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Mordprozess gegen Bremer Motorradraser Entlastung für den Angeklagten

Mit der Vernehmung weiterer Zeugen wurde am Donnerstag der Mordprozess gegen einen 24-jährigen Bremer fortgesetzt, der bei einem Unfall im Juni mit seinem Motorrad einen Fußgänger getötet hat.
13.01.2017, 00:00 Uhr
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Entlastung für den Angeklagten
Von Ralf Michel

Mit der Vernehmung weiterer Zeugen wurde am Donnerstag der Mordprozess gegen einen 24-jährigen Bremer fortgesetzt, der bei einem Unfall im Juni mit seinem Motorrad einen Fußgänger getötet hat.

Es gibt keine guten Tage, wenn man in Untersuchungshaft sitzt und wegen Mordes angeklagt ist, weil man mit überhöhter Geschwindigkeit einen Rentner totgefahren hat. Doch sieht man von dieser grundsätzlichen Situation ab, in der der 24-jährige Motorradfahrer Alperin T. steckt, dann war‘s am Donnerstag ein guter Tag für den Angeklagten.

Im Landgericht wurden seine ehemalige Freundin, drei seiner mutmaßlichen Motorrad-Kumpel sowie ein Polizist, der am Morgen nach dem Unfall mit ihm gesprochen hatte, als Zeugen vernommen. Keiner von ihnen belastete Alperin T., ganz im Gegenteil.

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Der Polizist war derjenige, der dem 24-Jährigen im Krankenhaus darüber informierte, dass der Rentner den Unfall am Vorabend nicht überlebt hatte. „Er war sichtlich berührt davon“, schilderte der Beamte die Reaktion des Motorradfahrers. „Er wollte es nicht wahrhaben, hat geweint und geschrien: es könne doch nicht sein, dass der andere gestorben ist.“

Der Angeklagte habe zunächst nicht einmal gewollt, dass seine Eltern zu ihm ins Krankenzimmer kommen, sagte der Polizist. Er selbst habe dann versucht, den jungen Mann zu trösten und sich außerdem um einen Seelsorger bemüht, so der Beamte. „Damit er einen Ansprechpartner hat.“

Er ist sich seiner Schuld bewusst

Diese Rolle hat inzwischen die ehemalige Freundin des 24-Jährigen übernommen, wie sie als Zeugin vor Gericht berichtete. Zwar habe man sich schon etwa ein Jahr vor dem tödlichen Unfall getrennt, aber sie habe gemerkt, dass er jetzt eine Bezugsperson brauche, der er sich anvertrauen könne, erklärte die 23-jährige Studentin. Über den Unfall selbst habe er aber wenig gesprochen. „Er ist sich seiner Schuld bewusst und es schwierig für ihn, damit umzugehen und darüber zu sprechen.“

Auch über die mit einer Helmkamera aufgenommenen Motorradfahrten durch Bremen, mit denen der Angeklagte auf einem eigenen Youtube-Kanal Geld im Internet verdiente, konnte die Zeugin wenig aussagen.

Ihre Trennung sei genau in die Zeit gefallen, als er damit anfing. „Ganz interessant“ habe sie das gefunden, sich später aber nur gelegentlich den einen oder anderen Film angeschaut. „Eigentlich fand ich‘s gut, dass er was gefunden hatte, was ihm so viel Freude bereitete.“

Ehemalige Freundin entlastet den Angeklagten

Ansonsten stellte die 23-Jährige dem Angeklagten durchweg ein blendendes Zeugnis aus: Die Raserei auf dem Motorrad? „Ich habe mich als Beifahrerin auf seinem Motorrad nie unwohl gefühlt und hatte nie das Gefühl, dass er zu schnell unterwegs war.“ Alkohol oder gelegentliches Kiffen? „Fand er nicht gut, zu viel Kontrollverlust.“

Die rüde Wortwahl, mit denen er in seinen Videos andere Verkehrsteilnehmer beschimpfte? „Ungefiltert und komplett unüberlegt, in keiner Form ernst gemeint und wohl eher ein übliches Instrument in der Motorradszene auf Youtube.“ Womit die Zeugin fast wortgleich das wiedergab, was der Angeklagte am Verhandlungstag zuvor in einer persönlichen Erklärung ausgesagt hatte.

Die Schuldfrage? Sehe der Angeklagte zum Großteil bei sich. Weil er das Risiko unterschätzt habe, das von seiner schnellen Fahrweise ausgegangen sei, erklärte seine ehemalige Freundin. „Er ist enttäuscht von sich selber, dass er das so sehr unterschätzt hat.“

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Und der Kontakt mit den Hinterbliebenen (eine Frage des Verteidigers an die Zeugin)? Darüber habe er von sich aus schon sehr früh nachgedacht. Er habe um Entschuldigung bitten wollen, sei aber ratlos gewesen, weil er nicht gewusst habe, was er den Angehörigen sagen solle.

Eng hätte es am Donnerstag eventuell für den Angeklagten werden können, als drei Zeugen der Staatsanwaltschaft aufgerufen wurden – drei Motorradfahrer, die häufiger mit ihm unterwegs gewesen sein sollen. Doch bei allen dreien war nicht auszuschließen, dass sie sich mit ihren Aussagen wegen Straßenverkehrsgefährdung selbst belastet würden.

Drei Zeugen verweigerten die Aussage

Womit dem Trio ein Aussageverweigerungsrecht zustand, von dem es dann auch Gebrauch machte. Nicht einmal die Frage, ob sie den Angeklagten kennen, mussten sie beantworten.

Und auch die letzte Hürde dieses Verhandlungstages nahm der Angeklagte ruhig und gefasst. Bei Prozessbeginn hatte er gesagt, dass er die Verantwortung für sein Handeln übernehmen wolle.

„Was kann ich mir denn darunter vorstellen?“, wandte sich nun der Sohn des getöteten Rentners direkt an den 24-Jährigen. „Dass ich dazu stehe, was passiert ist“, antwortete dieser. „Und dass ich versuche, Ihnen zu zeigen, dass mir nicht egal ist, was passiert ist.“

Der Prozess wird am Mittwoch, 18. Januar, fortgesetzt. Nicht wie ursprünglich geplant um 9 Uhr, sondern um 13.30 Uhr.

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