Herr Wösten, als Sie im Sommer im Klinikum Nord anfingen, war Ihre Ideenliste für Neuerungen und Veränderungen zwei Seiten lang. Wie lang ist Sie heute?
Frank Wösten: Die Ideenliste ist noch länger geworden. Jetzt sind es drei Seiten.
Wie das? Ideenlisten machen doch nur Sinn, wenn man die Ideen auch abarbeitet.
Ja, aber durch Gespräche, die man führt, und Eindrücke, die man gewinnt, kann eine Ideenliste auch vorübergehend länger werden. Das heißt aber nicht, dass ich noch keine meiner Ideen umgesetzt habe. Hinter vielen Vorschlägen von mir ist mittlerweile ein Häkchen.
Hinter welchen denn?
Zum Beispiel beim Bewusstsein innerhalb der Klinik, dass die Notaufnahme einige Probleme hat.
Dass es welche gibt, hat die Klinikleitung aber nie bestritten.
Das Bewusstsein ist jetzt jedoch geschärft worden. Mittlerweile sind innerhalb des Hauses nicht bloß Möglichkeiten vorhanden, damit andere Abteilungen helfen können, die Probleme zu lösen – auch die Akzeptanz und der Wille, helfen zu wollen, sind inzwischen größer. Die Notaufnahme noch besser zu machen, ist nämlich eine Gemeinschaftsaufgabe.
Und hinter welchen Vorschlägen haben Sie noch kein Häkchen gemacht?
Hinter den baulichen Problemen. Wir haben schlichtweg zu wenig Räume, um so arbeiten zu können, wie wir eigentlich wollen.
Wie wollen Sie denn eigentlich arbeiten?
In verschiedenen Einheiten. Eine davon wäre beispielsweise eine sogenannte Clinical Decision Unit, also eine Einheit, die mithilfe von Technik, Laborwerten und Monitordaten entscheidet, wo der Patient hin muss: wieder nach Hause, auf die Intensivstation, in ein anderes Krankenhaus. Doch für diese Räume der Unit, die speziell ausgerüstet sein müssen, fehlt momentan der Platz.
Und was ist es mit den Wartezeiten, über die immer mal wieder Patienten klagen: Sind sie mittlerweile kürzer geworden?
In Notaufnahmen wird es immer wieder dazu kommen, dass Patienten mit leichten Beschwerden länger warten müssen, wenn es Schwerverletzte zu versorgen gibt. Oder wenn viele Patienten auf einmal kommen. Das wird so bleiben, weil wir nicht unbegrenzt Personal haben. Allerdings haben wir eine Chance, die Wartezeiten für die leichten Fälle zu verringern, wenn es gelingt, an mehreren Stellen gleichzeitig Veränderungen vorzunehmen.
Zum Beispiel?
Eine Stelle ist der Notdienst der Kassenärzte, den wir räumlich näher zur Notaufnahme der Klinikärzte bringen wollen. Und zwar in Sichtweite, sodass nach der Ersteinschätzung des Patienten gleich gesagt werden kann: ,Gehen Sie bitte den Flur runter, dort wartet ein Facharzt auf Sie, der für Sie zuständig ist.‘ Der Vorteil ist, dass wir auf diese Art schneller die leichten von den schweren Fällen trennen können – und die leichten nicht mehr wie bisher die Notaufnahme der Klinik belasten.
Das könnten Sie doch auch jetzt sagen. Der Notdienst der Kassenärzte ist schließlich schon lange in der Klinik.
Aber er ist bislang in einem anderen Gebäude des Krankenhauses untergebracht und damit weiter von der Notaufnahme entfernt, als wir uns das vorstellen.
Bevor Sie die Notaufnahme übernahmen, gab es immer wieder Klagen von Patienten, die mehrere Stunden warten mussten, ehe sie von einem Arzt untersucht wurden – auf wie viele Beschwerden kommen Sie?
Als ich anfing, gab es etwa 25 Beschwerden pro Monat, in dem die Wartezeiten in der Notaufnahme beklagt wurde. Mittlerweile sind es zehn. Dass heißt aber nicht zwingend, dass wir in dieser Zeit tatsächlich schneller geworden sind. Ehrlich gesagt, haben sich die Wartezeiten nicht wesentlich verringert, jedenfalls nach unseren eigenen Analysen. Aber es sieht danach aus, dass die Aufmerksamkeit für die Wartenden bereits jetzt gesteigert wurde.
Wie schnell wollen sie werden?
Ich sage es mal so: Wenn jemand mit Brustschmerzen zu uns kommt, dann muss er in 30 Minuten behandelt werden. Und sollte die halbe Stunde überschritten werden, dann um so wenig Minuten wie möglich.
