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Interview über Frauen in Führungspositionen EWE-Vorständin: „Wir machen es nicht nur für uns selbst“

Wie kommen mehr Frauen in Führungspositionen? Die Personalvorständin der Oldenburger EWE plädiert für mehr Allianzen zwischen Frauen, Durchhaltevermögen im Unternehmen und erzählt von ihrem Weg an die Spitze.
05.02.2020, 22:10 Uhr
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EWE-Vorständin: „Wir machen es nicht nur für uns selbst“
Von Lisa Schröder

Frau Rövekamp, seit 2018 sind Sie Vorständin der EWE. Was haben Sie bisher angepackt?

Marion Rövekamp: Besonders wichtig ist mir die Art und Weise, wie wir hier bei EWE arbeiten. Ich glaube, dass es in einer Zeit wie heute unheimlich wichtig ist, die Potenziale, Talente, Neugierde und den Mut im Unternehmen zum Vorschein zu bringen. Und auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Am Ende sollen die richtigen Menschen an den Themen arbeiten.

Wie gelingt das?

Es bedarf dazu einer hohen Transparenz. Welche Aufgaben stehen an? Eine meiner ersten Maßnahmen war, den Besetzungsprozess für die erste Führungsebene unterhalb des Vorstands transparenter zu gestalten: Die Stellen werden im Konzern ausgeschrieben und zudem verschiedene Perspektiven in das Auswahlverfahren eingebracht. Wenn Sie Bewerbungsgespräche führen, laufen Sie eine gewisse Gefahr, sich subjektiv leiten zu lassen. Das bekommt man zwar nie ganz weg, aber man sollte es transparent und möglichst objektivierbar machen. Wir schauen nun auch mit einer externen Sicht, wer der beste Bewerber, die beste Bewerberin oder der beste Kandidat, die beste Kandidatin ist.

Was tun Sie außerdem?

Uns trifft es noch nicht so stark, aber wir stehen vor einer demografischen Herausforderung. Wir werden in Zukunft mehr Mitarbeiter verlieren als wir nachrekrutieren können. Im Moment sind wir da ausdrücklich noch nicht. Und auch unsere Aufgaben werden sich verändern, etwa durch die Digitalisierung. Wir müssen die Menschen dazu befähigen, neue Aufgaben zu übernehmen. Es ist mir außerdem sehr wichtig, dass Frauen bei uns gute Entwicklungsmöglichkeiten haben. Das ist ein Teil von Vielfalt. Wir brauchen an sehr vielen Stellen sehr viel mehr weibliche Qualitäten. Darauf legen wir Wert. Wir schauen bei Projekten gezielt auf die Besetzung: Haben wir da genügend Frauen drin? Frauen haben oft eine andere Sicht auf Themen.

Da sehen Sie also schon Unterschiede?

Ja, natürlich – positiv wie negativ. Viele Frauen sind doch eher integrierend und achten darauf, dass die Ergebnisse erreicht werden. Frauen brauchen vielleicht auch das eine oder andere männliche Spiel nicht. Wenn wir beispielsweise über Themen wie flexibleres Arbeiten nachdenken, wird immer entscheidender, dass wir darauf die komplette, vielfältige Sicht in Teams haben.

Diversität bedeutet, überhaupt unterschiedlichste Menschen zusammenbringen. Was macht die EWE da?

Wir legen sehr viel Wert auf die Vielfalt, die es im Unternehmen gibt: Und dabei geht es es uns nicht nur um die sexuelle Orientierung, Nationalität oder um eine Behinderung. Es geht auch nicht nur um formale Vereinbarungen, dass wir Vielfalt leben, sondern um unsere Arbeitsweise und Signale nach außen. Wir waren zum Beispiel beim Christopher Street Day wieder dabei. Uns geht es darum, dass wir wegkommen vom hierarchiebezogenen Arbeiten hin zum expertenorientierten Arbeiten. Und da brauche ich unterschiedliche Herangehensweisen, Temperamente und Erfahrungswerte.

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Als Personalvorständin haben Sie Zielzahlen angekündigt, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wie sehen die nun konkret aus?

Wir haben Zielzahlen, die sagen: Wir wollen in jedem Fall 15 Prozent Frauen in Führung haben.

Das klingt nicht besonders hoch...

Sagen wir so: Das ist nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass wir ein sehr technisch orientiertes Unternehmen sind. Ich kann mir die Frauen nicht backen, sondern muss sie zunächst gewinnen. Leider beschreiten nicht sehr viele Frauen den Weg in den technischen Bereich. Wir wollen uns anschauen, wie wir damit umgehen. Es reicht am Ende nicht, eine Zahl vorzugeben, die nicht sinnvoll ist. Die Quoten für Aufsichtsräte zeigen, dass das Instrument etwas bewirken kann. Wir gucken, was für uns in Zukunft eine vernünftige Größenordnung ist. Was habe ich davon, wenn ich eine Quote von 25 Prozent Frauen für Offshore-Windkraft setze, es aber nur wenige Topkandidatinnen gibt? Darauf muss ich über Jahre hinarbeiten.

Wo liegt denn derzeit der Anteil?

Die 15 Prozent haben wir in Summe. Teils überschreiten wir sie, in den technischen Bereichen sind wir da noch nicht. Die Frage ist, was können wir schaffen, um da deutlich besser zu werden? Wir wollen eine Entwicklung sehen. Was wir nicht machen ist, eine Zielzahl rauszuhauen, an der sich alle messen müssen, aber wir erkennen: Das ist nicht realistisch. Dann haben wir mit Zitronen gehandelt.

Woran lag es bei EWE denn noch, dass wenig Frauen in Führung gekommen sind?

