Sie wollen etwas für das Allgemeinwohl tun, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, Erfahrungen sammeln – oder einfach nur die Zeit bis zum Studium sinnvoll überbrücken: 34393 Menschen in Deutschland engagieren sich (mit Stand vom September) im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD). Sie helfen in Pflegeheimen, Kindertagesstätten und Schulen, kümmern sich um Menschen mit Behinderungen, um Kranke und Senioren, bringen sich im Umwelt- und Naturschutz oder im Kulturbereich ein. Auch im Bremer Norden gibt es Bundesfreiwillige – zum Beispiel Malina Mittelmann, Preben Hennemann und Jorrit Latacz.
Die 18-jährige Malina Mittelmann und der ein Jahr ältere Preben Hennemann leisten ihren Freiwilligendienst im Kulturbüro Nord. An diesem Tag sind die beiden im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus bei Veranstaltungstechniker Gero Hoehne im Einsatz. Der Saal muss vorbereitet werden – ein Konzert steht auf dem Programm. Während der Techniker im Regieraum beschäftigt ist, rücken Malina Mittelmann und Preben Hennemann Tische zur Seite, kümmern sich um die Bestuhlung und richten Scheinwerfer aus. 38,5 Stunden arbeiten sie pro Woche im Bürgerhaus, Kito, Kuba oder Overbeck-Museum, bei Veranstaltungen auch am Wochenende. Für ihre Freiwilligentätigkeit erhalten sie ein Taschengeld in Höhe von 330 Euro monatlich. Das Mittagessen aus der Bürgerhaus-Küche ist für sie kostenlos.
Als Personal- und Gebäudemanager im Kulturbüro Nord ist Volker Beringer auch für die Betreuung von Malina und Preben zuständig. „Die Plätze bei uns sind begehrt und wir könnten jede helfende Hand gebrauchen. Aber anders als früher bei den Zivildienstleistenden bekommen wir nur einen Zuschuss. Einen Teil der Kosten für Taschengeld und Sozialversicherung müssen wir selbst tragen, deshalb können wir nicht mehr als zwei Plätze anbieten.“
Bei Konzerten hinter den Kulissen dabei zu sein, beim Auf- und Abbau der Bühne mitzuhelfen – all das macht den beiden Freiwilligen Spaß. Demnächst werden sie bei einem Konzert im Pier 2 mit anpacken. „Am Anfang war es natürlich besonders aufregend, weil alles neu für mich war“, schildert Preben Hennemann.
Beim Bundesfreiwilligendienst ist neben der fachlichen Anleitung in der Einsatzstelle eine pädagogische Begleitung in einem Bildungszentrum vorgesehen. Volker Beringer: „Die Freiwilligen nehmen während ihrer zwölfmonatigen Dienstdauer an insgesamt fünf Seminarblöcken mit jeweils fünf Bildungstagen teil. Ihnen werden unter anderem soziale und interkulturelle Kompetenzen vermittelt. Ein Seminar zur politischen Bildung gehört ebenfalls dazu.“
Das einwöchige Einführungsseminar hat Malina Mittelmann bereits hinter sich: „Es ging unter anderem um Moralvorstellungen und die Frage, ob diese auf reale Beispiele anwendbar sind.“ Oft sind es mehrere Beweggründe, die zur Entscheidung für einen Bundesfreiwilligendienst führen. Die 18-Jährige hat in diesem Jahr ihr Abitur gemacht. „Zum BFD im Kulturbüro Nord habe ich mich entschlossen, weil ich den kulturellen Bereich interessant finde und mich beruflich orientieren möchte, bevor ich mich auf ein Studienfach festlege. Da ich gern künstlerisch tätig bin, käme beispielsweise Bildende Kunst infrage. Aber auch Psychologie könnte etwas für mich sein“, sagt sie.
Ähnlich sieht es bei ihrem derzeitigen Kollegen aus: Auch er hat sein Abitur in der Tasche und möchte die Zeit als Freiwilliger zur beruflichen Orientierung nutzen. Sein Interessengebiet ist breit gefächert. „Ich finde Veranstaltungstechnik spannend, deshalb kam der Freiwilligendienst im Kulturbüro für mich infrage. Danach werde ich wahrscheinlich studieren – eventuell Elektrotechnik. Ich könnte mir aber auch ein anderes Studium vorstellen, zum Beispiel Digitale Medien, Rechtswissenschaft oder Psychologie.“
Jorrit Latacz hat seinen Bundesfreiwilligendienst im Neurologischen Rehabilitationszentrum Friedehorst am 1. September begonnen. Die Einrichtung ist auf die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen spezialisiert, deren Nervensystem von Geburt an, durch einen Unfall oder eine Krankheit geschädigt ist – zum Beispiel nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Schlaganfall.
