eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes bieten einmal in der Woche eine offene Sprechstunde an. „Das Gute an dem Gebäude ist: Niemand kann von außen sehen, dass jemand Hilfe benötigt. Wer das Haus betritt könnte ja auch einen Sportkurs besuchen“, sagt Uwe Martin. Das senke für die Anwohner die Hemmschwelle, Hilfsangebote anzunehmen.

Dass das QBZ erst kürzlich von der Europäischen Kommission als ein Vorzeigeprojekt ausgezeichnet wurde, hat einen Grund: Der Gutachter sah es als erwiesen an, dass die 1,3 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in Huchting besonders gut angelegtes Geld sind. Nur 50 von insgesamt 1000 EFRE-Projekten haben diese Anerkennung erhalten. Das QBZ soll künftig zurNachahmung anregen und europaweit die Chancen für Bewohner instabiler Quartiere verbessern.

 

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