Das Eine sind natürlich die Möglichkeiten, die man bekommen muss. Das, glaube ich, kriegen wir jetzt deutlich besser hin, indem wir Transparenz zeigen und ermuntern, sich einzubringen. Das Zweite ist, sich zu organisieren, wenn es um die Vereinbarung von Beruf und Familie geht. Wir haben eine betriebliche Kinderbetreuung und ermöglichen mobiles Arbeiten von zuhause. Es soll ein Angebot für jeden geben – gerade für Familien. Das Dritte ist, dass Frauen selbst sagen müssen: Ich will das jetzt. Im gesamten Gefüge ist es ja immer noch so, dass so eine Führungsposition einem viel abfordert.

Wie wollen Sie die Frauen unterstützen?

Da werden wir nicht nur lernen müssen, auf andere Konzepte wie Teilzeit zu setzen. Denn es ist immer noch nicht völlig akzeptiert, dass jemand auch mit 70 Prozent seinen Beitrag leistet. Daran müssen wir arbeiten. Wir Frauen hier bei EWE schließen uns zusammen, versuchen uns zu unterstützen und Mut zu machen. Das klappt langsam, aber es passiert nicht von heute auf morgen. Es geht auch um die Selbsterkenntnis: Ich kann das. Ich habe es selbst erlebt, als ich Stellen besetzen wollte und aktiv Frauen angesprochen habe: Sie gingen sehr viel kritischer mit sich um, ob sie die Stelle wollen oder nicht. Das hätte ich bei einem Mann meistens nicht erlebt. Der hätte gesagt: Das kriege ich schon irgendwie hin. Es gibt Bereiche, in denen hat sich was verändert, in anderen passiert das nicht. Da muss man durchhalten und immer wieder zeigen, dass wir es anders machen wollen.

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Wie war das bei Ihnen: Waren Vorbilder für Sie persönlich wichtig?

Ich finde Frauen toll, die es tatsächlich schaffen. Ob Angela Merkel oder Christine Lagarde: Die beiden sind Top-Frauen, die sich in einer Männerwelt bewegen. Das können und wollen nicht alle. Jeder muss für sich seinen Weg finden. Für mich war immer wichtig, Verantwortung zu übernehmen und ein Unternehmen aktiv mitzugestalten. Und das Zeit meines Lebens. Schon seit Kindertagen ist das so – vielleicht weil unsere Mutter das mitgegeben hat. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Faktor: wie viel Zuversicht und Zutrauen von den Eltern kommt. Für mich war immer klar: Ich will diesen Weg gehen. Dass ich mir da bewusst Vorbilder gesucht hätte? Ganz klar nein.

Ist es für andere von Bedeutung?

Was sicher richtig ist: Wir Frauen sollten dafür stehen, andere Frauen zu fördern. Das ist enorm wichtig. Zu zeigen: Man kann den Weg schaffen! Wenn man sich gut vernetzt, umso mehr. Das halte ich auch für elementar, um sich auch auszutauschen. Welche Strategie wählt man? Wie setzt man sich in der ein oder anderen Phase durch? Ich hatte diesen Austausch zum Teil in der Vergangenheit und habe ihn als sehr wertschätzend empfunden. Am Ende erzeugt das viel Kraft – letztlich auch als Beitrag für das Unternehmen. Wir machen es nicht nur für uns selbst.

Wenn die EWE ein moderner Arbeitgeber sein will: Wo gibt es noch Luft nach oben?

In Zukunft sollten Grenzen in Bereichen, Teams und Gesellschaften keine Rolle mehr spielen. Und wir wollen wirklich darauf schauen: Wer kann was? Es soll ein Klima geschaffen werden, in dem es Mut zu Veränderungen gibt. Da müssen wir als Vorstand und die Führungskräfte ihren Beitrag liefern, dass das angstfrei passiert. Und dann wird sich der Rest, glaube ich, extrem gut entwickeln.

Welchen Anspruch haben Sie an sich selbst, das als Vorstand vorzuleben?

Wir verstehen uns als Team. Wir ringen bei allen Fragen um die richtige Leitplanke. Wenn wir sie haben, dann stehen wir genau dafür ein – selbst wenn man vorher anderer Meinung war. Das ist dann egal. Nur wenn wir das gemeinsam tun, kriegen wir auch die nächsten Führungsebenen und die Mitarbeiter mit.

Die Zahl der Frauen im Vorstand deutscher Börsenunternehmen steigt. Im vergangenen Jahr gab es erstmals sogar insgesamt mehr Frauen als Männer mit Namen Thomas und Michael. Können Sie sich über einen solchen Fortschritt freuen?

Jeder Schritt ist wichtig. Ich bin vor allem für’s Tun: Die AllBright-Stiftung oder die Initiative Frauen in die Aufsichtsräte müssen immer wieder den Finger in die Wunde legen. Aber das allein reicht nicht. Mein Anspruch ist, dass wir etwas umsetzen. Wir haben gerade eine Position bei EWE ausgeschrieben. Die beste Kandidatin ist eine Frau und wechselt aus dem Geschäft in unsere Zentralfunktion. Das sind die Signale, die wir brauchen! Darüber bewege ich was, damit die Menschen auch sehen, dass wir bereit sind, andere Wege zu gehen. Es ist trotzdem mühsam und wird sicher noch eine ganze Zeit brauchen.

Das Gespräch führte Lisa Boekhoff.

Zur Person

Zur Person

Marion Rövekamp ist seit knapp zwei Jahren Vorständin für Personal und Recht beim Oldenburger Energieversorger und Telekommunikationskonzern EWE, der zugleich Eigentümer der Bremer SWB ist. Zuvor arbeitete die Juristin bei der Deutschen Bahn unter anderem als Personalvorständin der DB Regio AG. Ihre Karriere begann bei der Deutschen Telekom.

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