Es war ein gefürchtetes Szenario: Der Brand eines Tankschiffs auf der viel befahrenen Ostsee zwischen Deutschland und Dänemark Mitte Oktober 2024. Der Einsatz bleibt auch den Seenotrettern der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) im Gedächtnis. In ihrem Jahresrückblick erinnern sie an den lebensrettenden Einsatz: "Feuer! Feuer!", schrie jemand über Funk. Mehr nicht. Das Team in der Rettungsleitstelle See war augenblicklich hoch konzentriert und machte sich an die Arbeit. Feuer an Bord gehört auf See zu den größten Gefahren überhaupt.
Wenige Minuten später lagen alle relevanten Informationen vor: Auf dem 73 Meter langen Öl- und Chemikalientanker "Annika" fraßen sich offene Flammen vom Maschinenraum in Richtung Brücke. Der Tanker befand sich lediglich wenige Seemeilen vor Kühlungsborn zwischen Wismar und Rostock. Gegen 10 Uhr, eine knappe Stunde nach Eingang des Notrufs, trafen die freiwilligen Seenotretter mit dem 9,5 Meter langen Rettungsboot "Wilma Sikorski" bei der "Annika" ein. Sie konnten die siebenköpfige Besatzung des Tankers retten, bevor der Seenotrettungskreuzer "Arkona" die Löscharbeiten aufnahm.
Modernisierung im Fokus
Um gegen derartige Fälle gewappnet zu sein, muss die Rettungsflotte ständig modernisiert werden, heißt es vonseiten des Vereins. Im vergangenen Jahr konnte die DGzRS zwei neue Seenotrettungsboote taufen und in Dienst stellen. Das muss gemäß ihrer Formel, "60/30/2", auch jährlich passieren. Rund 60 Rettungseinheiten sind auf Nord- und Ostsee im Einsatz – im Durchschnitt jeweils 30 Jahre lang. Rein rechnerisch ist also die Anschaffung zweier Schiffe pro Jahr notwendig. Der Plan ging für 2024 auf.
Allein durch die Spendenschiffchen kann der Verein derartige Investitionen nicht finanzieren. Ihre jährlichen Einnahmen liegen bei ungefähr 50 bis 70 Millionen Euro. Im Geschäftsjahr 2023 konnten die Seenotretter sich über einen Spendenertrag von 67,8 Millionen Euro freuen.
2000 Einsätze pro Jahr
Auf der Nord- und Ostsee rücken die Besatzungen der DGzRS zu rund 2000 Einsätzen pro Jahr aus. Seit ihrer Gründung vor 160 Jahren zählt die Statistik der Seenotretter mehr als 86.000 gerettete Menschen. Und das mit einem Team aus knapp unter 1000 Mitgliedern. Rund 180 von ihnen sind fest angestellt, mehr als 800 der Retter sind Freiwillige.
Regelmäßig trainieren die Besatzungen auf ihren jeweiligen Stationen Sicherheit, Seemannschaft und Revierkunde. Daneben gehören Lehrgänge in den verschiedenen Einrichtungen der Seenotretter-Akademie zum Leben der Retter dazu. Etwas Besonderes sind in jedem Jahr die beiden großen Such- und Rettungsübungen, in der Regel eine in der Nordsee und eine in der Ostsee – im vergangenen Jahr vor Wilhelmshaven und Lauterbach (Rügen).
Die genauen Zahlen für das vergangene Jahr veröffentlicht die DGzRS traditionell erst Ende Januar. Dann verkünden sie auch stets ihren neuen Botschafter. Aktuell sind das noch die vier Musiker der Shantyrock-Band Santiano. Deren Geiger Peter David "Pete" Sage hatte am eigenen Leib erfahren müssen, wie wichtig die Seenotretter sind. Die Besatzung des Seenotrettungskreuzers "Berlin" rettete ihn und seine Frau nach dem Untergang ihrer Segelyacht aus der Kieler Bucht. Santiano sind bereits der 25. ehrenamtliche Botschafter der Seenotretter. Die Reihe begann im Jahr 2000 mit Liedermacher Reinhard Mey und auch die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen oder der ehemalige Werder-Trainer Thomas Schaaf absolvierten bereits ein Botschafter-Jahr.