Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Berufskrankheit Covid-19 Long Covid: Unsicherheit im Umgang für Bremer Firmen und Mitarbeiter

Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland könnte unter den Folgen einer Corona-Erkrankung leiden: Was bedeutet das für die Wirtschaft, die Betriebe und die Arbeitnehmer?
20.12.2021, 08:51 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Long Covid: Unsicherheit im Umgang für Bremer Firmen und Mitarbeiter
Von Marc Hagedorn

Die Arbeitnehmerkammer Bremen stellt bei Unternehmen und bei Arbeitnehmern eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit Long Covid fest. „In den Gesprächen mit unseren Mitgliedern ist es zwar nicht das dominierende Thema“, sagt Kaarina Hauer, Leiterin der Rechtsberatung, „aber es tauchen immer wieder mal Fragen dazu auf.“

Niklas Wellmann, der bei der Arbeitnehmerkammer in der Beratungsstelle für Berufskrankheiten arbeitet, schildert einen aktuellen Fall, in dem ein Arbeitgeber erst nach einem Jahr eine Berufskrankheitsanzeige beim zuständigen Unfallversicherungsträger gemacht hat. „Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ein Jahr lang krank ist, und es so lange dauert, bis das Unternehmen eine Anzeige stellt, ist das schon bemerkenswert“, sagt Wellmann.

5,7 Millionen Menschen in Deutschland gelten laut Robert Koch-Institut nach einer Corona-Infektion als genesen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass bei jedem zehnten Covid-19-Patienten Langzeit- oder Spätfolgen auftreten können. Damit wären Stand Dezember 2021 rund 570.000 Menschen hierzulande potenziell betroffen. Nicht inbegriffen in diesen Zahlen sind all jene Menschen, die sich infiziert hatten, jedoch keinerlei Anzeichen zeigten und erst Wochen oder Monate später Symptome entwickelt haben wie beispielsweise Erschöpfung, Atemnot, Schwindel, Organschäden, Konzentrationsschwierigkeiten.

Lesen Sie auch

So oder so wirken sich diese Einschränkungen auf das Berufsleben aus und stellen Betriebe und Verwaltungen vor neue Herausforderungen. Für die Mitarbeiter kann der Ausfall eines Kollegen zum Beispiel Mehrarbeit in Form von Überstunden bedeuten.

Sprunghafter Anstieg bei Long Covid als Berufskrankheit

Tatsächlich sind die Meldungen über Long Covid als Berufskrankheit bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bundesweit in diesem Jahr laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sprunghaft angestiegen. Bis Ende Oktober gingen laut DGUV 138.760 Anzeigen ein, 92.558 wurden als Berufskrankheit Covid-19 anerkannt; viele Entscheidungen stehen noch aus.

In Bremer Unternehmen scheint das Problem Long Covid noch nicht durchzuschlagen. Für das vergangene Jahr berichtet die DGUV von 154 Fällen, in denen in Bremen Covid-19 als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anerkannt wurde, in Niedersachsen waren es knapp 1000. Zahlen für dieses Jahr liegen für die einzelnen Bundesländer noch nicht vor.

Die Unternehmensverbände in Bremen sprechen aktuell von „keinen Auffälligkeiten“. Ähnlich äußern sich die Betriebe selbst. Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord, sagt: „Ein ausgewiesener Fall von Long Covid in unserer Belegschaft ist nicht bekannt. Es gibt aber einige wenige Beschäftigte, bei denen es lange gedauert hat, bis sie sich von einer Corona-Infektion erholt hatten.“ Auch die SWB teilt mit, dass ihr keine Fälle von Long Covid im Unternehmen bekannt seien, „weil wir die Gründe für die Erkrankung nicht kennen“, wie es heißt.

Lesen Sie auch

Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber über Art, Ursache und Umfang einer Erkrankung Mitteilung zu machen. Die Arbeitnehmerkammer empfiehlt den Beschäftigten aber, „mit offenen Karten“ zu spielen. „Wenn ich will, dass mir geholfen wird, geht es nur, indem ich meine Lage schildere“, sagt Hauer. Damit hätten nach Einschätzung der Kammer einige Arbeitnehmer Probleme – oft aus Sorge um den Arbeitsplatz. „Es schwingt die Angst mit, dass man seine Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend erledigen kann, dass man vielleicht versetzt wird oder dass einem schlimmstenfalls sogar die Kündigung droht“, sagt Hauer. Allerdings sei der Weg bis zu einer Kündigung sehr weit. Dafür sei etwa eine negative Prognose Voraussetzung. Die sei bei einem neuen Phänomen wie Long Covid aber nicht ohne Weiteres zu stellen.

So reagieren Bremer Unternehmen auf Long-Covid-Fälle

Bei der Geno versucht man, den Betroffenen diese Sorge zu nehmen. „Wir würden mit Long-Covid-Fällen nicht anders umgehen als mit anderen längerfristigen Erkrankungen“, sagt Geno-Sprecherin Matiszick. „Selbstverständlich wäre Long Covid kein Kündigungsgrund. Auch andere Erkrankungen können ja dazu führen, dass Beschäftigte ihrer eigentlichen Tätigkeit nicht mehr wie gewohnt nachkommen können. Dann suchen wir selbstverständlich gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern nach einer Lösung beziehungsweise nach einer anderen, besser geeigneten Tätigkeit.“

Ähnlich handhabt es die SWB. „Wenn eine Arbeitskraft nicht mehr in der Lage ist, die ihm anvertraute Aufgabe zuverlässig zu erbringen, ist das Thema Versetzung die erste Alternative“, heißt es. Und weiter: „Falls uns Mitarbeitende eine Long-Covid-Erkrankung offenbaren würden, wäre der erste Ansprechpartner der betriebsärztliche Dienst und das betriebliche Gesundheitsmanagement. Auch die Sozialberatung könnte zurate gezogen werden.“

Über das betriebliche Eingliederungsmanagement können Mitarbeiter nach Erkrankungen, etwa nach einem Bandscheibenvorfall, einer Hüft-Operation oder einem Burnout, Schritt für Schritt in den Arbeitsalltag zurückgeführt werden.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)