Bei Ihrem Antritt wussten sie noch nicht, was in der Notaufnahme alles falsch läuft. Was wissen Sie heute?
Heute weiß ich zumindest mehr. Und ich verstehe mittlerweile vieles besser.
Und das wäre?
Ich weiß, dass wir an der konsequenten Umsetzung der Ersteinschätzung von Patienten noch arbeiten müssen, um genauer bestimmen können, welcher Patient sofort behandelt werden muss und welcher später behandelt werden kann. Das steht ganz oben auf meiner To-do-Liste.
Im Sommer haben Sie auch davon gesprochen, dass die Klinikleitung die Zahl der Pflegekräfte in der Notaufnahme erhöhen will. Hat sie Wort gehalten?
Das hat sie. Die zusätzlichen Stellen sind ausgeschrieben.
Aber Sie haben damals gesagt, dass die neuen Pflegekräfte in drei bis vier Monaten kommen sollten, also quasi jetzt.
Es ist jedoch nicht so schnell gegangen, wie wir das gehofft hatten. Gut ausgebildete Pflegekräfte sind mittlerweile schwer zu bekommen. Es ist uns aber gelungen, personelle Abgänge zu ersetzen. Das heißt, dass wir jetzt so viele Pflegekräfte haben wie zuvor.
Und was ist mit mehr Medizinern für die Notaufnahme?
Im ärztlichen Bereich ist es so, dass ich die Zahl der Mitarbeiter für ausreichend halte. Wir sind genauso gut aufgestellt, wie andere Krankenhäuser auch.
Aber Sie wollen doch besser werden als andere Kliniken, oder?
Natürlich wollen wir besser werden als anderen Häuser. Aber das erreicht man nicht zwangsläufig mit zusätzlichen Medizinern. Entscheidender ist vielmehr deren Qualifikation. Ein Ansatz ist deshalb, Ärzte des Klinikums noch mehr als bisher für die Notfallmedizin zu interessieren, sodass sich ihr Einsatzgebiet vergrößert und die Klinik besser auf punktuelle Engpässe reagieren kann.
Was meinen Sie mit ,punktuellen Engpässen‘?
Damit meine ich, dass es Zeiten gibt, in denen es entspannter für das Team der Notaufnahme wäre, wenn es auf mehr Ärzte zurückgreifen könnte. Etwa am Wochenende. Dann kommt es mitunter zu einem regelrechten Ansturm von 100 Patienten am Tag. Aber auch dann ist die Versorgung der Patienten garantiert.
Darauf müsste eine Klinik doch längst eingestellt sein. Schließlich ist es nicht erst seit gestern so, dass Arztpraxen am Wochenende geschlossen haben.
Das stimmt. Aber vor zehn Jahren gab es diesen Ansturm wie heute noch nicht. Die Menschen wählen im Notfall heute meistens die 110 oder die 112 – und kommen mit dem Krankenwagen ins Klinikum. Die 116 117, die Nummer des Kassenärztlichen Notdienstes, kennen viele schlichtweg nicht.
Wann kommt denn der Notdienst der Kassenärzte in Sichtweite zur Zentralen Notaufnahme – und was danach?
Geplant ist, den Kassenärztlichen Notdienst bis Ende Februar in die Zentrale Notaufnahme zu integrieren. Parallel dazu bereiten wir den Umbau der Notaufnahme vor. Wir wollen sowohl den Wartebereich als auch den Empfang umgestalten und mehr Behandlungszimmer schaffen. Wahrscheinlich werden die Bauarbeiten 2018 beginnen.
Im Sommer haben Sie gesagt, dass Sie die Notaufnahme bis zum Winter so aufgestellt haben wollen, dass jeder Mitarbeiter und jeder Patient gerne kommt. Wie weit sind Sie von diesem Ziel entfernt?
Ein bisschen Zeit bleibt mir: Wir haben noch nicht Winter.
Aber in einem Monat.
Wir sind, was die Patienten betrifft, ein gutes Stück vorangekommen. Und die Kolleginnen und Kollegen, denke ich, arbeiten mit großem Enthusiasmus in der Notaufnahme. Das glaube ich nicht nur aus den Gesprächen, die ich geführt habe, deutlich herausgehört zu haben. Das sehe ich auch. Die Mitarbeiter stehen hinter den Veränderungen.
Dann wird also alles gut?
Ich sage es mal so: Wenn wir bis Ende nächsten Jahres nicht einen großen Schritt weiter sind als heute, dann habe ich etwas falsch und einen schlechten Job gemacht.
Die Fragen stellte Christian Weth.