70 Mannschaften aus ganz Europa haben sich für das Drachenfestival in Lemwerder angemeldet. Bei guten Windverhältnissen könnten dort am Wochenende bis zu 250 Drachen gleichzeitig am Himmel zu sehen sein.
Lemwerder. Das 21. Drachenfest auf dem Ritzenbütteler Sand steigt am kommenden Wochenende, 17. bis 19. August. 70 Teams aus Europa haben sich zu dem farbenfrohen Himmelspektakel angemeldet. Dieter Seidel, Organisator und Leiter der Begegnungsstätte Begu Lemwerder, rechnet bei guten Windverhältnissen mit rund 250 Fluggeräten gleichzeitig am Himmel. Das Team Multiflight aus dem niederländischen Hengelo hat allein etwa 200 Stück im Gepäck und eine Geschäftsidee, mit der das Hobby zum Beruf werden könnte.
Die 14 Drachenlenker um Familie Scheuten sind bereits zum 15. Mal in Lemwerder dabei. Das Interesse an den Himmelsstürmern entstand 1997 nach einem Campingurlaub in "Lütte Sand", wo die Familie ihre ersten Flugversuche machte. "Das war einfach herrlich, als ganze Familie mit den Kindern draußen zu spielen", sagt Jolanda Scheuten, Mitgründerin des Teams Multiflight. Seitdem wurde kaum ein Drachenfest ausgelassen. Die drei Kinder sind mittlerweile Endzwanziger und ebenso vernarrt in Drachen wie ihre Eltern und Freunde. Innerhalb des Teams bilden sie die "Young Ones", die ihre eigenen Ideen haben und auf die Dopero-Leichtwinddrachen spezialisiert sind.
In das Hobby fließt viel Zeit und Leidenschaft. Die Fluggeräte werden selbst gebaut. So auch der 14 Meter lange und vier Meter breite "Fred Feuerstein". Eigentlich ist er kein Drachen, sondern Leinenschmuck, weil er ohne Trägerdrachen nicht selbstständig fliegen kann. An Wilmas trotteligem Mann aus Steintal haben alle 14 Teammitglieder einen Monat lang Vollzeit genäht. "Aber unsere Männer haben es nicht so mit dem Nähen", gesteht die 50-jährige Scheuten, "deshalb kleben wir die meisten Drachen einfach zusammen, das hält auch."
Mit Humor hat das Team auch die Tatsache genommen, das sie im vergangenen Jahr einen ihrer Himmelsgleiter in Lemwerder als vermisst melden mussten. "Bei der Flugshow wurde versehentlich die Leine gekappt. Unser Drachen landete auf dem Containerschiff ‚Ocean Challenge‘ und fuhr mit ihm davon", berichtet Jolanda Scheuten sichtlich amüsiert. Der Kapitän wurde informiert. Er habe versprochen, den Drachen wieder mitzubringen, wenn das Schiff Kurs nimmt auf Deutschland. Doch derzeit befindet es sich noch irgendwo vor Afrika.
Das Team Multiflight entwickelt sich stetig weiter. Federführend ist hierbei Jolandas Ehemann Jos Scheuten. "Der probiert immer gern was Neues aus", sagt die dreifache Mutter. Viele Einfälle haben anfangs einen pragmatischen Hintergrund. Das Team ist bekannt für ihre beleuchteten Nachtflüge und -shows. Ihren Ursprung hat diese Ausrichtung in einer schlichten Erkenntnis: "Man sieht einfach nichts, wenn man abends fliegt". So begann das Experimentieren mit LEDs – erst ein Lämpchen mit Batterie, dann Handy-Akkus für eine längere Leuchtkraft und bald schreiben rund 400 Leuchtdioden ein Willkommen für die Besucher an den Nachthimmel. Lässt der Wind es zu, zeigt Team Multiflight auch seine Nachtflugshow "War of The Worlds". Mit Marsianern und Ufos verwandeln sie den Abendhimmel in eine futuristische Science-Fiction-Landschaft. Dafür gab es bereits den ersten Preis beim Drachenfest in Lünen.
Luftfotografie mit Hilfe von Drachen
Ein weiteres Experimentierfeld der Familie Scheuten ist die Luftfotografie unter Zuhilfenahme von Drachen. Seit dem Jahr 2000 wächst das Geschäft mit der umweltschonenden und kostensparenden Ablichtung von Objekten oder Grundstücken aus der Vogelperspektive. Dazu wird eine kleine Kamera an einem Drachen befestigt und mit einem Sender ausgestattet, so dass der Blickwinkel vom Boden aus verfolgt werden kann. Es entstehen gestochen scharfe Bilder von Naturschutzgebieten, Denkmälern, Bauland oder von Drachenfestgeländen. "Wir können jetzt noch nicht davon leben, aber wenn sich das Geschäft so weiterentwickelt wie bisher, könnte es in gut fünf Jahren lukrativ genug sein, um unser Hobby zum Beruf zu machen", sagt Jolanda Scheuten.
Am Drachenfest in Lemwerder gefällt Scheuten besonders "das große Gelände, das kleine ’Meer’ und die Drachenwiese. Wir sind wie eine große Familie", sagt die Niederländerin. Für alle Kinder hat das Team diesmal eine Bonbonfähre entwickelt: Per Funksteuerung wird das Schiff geöffnet und die Süßigkeiten regnen auf die Besucher herab.
Die Drachenwiese am Ritzenbütteler Sand ist sechs Hektar groß, das angegliederte Festdorf erstreckt sich über weitere zehn Hektar. "Die brauchen wir auch, um unser vielfältiges Programm zu präsentieren", sagt Organisator Dieter Seidel. Es gäbe Mitmach- und Spielattraktionen für Kinder, ein Zirkuszelt, ein Beachvolleyballfeld und eine große Bühne. Am Eröffnungsabend tritt dort die französische Zirkustheatergruppe "Les Krilati" mit ihrer akrobatische Luftnummer "Racines" auf. Am Sonnabend wird die Kultband "Torfrock" an der Weser erwartet. Eröffnung ist am Freitag um 17 Uhr. Sonnabend und Sonntag öffnet das Gelände jeweils um 11 Uhr.