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Fest der Kulturen Flüchtlinge feiern mit ihren Helfern

Die Terroranschläge in Frankreichs Hauptstadt überschatteten am Sonntag das Fest der Kulturen der ökumenischen Initiative für Flüchtlinge in Schwanewede.
16.11.2015, 00:00 Uhr
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Von Gabriela Keller

Auf dem Holzboden neben der Bühne liegt ein Stadtplan von Paris. Jemand hat eine rote Kerze und Teelichter darauf gestellt. Ein Pappschild lehnt an der Wand. „Wir sind schockiert und traurig“ ist da zu lesen. Auf einem Blatt Papier daneben steht: „In tiefer Trauer mit den Menschen in Paris.“

Die Terroranschläge in Frankreichs Hauptstadt überschatteten am Sonntag das Fest der Kulturen der ökumenischen Initiative für Flüchtlinge in Schwanewede. Bewusst legen die Organisatoren die Veranstaltung seit drei Jahren auf den Volkstrauertag. Sie wollen damit ein Zeichen setzen – gegen Krieg und Gewalt, für den Frieden. Mit drei Minuten des Schweigens gedachten die über 100 Besucher aus 14 verschiedenen Nationen im evangelischen Gemeindehaus diesmal auch der Opfer der Terroranschläge von Paris.

Flüchtlinge aus dem Libanon, Syrien, Montenegro, dem Kosovo, der Türkei, aus Afghanistan, Sri Lanka, den Philippinen, dem Sudan und aus anderen Ländern reichten sich mit den Ehrenamtlichen der Initiative beim Lied „We shall overcome“ die Hände. Seit 34 Jahren engagiert sich die Initiative für ein Miteinander in Schwanewede. Im Mittelpunkt stehen die Flüchtlinge, die der Gemeinde vom Land zugeteilt werden. „Wir betreuen derzeit mit 25 Ehrenamtlichen Flüchtlinge aus 15 Nationen“, erklärt Gudrun Chopin. 48 Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, seien allein in diesem Jahr neu dazugekommen, erzählt Klaus Fitzner. Was den Pastor im Ruhestand freut: „Für alle haben wir Paten gefunden.“ Paten, das sind Bürger aus der Gemeinde, die den Flüchtlingen bei ihren ersten Schritten in der Fremde helfen.

An einem Tisch im Gemeindehaus sitzen die Ehepaare Heins und Pottberg aus Meyenburg und Schwanewede zusammen mit einer Flüchtlingsfamilie. Seit sechs Monaten lebt die neunköpfige Familie aus Montenegro in Löhnhorst. Die Heins und Pottbergs sind ihre Paten. „Wir fahren sie abwechselnd jede Woche zur Lebensmittel-Tafel nach Schwanewede“, erzählt Wolfgang Heins. Die Paten organisieren Kleidung sowie Spielzeug für die Kinder. Katica Pottberg, eine gebürtige Kroatin, fungiert als Dolmetscherin bei Fahrten zu Behörden und Ärzten. „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir helfen. Man bekommt so viel zurück. Wenn die Kinder sich freuen, das ist wunderbar.“ Inzwischen sei eine freundschaftliche Bindung entstanden. „Zum Erntedankfest haben wir die Familie zum Kaffee eingeladen“, erzählt sie.

Flucht vor Krieg und Verfolgung

An einem anderen Tisch sitzen Elkhansa Ibrahim, ihr Mann Ismail Eisa und das Ehepaar Awad und Rajaa Arbab aus dem Sudan mit ihrer Patin Andrea Menge. Die vier Sudanesen leben erst seit kurzer Zeit in Schwanewede. In einem Hochhaus haben sie eine Wohnung gefunden. Er sei vor dem Bürgerkrieg und dem Unrecht in seinem Land geflohen, gibt Awad Arbab an. Als Student habe er sich für Menschenrechte in seiner Heimat eingesetzt, dafür sei er ins Gefängnis gesteckt worden. „Mich hat die Regierung beschuldigt, die Opposition zu unterstützen“, erzählt Ismail Eisa. Im Gefängnis sei er misshandelt worden. Seit einer Woche kümmert sich Andrea Menge ehrenamtlich um die zwei Paare. „Am Sonnabend haben wir zum ersten Mal Deutsch gelernt. Die lernen unglaublich schnell“, erzählt sie. Einen Fernseher, Bettgestelle und Fahrräder wolle sie als nächstes besorgen und sich bei der Ausländerbehörde um gültige Ausweispapiere bemühen. „Zu helfen ist für mich eine Grundüberzeugung“, sagt sie. „Meine Mutter war nach dem Krieg selber geflohen.“

Neben den Flüchtlingen, die dauerhaft in Schwanewede bleiben, kümmert sich die ökumenische Initiative auch um die rund 1000 Flüchtlinge, die in der Notunterkunft der ehemaligen Kaserne eine vorübergehende Bleibe gefunden haben. Von dort war Salwa Al Chihabe aus Syrien mit ihren beiden Söhnen zum Fest der Kulturen gekommen. Hassan (17) und Dani (14) musizierten für die Gäste auf Klavier und Geige. „Glaube, Liebe, Hoffnung“, hieß eines der Lieder, das die Geschwister spielten. Hoffnung auf ein Leben in Frieden trieb die Familie 2013 zur Flucht aus ihrer Heimat Syrien. „Flugzeuge bombardierten unseren Ort“, erzählt Hassan. Sein Bruder und er hätten nicht als Soldaten für das Assad-Regime kämpfen wollen. Zwei Jahre lebte die Familie in der Türkei, neuerdings ist sie in Schwanewede.

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