Sie wollen runter vom Heroin, weg von der Droge und nehmen dafür eine andere: Methadon. Nach Zahlen der Gesundheitsbehörde gab es zum Stichtag 1. Juli vergangenen Jahres im Bundesland Bremen 1688 sogenannte Substitutionspatienten. Ein maßgeblicher Teil steht jetzt vor einem Problem: Die zentrale Methadon-Ausgabe am Richtweg in der Bremer Innenstadt muss zum 31. Oktober schließen, weil der Mietvertrag abgelaufen ist. Andere Räume gibt es bislang nicht. Der Betreiber hat sich nach eigenen Angaben zwar früh um einen anderen Standort bemüht und könnte möglicherweise eine Immobilie in Nähe des Hauptbahnhofs beziehen. Doch das sei noch nicht unter Dach und Fach, außerdem würde der Umbau einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Schwerpunkt-Praxis am Richtweg gehört zum Ameos-Konzern. Sie versorgt an jedem Vormittag im Jahr etwa 340 Menschen mit Methadon. Neben sechs Ärzten sind neun medizinische Fachangestellte im Einsatz, die an der Theke einen Plastikbecher mit der Flüssigkeit hinüberreichen. Ein Vorgang, der sich fast im Minutentakt wiederholt, verbunden oft mit einem kurzen Gespräch. Man kennt sich, manche kommen seit vielen Jahren. Eine ruhige Atmosphäre.
Geleitet wird das Poliklinikum von Christian Runge, Facharzt für Allgemeinmedizin und Suchtmedizin. "Wir haben 2010 mit 50 Patientinnen und Patienten angefangen und sind jetzt am Limit", erklärt Runge. Der Bedarf sei enorm. Es gebe zwar noch andere Anlaufstellen in der Stadt, diese sei aber die größte.
Ein leichteres Leben
In den meisten Fällen gehe es darum, den Drogenabhängigen das Leben zu erleichtern, ihnen den Druck zu nehmen, Geld für Heroin zu beschaffen. Solche Menschen seien ewig auf Methadon, "die nehmen das mit ins Grab", sagt der Facharzt. Andere verschafften sich mit der Behandlung zunächst Luft, um später mit einer Therapie zu beginnen: "Der Erfolg hängt stark vom psychosozialen Umfeld ab."
Nicht helfen kann Runge einer Klientel, die er seit Corona in großer Zahl unter anderem am Bremer Hauptbahnhof beobachtet: die Crack-Süchtigen. Die Droge wird aus Kokainsalz und Natron hergestellt und ist deutlich günstiger als das eigentliche Kokain. "Gleichzeitig hält Crack aber nicht lange vor und muss häufiger eingenommen werden", weiß der Arzt. Die Abhängigkeit sei noch einmal viel schlimmer. Methadon funktioniere allein als Ersatz von Heroin, nicht von Crack. "Diesen Süchtigen können wir nur ein Gesprächsangebot machen und Beruhigungsmittel verschreiben."
Ameos verhandelt nach Darstellung des Unternehmens gerade mit einem Immobilienanbieter, der zwei Objekte in der Nähe vom Hauptbahnhof besitzt. Infrage komme sowohl Kauf als auch Anmietung. Eines der Häuser steht auf der Ecke Breitenweg/Friedrich-Rauers-Straße. Dort, in der Friedrich-Rauers-Straße, wurden von der Stadt Container aufgestellt, die der offenen Drogenszene als sogenannte Akzeptanzfläche dienen.
Die Ballung am Bahnhof – ein Problem? Christian Runge findet das nicht: "Wir müssen gut erreichbar sein, die Leute laufen uns nicht hinterher." Und es sei nun mal so, dass sich viele am Hauptbahnhof aufhielten oder im Umfeld. Ein Problem, sagt Runge, hat Ameos bei der Suche nach einem neuen Standort: "Irgendeine Lösung werden wir aber finden, und wenn wir kurzfristig Mobilbauten aufstellen." Der Facharzt hofft auf die Unterstützung der Stadt. Und er hat eine Bitte: "Wir benötigen dringend weitere Ärztinnen und Ärzte. Wäre ich Handwerker, würde ich ein Schild ins Auto hängen: Kollegen gesucht."
Die Gesundheitsbehörde hat nach eigenen Angaben Kenntnis davon, dass die Substitutionspraxis am Richtweg umziehen muss. "Unser Ressort hat den Betreiber bei den Bemühungen unterstützt, neue Räumlichkeiten für dieses Angebot zu finden, indem über alle zur Verfügung stehenden Kanäle potenzielle Vermieter informiert wurden", teilt eine Sprecherin der Behörde mit.