„Es stand für mich schon lange fest, dass ich mich nach der Schulzeit zunächst im sozialen Bereich engagieren werde und gern etwas mit Kindern und Behinderten machen möchte“, sagt der 19-Jährige. „Mit dem Freiwilligendienst erfülle ich zugleich den praktischen Teil der Fachhochschulreife. Dieser Vorteil war aber nicht ausschlaggebend. In beruflicher Hinsicht habe ich jedoch andere Pläne: Ich möchte zum Zoll, zur Polizei oder zur Bundespolizei.“
Der Lesumer ist in der krankengymnastischen Abteilung des Reha-Zentrums tätig. „Meine Aufgabe ist es, den Therapeuten zur Hand zu gehen, indem ich die Rehabilitanden bei bestimmten Übungen nach Anleitung begleite und unterstütze – zum Beispiel beim Gehenlernen oder beim Treppentraining, auf dem Ergometer, an der Kletterwand oder im Schwimmbad.“
Es ist kurz vor 14 Uhr, auf Jorrit Latacz’ Stundenplan steht: „Psychomotorisches Bad“ – eine Gruppentherapie für Kinder im Schwimmbad. Er ist für den 13-jährigen Rexhep zuständig. Mit geübten Handgriffen legt er dem Jungen die Schwimmflügel an, hebt ihn aus dem Rollstuhl und hilft ihm dabei, sich vom Rand des Therapie-Schwimmbeckens ins Wasser gleiten zu lassen. Anschließend schwingt Jorrit Latacz sich selbst ins Becken, um Rexhep bei seinen Bewegungsübungen zur Seite zu stehen. Die beiden haben sichtlich Spaß. Die Sporttherapeutin Birte Nord ist froh, dass der BFDler sie bei ihrer Arbeit unterstützt: „Dank Jorrit kann Rexhep gemeinsam mit den anderen Kindern an der Therapie teilnehmen. Sonst wäre nur eine Einzeltherapie möglich gewesen. Inzwischen kann Jorrit sich auch mal um die anderen Kinder kümmern, weil Rexhep jetzt schon so weit zurechtkommt.“
Was Jorrit Latacz besonders an seinem Freiwilligendienst gefällt, ist einerseits die Wertschätzung, die er für sein Engagement erfährt. Am meisten Freude bereiten ihm aber die Fortschritte der Rehabilitanden: „Wenn ich sehe, wie jemand die Bewegungsabläufe mithilfe des Trainings nach und nach wiedererlernt und mit der Zeit immer sicherer und schneller wird, ist das für mich die schönste Motivation.“
Der Bundesfreiwilligendienst
◼ Der Bundesfreiwilligendienst existiert seit dem 1. Juli 2011. Er wurde von der Politik geschaffen, um zumindest teilweise den Wegfall des Zivildienstes auszugleichen. Jeder, der die Schulpflicht erfüllt hat, kann einen BFD leisten und sich im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich, im Sport, in der Integration oder im Zivil- und Katastrophenschutz engagieren. Eine Altershöchstgrenze gibt es beim BFD nicht. Üblich ist eine Dienstdauer von zwölf Monaten.
◼ Einsatzstellen für einen BFD in Bremen-Nord sind beispielsweise der Verein Ökologiestation, die Schule Alt-Aumund, Friedehorst, der Kindergarten St. Marien in Blumenthal, die Kirchengemeinde St. Martini in Lesum, das Stiftungsdorf Blumenkamp, das Klinikum Bremen-Nord und weitere gemeinwohlorientierte Einrichtungen.
◼ Eine Online-Einsatzstellensuche sowie detaillierte Informationen über den Bundesfreiwilligendienst stellt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben auf www.bundesfreiwilligendienst.de zur Verfügung. Wer Fragen hat, kann sich an die Informationshotline unter Telefon 0221 3673-0 wenden.
(KBW)