Mit der sinkenden Zahl von Geflüchteten, die in Deutschland und damit auch in Bremen ankommen, stellt sich auch die Flüchtlingshilfe neu auf. Die Initiative Gemeinsam in Bremen hat deshalb nicht nur ihr Team erneuert, sondern sich auch ein neues Ziel gesetzt: Sie soll Migrantinnen und Migranten eine Möglichkeit bieten, sich mehr in der Stadtgesellschaft einzubringen. Das ist laut Lucyna Bogacki, die Gemeinsam in Bremen bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) koordiniert, ein wichtiger Schritt: „Formal sind diese Menschen in Bremen angekommen, doch sie wollen sich praktisch stärker einbringen.“ Dabei will Gemeinsam in Bremen künftig intensiver helfen.
Nach Angaben der Sozialbehörde sind seit 2017 jährlich nahezu gleich viele Geflüchtete nach Bremen gekommen, auch wenn die Zahl auf lange Sicht zurück geht: 2017 waren es 1565 Geflüchtete, 1358 in 2018 und 1191 in 2019. Seit im Jahr 2015 erstmals eine große Zahl von Geflüchteten hier eintraf, hat sich das Hilfenetz nach Angaben der Sozialbehörde stark professionalisiert. Gleichzeitig meldeten sich immer weniger Ehrenamtliche, Hintergrund sei demnach, dass das Thema Flüchtlinge in den Jahren 2016 und 2017 immer mehr aus den Schlagzeilen verschwand.
Die Sozialbehörde fördert weiterhin zahlreiche Angebote wie Ankommen im Quartier, den Stadtteilfonds Geflüchtete, kommunale Sprachkurse oder die Internetseite „Welcome to Bremen“. „Grundsätzlich bleibt der Bedarf an Unterstützung bei der Integration“, sagt Sozialbehördensprecher Bernd Schneider. „Es kommen ja nach wie vor Menschen an, die Gesamtzahl der Geflüchteten in Bremen steigt also tendenziell weiter.“ Zwar sinken laut Schneider die Unterstützungsbedarfe, sie verschwinden aber nicht. Finanziert werden diese knapp zehn Angebote deshalb weiterhin aus dem Integrationsbudget des Sozialhaushaltes. Grundsätzlich, so der Behördensprecher, hätten sich die Ausgaben für Geflüchtete in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesenkt: 2016 lagen sie noch bei 387 Millionen, 2017 bei 347 Millionen Euro, 2018 bei 250 Millionen.
Auch Gemeinsam in Bremen wird in seinem neuen Format weiterhin unterstützt. Als vor fünf Jahren eine Vielzahl von Geflüchteten Bremen erreichte, boten unzählige Bürgerinnen und Bürger ihre Hilfe an, erzählt Bogacki. Sie hatte deshalb die Aufgabe übernommen, das zivilgesellschaftliche Engagement von Einzelpersonen, aber auch aus den Kirchengemeinden oder Vereinen zu koordinieren. Ein halbes Jahr später hatte sich daraus die Initiative Gemeinsam in Bremen entwickelt, in jedem Stadtteil arbeitete ein Koordinator, um die hilfsbereiten Menschen dorthin zu bringen, wo ihre jeweilige Arbeitskraft gebraucht wurde.
Struktur an die neue Situation anpassen
Inzwischen, bestätigt Bogacki, ist das Einsatz der Menschen zurückgegangen, außerdem hätten sich in einigen Übergangswohnheimen eigene Unterstützungsstrukturen entwickelt. Gemeinsam in Bremen, kurz Gib genannt, soll aber weiterhin als stadtweites Hilfsnetz funktionieren. „Das Projekt ist gut etabliert, deshalb ist es wichtig, die Struktur an die neue Situation anzupassen.“ Stadtteilkoordinatoren gibt es nicht mehr, das sechsköpfige Team will vielmehr gezielt mit verschiedenen Communities in Kontakt treten, um besonders Migranten für das Engagement in Kitas, bei der Seniorenhilfe oder der Bremer Tafel zu gewinnen. „Gib andersrum“ soll das Motto nun lauten.
Die Idee ist, Menschen, die schon einige Jahre in Deutschland leben, an das Konzept des Ehrenamtes heranzuführen. Denn in vielen Kulturen, sagt Bogacki, sei zwar die nachbarschaftliche Hilfe selbstverständlich, der unbezahlte Einsatz in einem Projekt sei aber unüblich. „Dieses Arbeiten, ohne Geld dafür zu bekommen, wollen wir an die Menschen herantragen“, sagt Bogacki. Das will das Team nun mit persönlichen Gesprächen vermitteln, um so auch die Hemmschwelle für die Freiwilligenarbeit zu senken.
Können sich die Angesprochenen ein Engagement vorstellen, begleitet sie das Team von Gemeinsam in Bremen auf ihrem weiteren Weg. In den kommenden Wochen soll es verschiedene Informationsveranstaltungen geben, um grundsätzliche Fragen der Interessierten zu klären. Die Vermittlung in ein passendes Ehrenamt ist ein fester Bestandteil der ersten Beratungsgespräche. Ist ein solcher Ort gefunden, helfen die Koordinatoren mit Leitfäden und umfangreichen Katalogen, um beispielsweise das erste Gespräch mit Hilfsbedürftigen zu erleichtern. „Wir wollen Migrantinnen und Migranten noch viel stärker in die Stadtgesellschaft locken“, sagt Bogacki. Sie hofft auf eine Win-Win-Situation: Vereine und andere Einrichtungen bekommen tatkräftige Unterstützung, gleichzeitig finden Migrantinnen und Migranten besseren Anschluss.
Das ursprüngliche Ziel, sagt Bogacki, will Gemeinsam in Bremen aber nicht aus den Augen verlieren: Wer sich in der Initiative engagieren will, um Geflüchteten in Bremen das Ankommen zu erleichtern, sei weiterhin herzlich willkommen.