Liegt die Querlatte gerade an den Trägerbalken an? Die Wasserwaage zeigt: Alles in Ordnung. Der Akkuschrauber kommt zum Einsatz. Im Brucher Feld zwischen Hinnebeck und Aschwarden wächst ein Holzgerüst in die Höhe. 25 Mitglieder der Landjugend Schwanewede werkeln am Rande einer Wiese. Hier wird gehämmert und gebohrt. Dort schippt einer Zement um einen Holzpfosten in ein Erdloch. Derweil kümmern sich mehrere junge Frauen darum, mit Pinseln die Holzlatten einzuölen.
Die Schwaneweder Landjugend arbeitet im Wettlauf gegen die Uhr. Genau 72 Stunden haben sie Zeit. Dann müssen sie die Aufgabe gelöst haben, die ihnen ein „Agent“ aufgetragen hat. Die Aufgabe blieb wie immer bei der 72-Stunden-Aktion, die alle vier Jahre von der Niedersächsischen Landjugend ausgetragen wird, bis zuletzt streng geheim.
Am Donnerstagabend lüftete der Agent, Hinnebecks Ortsvorsteher Johann Ficken, das Geheimnis: „Baut ein Wetterhäuschen für Wanderer, Radfahrer und zur Naturbeobachtung mit einer Grundfläche von zwei mal 2,5 Metern“, lautete der Auftrag für die Schwaneweder Landjugend. Als Hilfestellung gab der Agent den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Foto und eine Zeichnung mit an die Hand. Eine Infotafel über Wiesenvögel vor Ort, einen Fahrradständer, einen Papierkorb und einen Wegweiser soll die Landjugend auch noch aufstellen. Bis Sonntagabend 18 Uhr muss alles fertig sein.
Rund 30 Helfer machen sich am Donnerstagabend sofort auf zum Einsatzort Brucher Landweg / Ecke Moorhelmer. Erste Vorarbeiten laufen an. Steinplatten um eine Bank am Wegesrand müssen für die Baustelle weichen. Vor Ort wird geplant und eingeteilt: Wie viel Holz ist für das Wetterhäuschen nötig, wer besorgt welche Materialien von den Sponsoren?
Firmen unterstützen die Landjugend bei ihrer Aktion „Schon vor eineinhalb Monaten haben wir die ersten Sponsoren angesprochen. Die waren auch alle bereit, uns zu unterstützen“, freut sich die Landjugend-Vorsitzende Anna-Lena Bahr. Eine Zimmerei aus Schwanewede sowie zwei Baustoffhändler aus Schwanewede und Aschwarden spendieren Holz, Betonestrich für das Fundament und Blechplatten für das Dach des Wetterhäuschens. Zwei Anhänger voll mit Dachlatten, Kanthölzern, Nut- und Federbrettern karrt die Landjugend zusammen mit 800 Kilo Zement am Freitagvormittag ins Bruchfeld. Ein Straßenbau-Unternehmen stellt ein Stromaggregat zur Verfügung, eine Firma Pfostenträger. Landwirte helfen mit Geräten aus. Geschäfte spendieren Verpflegung für drei Tage. „Die Gemeinde hat uns das Holzgerüst für die Infotafel gestellt.“
An diesem Nachmittag wird das Grundgerüst für die Schutzhütte aufgestellt und einbetoniert. Das ist Männersache. Die Frauen greifen derweil zum Pinsel und ölen die Holzlatten für das Wetterhäuschen. Fast 50 Bretter sind zu streichen. Klassische Arbeitsteilung bei der Landjugend? „Nein“, meint Rieke Arfmann. „Wir zieren uns nicht, auch mal einen Holzbalken anzufassen und zusammenzuschrauben.“ Die Frauen hätten zum Beispiel die Erdlöcher ausgebuddelt, in die jetzt die Holzpfosten des Wetterhäuschens einbetoniert werden. Schon fertig ist der Wegweiser, den die Landjugend an der Kreuzung Hinnebecker Straße aufstellen will. „Schutz- und Naturhütte Landjugend Schwanewede“ steht da in Holz gefräst geschrieben. Nur der Anstrich fehlt noch.
Frisch aus der Druckerei kommen die Bild- und Textblätter für die Infotafel über die heimischen Wiesenvögel. Christin Specketer und Anna Laude begutachten sichtlich stolz ihr Werk. Unter dem Motto „Im Flug durch die Wiesen und Felder“ haben sie Informationen über Blaukehlchen, Kiebitz, Feldlerche, Turmfalke, Mäusebussard und andere Vögel im Bruchfeld zusammengetragen. „Wir wollten keine Standardinfos etwa über Brutzeit oder Nahrungssuche vermitteln. Uns war es wichtig darzustellen, woran man die Vögel erkennt und welche Besonderheiten sie haben“, erzählt Anna Laude. Da lässt sich zum Beispiel nachlesen, wie der Liebesruf des Goldammers klingt. Und warum der Graureiher in der Luft aussieht wie der Buchstabe M. Johann Ficken hat die beiden jungen Damen fachkundig unterstützt. Dem passionierten Hobby-Vogelkundler ist die Infotafel ein Herzenswunsch. „Wer in der Hütte rastet, kann hier jetzt gleichzeitig etwas über die heimische Vogelwelt erfahren.“
Die Schwaneweder haben sich in den vergangenen Jahren schon mehrfach an der 72-Stunden-Aktion der Niedersächsischen Landjugend beteiligt. 2003 bauten sie Indianer-Zelte auf dem Spielplatz an der Dreienkamp-Schule. Vier Jahre später legten die Mitglieder am Wanderweg zwischen Loge und Stillhorn einen Pfad der Sinne an. 2011 gestalteten sie am Bernhard-Meyer-Weg in Schwanewede einen Spielplatz für Jung und Alt.
3000 Jugendliche in 98 Ortsgruppen beteiligen sich
◼ An der diesjährigen 72-Stunden-Aktion der Niedersächsischen Landjugend (NLJ) beteiligten sich insgesamt rund 3000 Jugendliche in 98 Ortsgruppen. Nach Angaben der NLJ investierte der engagierte Landnachwuchs 200 000 Arbeitsstunden in unterschiedlichste Projekte. Die beteiligten Ortsgruppen renovierten Spielplätze, bauten Pavillons, legten Wege an und verschönerten Dorfplätze. Für die Aktion gab Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil höchstpersönlich als „Agent“ in Walsrode den Startschuss. Im Landkreis Osterholz beteiligten sich diesmal die Landjugenden Schwanewede, Worpswede-Worphausen, St. Jürgen, Grasberg und Pennigbüttel. Seit 1995 initiiert die Niedersächsische Landjugend alle vier Jahre eine 72-Stunden-Aktion. Ziel ist, Bleibendes zu schaffen, ehrenamtliches Engagement zu stärken und die Gemeinschaft in den Dörfern zu stärken.
GKE