Die Lage ist schlecht. Die Ausgangssituation wird dramatischer. In der Veranstaltungsbranche kämpfen die Akteure ums Überleben. Neben den Kultur- und Konzertveranstaltern sind die zahlreichen Dienstleister aus den Bereichen Technik, Auf- und Abbau, Catering, Service oder Sicherheit von der Corona-Krise stark betroffen. Der Bund und das Land Bremen helfen mit verschiedenen Förderprogrammen, Kurzarbeitergeld oder Krediten. „Doch das gilt nicht für alle Bereiche, eine Vielzahl der Bremer Akteure fällt durchs Raster“, sagt Christian Seidenstücker, Vorstand der Bremer Joke Event AG. Jörn Meyer, Geschäftsführer des Metropol-Theaters, schätzt die Lage identisch ein. In einem Gespräch kritisieren sie die derzeitigen Regeln, die Kommunikation und das Handeln der Politik. Ihr Wunsch: Planungssicherheit, ein Aufstockungsprogramm für alle Bereiche und den Unternehmerlohn.
Die Probleme im Business-Bereich
Den beiden Veranstaltern sei bewusst, dass Politik und Verwaltung in der Pandemie am oberen Limit arbeiten. „Es gibt aber Dinge, die wir nicht nachvollziehen können“, sagt Seidenstücker. Der Joke-Chef verweist auf die Ergebnisse einer Meta-Studie zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Veranstaltungsbranche in Deutschland, die das Institut Rifel herausgegeben hat. Demnach entfielen circa fünf Prozent der jährlichen Veranstaltungsumsätze im Jahr 2018 – also vor Corona – auf Kulturveranstaltungen (ohne die öffentlichen Träger). Der Großteil mit weit mehr als 80 Prozent wurde durch wirtschaftsbezogene Veranstaltungen erzielt – also Firmenevents, Messen, Tagungen oder Betriebsfeiern. Allerdings werde der gesamte Business- und B2B-Bereich bei den Förderprogrammen vergessen. „Diese Events fallen aus den Förderungen des Landes Bremen komplett raus“, sagt Seidenstücker. Das treffe viele mittelständische Agenturen und Betriebe – laut der „Zähl Dazu“-Studie sind das in Bremen 466 Dienstleister. „Der B2B-Bereich muss aber unterstützt werden. Einen Lösungsansatz haben wir erarbeitet und im Oktober 2021 den verantwortlichen Personen präsentiert“, ergänzt Seidenstücker.
Kurzarbeit und Fixkosten
Mit Überbrückungshilfen, Sonderfonds und Ausfallgeldern werde der Branche zwar gut geholfen, aber es bleiben viele Bereiche auf der Strecke, sagt Metropol-Theater-Chef Meyer. Techniker, Aufbauer oder Sicherheitskräfte würden zwar seit zwei Jahren Kurzarbeitergeld bekommen, aber das seien eben auch zwei Jahre, in denen sie deutlich weniger Nettogehalt hätten und an ihre Reserven ran müssten, so Seidenstücker. Viele hätten deswegen die Branche verlassen.
Mit den Überbrückungshilfen seien Fixkosten bis zu 90 Prozent gedeckt, so Meyer. Die restlichen zehn Prozent fehlen allerdings genauso wie ein Unternehmerlohn. Und: Seit Anfang des Jahres werden nicht mehr 100, sondern nur noch 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge von Kurzarbeitern erstattet. „So geht eine ganze Branche an ihre Substanz, an ihre Grenzen“, sagt Meyer.
Personalmangel bei Neustart
Das Absagen, Verlegen und Neuplanen von Veranstaltungen gestaltet sich immer schwieriger. „Ich habe gerade mehrere Absagen von Gastronomen bekommen, weil sie sich nicht zutrauen, genügend Personal zur Verfügung zu stellen“, sagt Meyer, der als Geschäftsführer auch für die Seebühne verantwortlich ist. Zahlreiche Mitarbeiter hätten sich verabschiedet, sich etwas anderes gesucht, weil sie in eine „unsichere Zukunft“ blicken, so Meyer. Das sei mehr als unbefriedigend. Der Personalmangel in der Veranstaltungsbranche wirke sich aus, wie das Fehlen der Halbleiter in der Automobilindustrie, sagt Seidenstücker.
Fehlende Ressourcen für Investitionen
Durch die Personalabwanderung und das Ausbleiben von Deckungsbeiträgen in den vergangenen zwei Jahren gestalten sich viele weitere Schritte schwierig. Zahlreiche Betriebe und Unternehmen würden derzeit keine Mitarbeiter einstellen, weil sie nicht absehen können, wie sich die Auftragslage in der Zukunft verhalte. „Es ist eine fragile Industrie“, sagt Meyer. Und: Den Betrieben fehlen die Mittel, um zu investieren. Das sei wie ein Anfahren mit platten Reifen, ergänzt Meyer. Die fehlende Planungssicherheit führte bei ihm dazu, dass er den Schnürboden (eine Zwischendecke im Theater oberhalb der Bühne) noch nicht erneuerte. Er traue sich nicht zu investieren, weil er das Geld brauche, um derzeit das Minus abzudecken. So gehe es fast allen in der Branche.
Die mangelnde Kommunikation
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Kommunikation, die trotz eines Runden Tisches nicht optimal sei. Als die 30. Corona-Verordnung für Bremen beschlossen wurde, habe sich am Donnerstag herausgestellt, dass in der derzeit geltenden Warnstufe 4 Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als 250 Personen untersagt sind, erklärt der Metropol-Theater-Chef. „Das sollten wir bereits am Freitag umsetzen. Das ist aber zu kurzfristig“, sagt Meyer. Es brauche einen gewissen Vorlauf, um Besucher zu informieren, um genügend Personal einzuplanen und eine Veranstaltung zu organisieren. „Das sorgt insgesamt für eine große Verunsicherung – bei Veranstaltern und den Kunden“, sagt Meyer.

Auf der Seebühne in Bremen soll es im Sommer wieder Programm geben. Noch fehlt das Personal.